Open Grave (Filmkritik)

Ein Mann (Sharlto Copley) erwacht unter großen Schmerzen mitten in einem offenen Massengrab. Er hat keine Erinnerung mehr daran was passiert ist, sogar sein eigener Name ist ihm völlig unbekannt. Eine mysteriöse Dame hilft ihm zwar mit einem Seil aus der Grube, doch gleich darauf ist sie verschwunden. Auf der Suche nach Antworten streift der Mann verloren durch den Wald.

Als er zu einem großen Gebäude kommt, trifft er darin eine Gruppe von fünf Leuten, die kurz vor ihm erwacht sind und ebenso scheinbar ihr Gedächtnis verloren haben. Unter großem gegenseitigen Misstrauen beschliesst die ungleiche Truppe schließlich, gemeinsam nach den Ursachen für ihren aktuellen Zustand zu suchen. Die Antworten auf ihre Fragen könnten dabei aber unangenehmer sein, als ihnen lieb ist.

Open Grave

„Open Grave“ ist der neueste Film des spanischen Regisseurs und Cutters Gonzalo López-Gallego (Apollo 18). Gedreht wurde kostengünstig in Ungarn und mit Sharlto Copley wurde eine Star verpflichtet, der einerseits gerade am aufsteigenden Ast ist, andererseits auch für ambitioniertere Projekte abseits vom reinen Blockbuster-Dasein steht.

Dunkelheit. Nur die Gewitterblitze erhellen das Geschehen, doch nichts kann das eindringliche (und vielleicht etwas übertrieben laute) Knacken der Knochen des gerade erwachten Mannes, der augenblicklich offensichtlich schmerzhafte Streckversuche unternimmt, übertönen. Dann die Erkenntnis: ich liege auf einem Haufen voller Leichen und als Bonus hab ich auch noch mein Gedächtnis verloren. Der Anfang des Filmes ist atmosphärisch wirklich stark und zieht den Zuschauer sofort mitten ins unangenehme Geschehen hinein.

Was dann kommt, folgt einem klaren Schema das nur spannend bleibt, wenn man den Ausgang der Geschichte sehen möchte und da muss man der Inszenierung Tribut zollen, denn man will wirklich wissen, was hier gespielt wird. Erschreckende Hinweise werden gefunden (entstellte Leichen angebunden an Bäumen wie Vogelscheuchen), die Paranoia innerhalb der Gruppe steigt („Du hast mir das angetan“) und beunruhigende Erinnerungsfetzen geben doch auch Hoffnung, dass der verlorene Zustand des eigenen Gehirnes nicht permanent ist.

Ohne größere Actionszenen, verlässt sich der Film dabei trotz seiner Horror typischen Grundstimmung, voll auf die Krimi-Mechanik und das persönliche Drama. Natürlich ist die gezeigte Welt brutal und kalt, was hier viel abstossender daherkommt, als wenn man physische Gewalt explizit gezeigt hätte, auch wenn es an einigen Stellen leicht möglich gewesen wäre. Die guten Masken, die einige der Protagonisten hier schön unheimlich bzw. krank erscheinen lassen, unterstützen dieses Gefühl und machen den Zwiespalt der Gruppe spürbar: Will ich jetzt einfach nur mehr wegrennen oder doch die Wahrheit heraus finden?

Sharlto Copley (Das A-Team) bleibt sich mit seiner Rollenwahl selber treu, denn wie so oft darf er auch hier mehr oder weniger manische/wahnsinnige Verhaltensweisen (wie zuletzt in „Elysium„) zeigen. Als ambivalenter Held funktioniert er so sehr gut, man weiss zwar selber nicht genau was nun mit ihm läuft, doch irgendwie geht gerade davon die Faszination aus. Thomas Kretschmann (Hostel 3, The Big Bang) hingegen ist von Beginn an feindselig und driftet dann immer mehr in den Wahnsinn ab. Auch hier gilt: stark gespielt und lange bleibt unklar, ob er Opfer oder Täter ist, oder einfach nur von einem zum anderen wechselt.

Die weiteren Männer im „Team Amnesie“ sind Joseph Morgan (The Originals), der irgendwie unterschwellig gefährlich wirkt und Max Wrottesley (Diana), der nicht viel zu tu bekommt, außer dass er mir am Ende etwas leid getan hat. Bei den Damen zeigt Erin Richards (Breaking In) ihre kämpferische Seite und Josie Ho (Contagion) als taub-stumme Beobachterin, hat einige der besten weil emotionalsten Szenen im Film, überhaupt spielt sie eine von denen, wenn nicht die Figur überhaupt, die am schwierigsten einzuordnen ist.

Was man hier bekommt ist ein atmosphärisch dichter, unheimlicher und gut gespielter Thriller, der wohl wenig „Den will ich wieder mal sehen“ Feeling versprüht, doch beim ersten Mal ansehen ein ziemlich spannendes Erlebnis abliefert und vor allem durch die grauen Haupt-Charaktere besticht, bei denen wirklich kein einziger nur schwarz oder nur weiß ist. Passend dazu auch der Schluss des Filmes, der sowohl Hoffnung als auch das Ende der Hoffnung bedeuten kann, je nachdem wie man es sehen möchte.

„Open Grave“ bekommt von mir 7/10 große Gruben und das Gehirn beeinträchtigende Substanzen, in Zukunft lieber meidende Empfehlungspunkte.


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