Girl on the Train (Filmkritik)

Jeden Tag fährt Rachel (Emily Blunt) mit dem Zug. Dabei fährt sie an einem ganz bestimmten Haus vorbei und beobachtet ein Pärchen – Megan (Haley Bennett) und Scott (Luke Evans) – das in ihrem Kopf die perfekte Beziehung führt. Auch auf das Gebäude zwei Häuser weiter, wirft sie dabei ebenfalls jedes Mal einen Blick, denn darin wohnt ihr Ex-Mann Tom (Justin Theroux) mit seiner neuen Frau Anna (Rebecca Ferguson).

Da Rachel keinen Job mehr hat und der Alkohol ihr einziger Freund ist, sind die Phantasien auf Megan bezogen und die Wehmut, die sie wegen der Familie – die sie selber mit ihm niemals hatte – von Tom spürt, das einzige, dass sie vorantreibt. Doch dann sieht sie Megan eines Tages mit einem anderen Mann, will sie kurz darauf zur Rede stellen und wacht mit einer blutenden Kopfwunde in ihrem Bett wieder auf. Sie kann sich an nichts mehr erinnern und Megan wird von ihrem Mann als vermisst gemeldet…

Manchmal reagiert Hollywood doch ziemlich zügig. Im Jahr 2015 erschien der Roman „The Girl on the Train“ der Britin Paula Hawkins und wurde zum Bestseller. Ende 2016 kam bereits die gleichnamige Verfilmung in die Kinos. Ein relativ geringes Budget von 45 Millionen, einige talentierte Namen im Cast und schnell genug realisiert, um den Hype des Buches zu nutzen. Was nach einem sicheren Hit klingt, wurde jedoch von Fans des Buches größtenteils nur als mittelmäßig bezeichnet und war in den Medien kaum bis überhaupt nicht präsent.

Ich lasse die Vergleiche mit dem Buch, ich habe es nämlich nicht gelesen, kann aber an Hand der Inszenierung durchaus feststellen, warum dieser Thriller für mich nicht so gut funktioniert, wie es das konstant spürbare Potential vermuten ließe. Der Film arbeitet ja mit verschiedenen Zeitebenen und verbringt zahlreiche Momente damit, uns Zusehern die Charaktere näher zu bringen. Dem Krimi-Anteil der Handlung wird durch diesen „Kunstgriff“ jedoch die ganze Spannung entzogen und die Frage nach dem „wer war es?“, gerät immer mehr in den Hintergrund.

„Alle Männer sind Schweine“ ist ein ganz passender Ausdruck, denn durchgehend positiv fällt hier kein einziges männliches Wesen auf. Das war nun übrigens mein einleitender Satz um den für mich besten Teil des Filmes zu nennen und das sind die zwei Haupt-Damen. Ja, sie sind stereotypisch aufgebaut in ihrem Verhalten und eine echte Bindung zu einer von ihnen aufzubauen und somit mitzufiebern, ist schwer, doch ihre Schicksale und was dadurch aus ihnen geworden ist, ist richtig interessant zu beobachten.

Auf der Krimi-Ebene ist für mich dieses Projekt somit klar gescheitert, auf der Drama-Ebene jedoch, werden die Spannungen der inneren Konflikte und zwischen den Personen, sehr anschaulich präsentiert. Regisseur Tate Taylor (The Help) hat somit im Prinzip halb versagt und halb gute Arbeit geleistet und kann sich zusätzlich auf seine Darsteller verlassen, die ohne sich zurückzuhalten, alles in ihren Rollen geben (wobei es von der Faszination her, hier sehr unterschiedliche Charaktere gibt).

Allen voran zeigt Emily Blunt (Sicario) als Rachel wieder mal, dass sie so ziemlich alles spielen kann. Wie sie sich temporär vorgetäuschte Sicherheit und Überlegenheit durch ihren Alkoholkonsum besorgt und dabei permanent den abwertenden Blicken ihres Umfeldes ausgeliefert ist, mit all den damit einhergehenden Stimmungsschwankungen und der Verlorenheit, das wirkt einfach unheimlich authentisch. Dass sie Angst vor sich selbst hat und nicht mehr genau zu wissen scheint wozu sie fähig ist, ist da nur der logische nächste Schritt. Justin Theroux (Zoolander 2) spielt ihren Ex-Mann zunächst harmlos und als liebenden Familienvater, doch stille Wasser sind ja bekanntlich tiefer als man denkt.

Haley Bennett (Hardcore Henry) als Megan, ist das zweite Highlight für mich. Sie wirkt zunächst genau wie es der Phantasie von Rachel entspricht, wie die im Job und Privatleben perfekte und glückliche Dame, auf die andere Menschen neidisch sind. Natürlich sieht die Wirklichkeit ganz anders aus und wie sie mit ihrer extrovertierten Art und auch Sex versucht ihren Schmerz zu überspielen, da merkt man einfach, dass man nach manchen Fehlern zerstört ist und nicht alles „wieder gut wird“. Luke Evans (High Rise) spielt ihren Ehemann leidenschaftlich, doch im Endeffekt ist er nur auf seine eigenen Wünsche fixiert.

Insgesamt daher ein Film, der sich in Rückblicken und großen Emotionen etwas verliert, vor allem dank der Darsteller aber auch einige Momente hat, die unter die Haut gehen. Um diesen Film so wie ich als gutes Erlebnis zur einmaligen Sichtung abspeichern zu können, bin ich übrigens zu folgender Logik gelangt. Wenn eine Dame (im übertragenen Sinne) zu einer „wenn er mich schlägt und mir das nichts ausmacht, dann ist es kein Missbrauch“ Mentalität gelangt, dann ist genau der Weg dorthin spannend und nicht wer an ihrem Verschwinden Schuld ist.

„Girl on the Train“ bekommt von mir 7/10 das Interesse klar hin zu den persönlichen Dramen lenkende Empfehlungspunkte.

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