Hardcore Henry (Filmkritik)

Henry erwacht in einem Wassertank. Teilweise. Estelle (Haley Bennett) setzt ihn langsam wieder zusammen, steckt den Kopf auf dem Rumpf, lässt den Arm befestigen und dreht den Fuss wieder hinein. Sie erklärt ihm sie sei seine Frau und dass sie ihn noch immer liebt. Derzeit könne er noch nicht sprechen, doch das Sprachmodul werde gleich als nächstes eingebaut. Plötzlich bricht jedoch Akan (Danila Kozlovsky) mit seinen Männern in das Labor ein.

Einige Männer sterben und bei der anschließenden Flucht, kommt Henry zwar davon, doch Estelle wird gefangen genommen. Ein Mann namens Jimmy (Sharlto Copley) rettet Henry und erklärt ihm, dass er eine neue Batterie braucht um seine Frau zu retten. Bevor er mehr erzählen kann, wird Jimmy jedoch erschossen. Kurz darauf ist Jimmy wieder da, mit langem Bart und verändertem Akzent. Alles soweit noch klar? Willkommen in Henry´s Welt!

hardcore

Es ist schon wirklich „Hardcore“ was Regisseur und Drehbuchautor Ilya Naishuller mit dieser russisch-amerikanischen Produktion auf die Beine gestellt hat, zumal es sich auch noch um sein Spielfilmdebüt handelt. Ebenfalls eine feine Sache ist, wenn man dann noch einen visuellen und erfahrenen Regisseur wie Timur Bekmambetov (Abraham Lincoln: Vampire Hunter) als Produzenten zur Seite hat. Wie gut kann jedoch ein Film funktionieren, der im Prinzip die direkte Transformation eines Shooters in filmischer Form sein möchte?

Nun, vor allem ist dies ein gewaltiges Trip-Erlebnis, dass seine Inspirationsquellen mit beinahe jeder Einstellung zelebriert. Genau wie beim Spielen eines Shooters hatte ich während des Filmes, ähnliche Gefühlsregungen. Mal vorsichtig herantasten, die Ausgangslage wirken lassen. Dann die WOW-Momente, die an Coolness nicht zu überbieten sind und auch die chaotischen Abschnitte mit ihrem ganzheitlichen Overkill-Charakter, bei denen man froh ist, sie überstanden zu haben.

Die Handlung ist mit „Frau retten und böse Jungs beseitigen“ mehr als ausreichend beschrieben. Da hat auch keiner etwas anderes erwartet. Da ich kein Freund von Found-Footage Filmen bin und mir da oft auch schlecht wird, war ich angenehm überrascht wie einnehmend ich die Art wie hier gefilmt wird, fand. Immerhin wird ja fast jede Szene aus der Perspektive von Henry gezeigt, inklusive all der durch den andauernden Kampf bedingten schnellen Schwenks und Aufnahmen mit eindeutigem Weitwinkel-Schwerpunkt. Unser Henry hat schon richtig gute Kamera-Augen.

Die Gewalt-Darstellung ist Genre-bedingt übertrieben und daher ziemlich blutig und wie viele Gegner hier beseitigt werden, auch da kommen die Macher einem Computerspiel erstaunlich nahe. Die Schauplätze wechseln zwar – Straße, Bar, Hochhausdach, Labor, Ruinen, Hubschrauber – doch vor allem die Figur des Jimmy bringt dann die nötige Abwechslung. Man wartet schon richtig darauf dass er wieder stirbt und keine Sorge, man erfährt im Laufe der Story, was sein Geheimnis ist.

Henry selbst sieht man ja nur einmal ganz kurz in einer Spiegelung, außerdem wurde er von über zehn verschiedenen Männern gespielt, dafür hatten die anderen Darsteller offensichtlich umso mehr Spass bei der Arbeit. Sharlto Copley (Open Grave) ist als Jimmy unglaublich vielseitig, sowohl was die Optik, als auch den Akzent und das Verhalten betrifft. Die Freude die er offensichtlich hatte, überträgt sich dann auch sofort auf den Zuseher und die Sing- und Tanzsequenz, die ist einfach herrlich schräg.

Haley Bennett (Die glorreichen Sieben) als Estelle spielt perfekt diese Art von Frau, die zwischen lieb und lasziv, unschuldig und erotisch irgendwie hin und her pendelt. Will Henry da jetzt seine Schöpferin/Mutterersatz retten, oder seine große Liebe? Ich habe keine Ahnung, Henry sicher auch nicht und überhaupt, was sind schon „echte“ Gefühle auf ihn bezogen? Danila Kozlovsky (Vampire Academy) als Akan schließlich ist ein widerlicher, überheblicher und unberechenbarer Sadist, genau die Art von Oberbösewicht, dem man am Ende des Spieles, dann mit Genuss den Kopf abreißt.

Ein wilder Ritt also, mutig, modern, eigenständig und überdreht. Ich fand ihn streckenweise auch anstrengend, vor allem visuell, doch wie bereits erwähnt, ich kenne keinen Shooter, bei dem es diese Momente nicht gibt und trotzdem spielt man immer wieder mal einen durch. An der Machart, den Effekten, den Darstellern und dem Irrwitz, habe ich dagegen nichts auszusetzen. Als Experiment super, würde ich hier jedoch nicht empfehlen ein Franchise daraus zu machen, denn da würde sich die Innovation sehr schnell abnutzen.

„Hardcore Henry“ bekommt von mir 8/10 getrieben und ohne zu reflektieren auf sämtliche neuen Eindrücke spontan reagierende Empfehlungspunkte.

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