The 355 (Filmkritik)

Beim neuesten Auftrag von CIA Agentin Mace (Jessica Chastain) geht etwas schief. Sie kann nicht nur ihren Auftrag eine Festplatte zu beschaffen nicht erfüllen, sie verliert auch noch ihren Partner. Von ihrem Vorgesetzten wird sie wenig später auf eine nicht abgesegnete Mission geschickt, damit sie die Sache auch für sich selbst zu Ende bringen kann. Sie kontaktiert daraufhin zunächst ihre alte Freundin, MI6 und Computer-Expertin Agentin Khadijah (Lupita Nyong’o).

Konkurrenzkämpfe mit der deutschen Undercover-Agentin Marie (Diane Kruger) werden beiseite gelegt und sowohl sie als auch Psychologin Graciela (Penelope Cruz) stoßen mehr oder weniger freiwillig zum Team. Doch sie werden es nicht leicht haben, denn die mächtigen männlichen Drahtzieher, wollen ihre Machtspiele unter sich austragen und die Festplatte ihr eigen nennen, ohne dabei von lästigen Damen gestört zu werden.

Simon Kinberg ist als Produzent (Deadpool, Der Marsianer) und Drehbuchautor (Sherlock Holmes, Star Wars Rebels) in Hollywood ein bekannter Name. Als Regisseur hat er bis jetzt nur die X-Men Saga im Jahre 2019 mit Dark Phoenix zu einem eher mittelmäßigen Finale geführt. Dabei mitgespielt hat auch Jessica Chastain und sie war es auch, die Kinberg die Idee für diesen Film präsentiert hat. Der Titel wurde dabei abgeleitet von der Agentin 355, die eine Spionin war während der amerikanischen Revolution.

Gedreht wurde zwischen July und September 2019 in Paris, Marokko und London und dank Covid 19, wurde der Film dann ein ganzes Jahr auf Jänner 2022 verschoben. Kinberg hat erneut auch am Drehbuch (mit Theresa Rebeck) mitgeschrieben und agiert als Produzent, Chastain produziert ebenso. Wie bereits bei Code Ava führt dies dazu, dass trotz der Verlorenheit ihrer Figur, die Inszenierung auf sie bezogen, etwas selbst verliebt wirkt.

Ab jetzt folgen Spoiler. Ja, das hier ist wirklich kein guter Film und schon gar kein innovativer, auch wenn es von der Grundkonstellation der Fall sein könnte. Vor allem wird natürlich wieder mal die einzige Möglichkeit bedient, mit der Hollywood die Stärke von Damen zeigen kann: es ist jeder einzelne Bösewicht hier männlich. Vom kleinsten Handlanger, hin zu den korrupten Größen und den Drahtziehern im Hintergrund, alles Männer.

Es gibt da eine zugegeben emotional harte Szene, in denen einige Bezugspersonen der Heldinnen getötet werden. Außer der brave Mann, der mit seinen beiden Kindern Hausmann spielt, während seine Frau die Welt rettet. Was lernen wir also daraus? Richtig, Frauen sind niemals böse und Männer haben nur das Recht zu überleben, wenn sie liebe Familienväter sind. Sorry wegen meinem Sarkasmus, aber das haben die Macher hier wirklich so verdient.

Ich verstehe schon, dass man sich in der von Männern dominierten Welt der Agentenfilme etablieren wollte, doch dafür brauche ich weniger Seitenhiebe gegen die Vorbilder und mehr eigene Impulse. Nur fünf Damen zu wählen, in einen Topf zu werfen und dann abzuwarten was dabei raus kommt, das reicht einfach nicht. Natürlich ist es nett, wenn diese dann immer wieder mal in ihren Muttersprachen sprechen, weil das neben den Locations den internationalen Flair hochleben lässt, doch neue Ideen sehen anders aus.

Ärgerlich sind dann aber noch ein paar andere Sachen. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Heldinnen je nachdem wie es von der Handlung her gerade notwendig ist, entweder extrem effizient ihr Gegner neutralisieren, oder einfach gar nichts treffen. Man wird da eindeutig aus dem Geschehen heraus geworfen, weil die Sache nicht mehr stimmig ist. Von der Story her hätte übrigens eine der Damen die Idee haben können, die gefährliche Festplatte zu vernichten und sie nicht in die Hände von Männern (denen kann man nicht vertrauen) zu geben, doch dann wäre der Film ja gleich vorbei und somit zu kurz und nicht mit zwei Stunden Laufzeit doch etwas zu lange.

„Du trägst keine Schuld, du hast einfach dem falschen Kerl vertraut.“ Als ich den Trailer gesehen habe, ist mir hier Sebastian Stan als bekanntestes Gesicht unter den Männern auf der Seite der Guten aufgefallen und sofort dachte ich mir, der muss ein Verräter sein, das ist typisch für diese Art von „starke Damen“ Film. Der männliche Star darf dabei nämlich den Damen nicht die Show stehlen, siehe etwa auch Patrick Stewart bei Charlies Angels. Als er dann nach kurzer Zeit offscreen getötet wird, bekam ich meine Bestätigung. Entschuldigung, aber als dann gegen Ende sein Wiedererscheinen als Twist eingebaut wird, kann man das einfach nur lächerlich finden.

Übrigens auch bei der Action hapert es etwas, denn natürlich haben die Damen hier brav trainiert, doch keine ist echte Martial Arts Künstlerin. Das trifft so auf viele Stars zu, ich weiß, doch die schnellen Schnitte und das Zoomen ganz nah oder in die Totale, das kaschiert meistens eine schwache Choreographie oder/und zu wenig Können. Kommen wir zu den Damen und da gibt es für mich ein klares Highlight und das ist Lupita Nyong’o (Little Monsters) als MI6 Computerexpertin Khadijah.

Warum sie klar am Besten ist? Nun ich finde ihre Art nicht gekünstelt und auf cool getrimmt, sie ist einfach authentisch und auf ihre Art eine Kämpferin (eben meistens hinter dem Computer), sie ist sehr souverän und wenn sie leiden muss, dann fühlt man eindeutig mit ihr. Jessica Chastain (Molly´s Game) finde ich spielt einfach zu gewollt, bezogen auf ihre Unabhängigkeit und wie sie Schmerz und Einsamkeit irgendwie noch stärker machen als Persönlichkeit und Diane Kruger (Seelen) hat mich ehrlich gesagt einfach gelangweilt.

Penelope Cruz (Mord im Orient-Express) ist sympathisch und wenn sie über sich hinaus wächst auch ganz witzig und Bingbing Fan (X-Men: Zukunft ist Vergangenheit) ist eigentlich nur kurz dabei, weil man ja auch auf den asiatischen Markt schielen muss als weltoffene amerikanische Produktion. Sebastian Stan (I, Tonya) hatte dafür sichtlich seinen Spaß und zelebriert seine immer auf den eigenen Erfolg bedachte Rolle und sogar wenn er verliert, behält er sich eine gewisse Coolness.

Ich werfe ja sogenannten „Cineasten“ gerne vor – die ständig Blockbuster beurteilen und diese dann furchtbar finden – dass sie dies ganz bewusst machen, weil sie einfach gerne schimpfen, anstatt zu Filmen zu wechseln, die ihnen mehr entsprechen. Das kann ich mir selber auch hier vorhalten, denn natürlich habe ich gewusst, dass ich die 355 sehr wahrscheinlich aus den gerade genannten Gründen schlecht finden werde (das Black Christmas Remake ist und bleibt übrigens dennoch der Tiefpunkt dieser „Bewegung“). Ich wollte aber irgendwie sehen, dass mich das Endprodukt, vom Gegenteil überzeugt. Hat es aber nicht.

Darum hier noch mein Aufruf statt einem Fazit. Was glaubt der Mobber? Richtig, dass er indirekt besser ist, wenn er andere schlecht macht. Ist aber nicht so. Wenn also in einem Film alle Männer machthungrig, brutal, gefühllos, verräterisch, ja einfach Schweine sind, sind dann Frauen indirekt besser? Hm, lass mich kurz nachdenken. Und noch was: wenn ich ein mieses Drehbuch habe reicht es nicht, Frauen in sonst auf Männer abonnierte Rollen zu stecken, der Film ist dann nämlich dennoch schlecht.

„The 355“ bekommt von mir 4,5/10 das Ziel „Hochglanz-Langeweile“ abzuliefern, sehr gekonnt erfüllt habende Empfehlungspunkte.


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