Possessor (Filmkritik)

Tasya Vos (Andrea Riseborough) arbeitet für eine geheime Organisation, die Auftragsmorde durchführt. Das passiert jedoch nicht auf gewöhnliche Art und Weise, sondern mittels eines Implantates im Gehirn übernimmt Tasya die Kontrolle über einen Wirt bzw. sein Leben für einige Stunden oder auch Tage, eliminiert ihr Opfer und lässt den Wirt danach Selbstmord begehen. Gerade hat sie von ihrer Chefin Girder (Jennifer Jason Leigh) einen neuen, sehr lukrativen Job bekommen.

Es geht darum Firmenchef John Parse (Sean Bean) und seine Tochter zu beseitigen und dafür übernimmt sie die Kontrolle über seinen zukünftigen Schwiegersohn Colin (Christopher Abbott). Was Tasya jedoch verschwiegen hat, ist, dass sie zunehmend schwächer wird, Probleme hat ihr eigenes Leben von dem eines Wirtes zu trennen und im schlimmsten Fall sogar temporär zum schwächeren Bewusstsein innerhalb eines Körpers wird …

Zu seinem erst zweiten Langfilm (nach Antiviral) hat Regisseur Brandon Cronenberg auch das Drehbuch verfasst. Die Einflüsse seines berühmten Vaters David (Naked Lunch, Existenz), was den Hang zu „Body Horror“ betrifft, sind dabei unverkennbar. Das kann man „Possessor“ dabei ganz objektiv nicht streitig machen, denn es ist ein extrem eigenständiger Film mit Sogwirkung geworden, den man nur in Ansätzen mit anderen Filmen vergleichen kann. Dabei wird man den Film – wenn man denn auf der selben Wellenlänge funktioniert – extrem großartig finden und feiern.

Kann ich verstehen, ich sehe das zwar nicht so, dennoch gibt es hier einiges, was man viel zu selten so intensiv serviert bekommt. Zunächst mal wird ein sehr tristes, im Prinzip nihilistisches Bild einer möglichen Zukunft gezeichnet. Firmen, denen es alleine nur ums Geld geht, sind an der Macht, kontrollieren das Geschehen und verkaufen ihre Dienste an den Meistbietenden. Dabei dringt das Bewusstsein des Killers in deinen Geist ein, du bringst daraufhin deine Liebsten um und begehst anschließend Selbstmord. Neben den Toten bleibt dank Augenzeugen und eindeutigen Beweisen das sichere Wissen der Außenwelt, dass du ein wahnsinniger Mörder gewesen bist.

Genau aus Sicht dieser Figur, die klar der Antagonist in so ziemlich jedem Film wäre, erlebt man dann die Story. Dabei hat Andrea Riseborough (Mandy) als Tasya handlungsbedingt zwar nur wenig Screentime, doch ihre Aura schwebt ständig wie ein Schatten wachend über dem Geschehen. Es ist auch sofort offensichtlich, dass sie die „eine Mission zu viel“ bereits seid längerem hinter sich hat und normale soziale Kontakte kaum als real erleben kann. Das Treffen zwischen ihr und dem von ihr getrennt lebenden Mann plus ihrem Sohn, da fühlt man sich auch als Zuschauer einfach nicht wohl in seiner Haut.

Die eigentliche Hauptfigur ist im Prinzip ja der von Christopher Abbott (It Comes at Night) gespielte Colin, grundsätzlich ein nicht unsympathischer Kerl, der gewöhnlicher wohl nicht sein könnte. Da er die meiste Zeit über jedoch Tasya ist bzw. sie ihn steuert, ist er Opfer und Täter zugleich und an ein Happy End für ihn, glaubt man sowieso schon von Beginn an nicht. Schon bei der sehr eindringlichen, elektrisierend wirkenden Eingangs-Sequenz des Filmes wird klar, dass hier keine Gefangenen gemacht werden.

Mit chirurgischer Genauigkeit fängt hier die Kamera ein, was man nur als Abschlachten bezeichnen kann. Messer, Schürhaken und Beil, wie die Morde passieren ist klar ein Metapher für den Wahnsinn, dem Tasya durch ihren Geisteszustand immer näher rückt. Es wird sogar thematisiert, sie hätte einfach nur die Pistole nehmen müssen und abdrücken, kein Blutbad veranstalten. Nie wird dabei jedoch die Gewalt sexualisiert, es ist einfach so wie es ist.

Was die Überblendungen, eingefügten Bilder, Farbfilter, Kameraeinstellungen und Schnitte betrifft, ist „Possessor“ ein audiovisueller Trip für sämtliche Sinne. Gezeigt wird eine zynische Welt, bei der du erst zu den Gewinnern gehörst, wenn du dich von allen Emotionen abgesehen von oberflächlichen oder professionellen Beziehungen getrennt hast und nur mehr den finanziellen Gewinn und die Macht vor Augen hast. Spätestens das Finale soll dann noch einmal schocken und provozieren und das tut es auch.

Faszinierend und abstossend zugleich, filmtechnisch eine Wucht und auf die Menschlichkeit bezogen ein schwarzen Loch, ein riesiger Abgrund ohne Boden. Funktioniert der Trip für dich, ist es sicherlich genial. Auch die Abschreckung, was aus Menschen werden kann, verfehlt seine Wirkung nicht. Ein unangenehmer Film, auch anders als der Rest, aber sicherlich keine emotionale Achterbahnfahrt, auf die ich mich mehrmals begeben will.

„Possessor“ bekommt von mir 6,5/10 dem Wolf einen immer wieder neuen, perfekten Schafspelz verpassende Empfehlungspunkte.


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