Hellfjord (Serienkritik)

Nachdem Salmander (Zahid Ali) sein Polizei-Pferd in Ausübung seiner Pflicht zuerst erschossen, dann mit einer Tuba erschlagen und danach auch noch überfahren hat – keine Sorge, er hat einen Grund – wird er in das allerletzte Kaff versetzt, das es in Norwegen gibt. Außerdem wird er gefeuert. Allerdings gibt es da die Klausel dass es bei der Polizei drei Monate Kündigungsfrist gibt. Diese muss Salmander nun in Hellfjord absitzen.

Und Absitzen trifft es tatsächlich. Denn es tut sich NICHTS in Hellfjord. Es ist der Ort in dem 80% der Bevölkerung über 60 Jahre alt sind. Der einzige Ort in Norwegen in dem wirklich alle Rauchen. Und außerdem auch der Ort mit der größten Anzahl an Lungenkrankheiten. Da gibt es übrigens keinen Zusammenhang.

Sein Kollege, der in im Ort begrüßt heißt Kobba (Stig Frode Henriksen) und ist völlig irre. Oder langsam. Oder beides. Auch seine Frau Riina (Pihla Viitala), ihres Zeichens Finnin, aus dem Katalog bestellt und gut in ziemlich allem, außer darin einen großen Wortschatz zu haben, ist ein wenig schräg. Immerhin war sie billig. Weil die Kartoffelernte in Finnland schlecht ausgefallen ist. Nämlich.

Zuerst sieht es aus, als wäre es wirklich nur ein ruhiges Kaff, aber rasch stellt sich heraus, dass da tatsächlich etwas schief läuft. Aber bevor Salmander noch feststellen kann, was los ist, gibt es bereits eine Leiche …

Noch nie davon gehört. Echt nicht. Aber Spideragent hat mir die Serie geschenkt, also konnte ich wohl davon ausgehen, dass sie gut ist. Und was soll ich sagen – jepp, definitiv. Sollte bei genauerer Betrachtung auch nicht sehr überraschen, denn die Köpfe hinter der Serie sind keine gänzlich unbekannten Leute und vor allem – sie sind Norweger. Und das in Skandinavien überall herrlich schräge (aber gute) Filme gedreht werden, wissen wir ja nicht erst seit „In China essen sie Hunde“ oder „Old Men In New Cars“, sondern schon seit „Adams Äpfel“ oder „Flickering Lights“. Allerdings haben die alle nichts mit „Hellfjord“ zu tun.

Dafür aber ein anderer, nämlich Tommy Wirkola. Sein erster internationaler Erfolg (in bestimmten Kreisen) war „Dead Snow“ – Nazi-Zombies. War okay, aber nicht sooo großartig. Dann kam der wohl weit bekanntere „Hänsel und Gretel: Hexenjäger„, ein – in meinen Augen – Trashfilm mit viel Budget. Und ja, der hat richtig Spaß gemacht. Auch für hohe Beachtung sorgte der noch viel schrägere (und bessere) „Dead Snow 2: Rote gegen Tote„. In allen drei Fällen war Wirkola für Drehbuch und Regie zuständig und das hat er wirklich großartig gemacht, keine Frage. So auch hier.

Stig Frode Henriksen war bei beiden „Dead Snow“ beteiligt und klarerweise auch bei „Hellfjord“. Hier spielt er Kobba, den … ich finde keine Worte, die ihn gut genug beschreiben, aber irgendwo in der Mitte bzw. am Kreuzpunkt von abstoßend, loyal, liebenswert, eklig und interessant – da sitzt Kobba.

Der Hauptdarsteller Zahid Ali, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, ist mir ebenfalls unbekannt, macht seine Sache aber hervorragend. Seine Mimik und Gestik – vor allem in den herrlich abstrusen Szenen: genial. Und abstruse Szenen gibt es Zuhauf. Ob man sich jetzt in einer Bar zum Mittagessen trifft, die Schlammcatchen, Striptease-Tanz, Stundenzimmer, Alkohol und Drogen als auch gleichzeitig Familienmittagsmenüs anbietet (es ist die einzige Bar in der Stadt), oder in ein Gefängnis einschleicht und sich dazu ein Hakenkreuz auf die Hand tätowieren(!) lässt um später im (benutzten!) WC-Papier-Transport abhauen zu müssen, oder sich bei Tante Kora ein Zimmer anmietet, oder unabsichtlich den Kopf einer Leiche in Brand steckt um ihn dann mit dem Schuss einer Schrotflinte löschen zu wollen und … naja, lassen wir das.

Den Vogel schießt jedoch Pihla Viitala ab, die einfach großartig ist. Und das von der ersten Folge weg. Das liegt allerdings auch zum größten Teil an dem wirklich coolen Drehbuch. Auf dem Cover der DVDs steht: „Wenn TWIN PEAKS auf HOT FUZZ trifft“. Das stimmt so nicht. „Twin Peaks“ spielt in einer völlig anderen Liga, da brauchen wir nicht drum herum zu reden. „Hot Fuzz„, nun das ist eine andere Sache. Der Humor ist ähnlich, nur halt skandinavischer, was bedeutet noch viel trockener als der britische und oftmals ist es so, dass im Vordergrund ein Dialog läuft, der an sich schon ziemlich witzig (weil blöd und schräg, aber irgendwie einfach menschlich) ist, während im Hintergrund was peinliches passiert – zum Beispiel das Wegschaffen einer Leiche, die halt einfach keiner hochheben kann (was nicht lustig klingt, aber in der Serie einfach toll anzusehen ist).

Die Story ist tatsächlich extrem simpel und gegen Ende geht ihr auch ein wenig die Luft aus. Das liegt aber auch daran, dass man nach ein paar Folgen bereits weiß, wie die Serie und der Witz funktionieren, was wiederum bedeutet, dass viele der Witze nicht mehr ganz so richtig ziehen, weil man sie einfach schon kommen sieht. Andere widerum sind immer noch toll und cool. Und auch wenn man zB schon relativ bald weiß, worauf es zB mit Riina hinauslaufen wird, so will man es dennoch sehen.

Im Grunde besteht die in Summe rund 4stündige Serie aus einer Reihe von skurrilen Charakteren, seltsam anmutenden und sehr peinlich berührenden Momenten und unpassenden Reaktionen auf schräge Aussagen. Alles in allem – super. Das ist natürlich eine Art von Humor, die man mögen muss, um auch nur annährend die erste Folge auszuhalten (und es kann nicht schaden, wenn man kein Problem mit Sex-Witzen hat), aber offen gesprochen: Es ist grandioser Irrsinn mit im Herzen guten Charakteren die halt alle ihre (teilweise sehr abartigen) Macken haben, aber dennoch: Ich kann nur wiederholen: Riina!

Noch ein Wort zur Synchronisation, die üblicherweise nicht gut wegkommt: Hier kann ich absolute Entwarnung geben. Die ist zum einen großartig übersetzt (soweit ich das beurteilen kann), die Stimmen sind super gewählt und die Sprecher hauen sich alle mächtig ins Zeug.

„Hellfjord“ bekommt 8 von 10 möglichen, am äußersten Ende von Skandinavien abartig agierende, Punkte.

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