Oldies but Goldies: Keoma (Filmkritik)

Keoma (Franco Nero) ist ein Kriegsveteran, der schon alles gesehen hat und der Meinung ist, dass das Leben außer viel Leid nicht viel zu bieten hat. Eine gewisse Todessehnsucht schwingt bei allem was er macht mit. Sein Stamm wurde damals ermordert und er wurde von einer mysteriösen Frau gerettet, die immer dann auftaucht, wenn es irgendwo Tote gibt. Großgezogen wurde er als Adoptivsohn von einem Cowboy mit eigener Farm, der selbst drei Söhne hat – die immer neidisch auf Keoma waren.

In seiner Heimat hat sich seit seiner Abreise viel verändert. Die Stadt wird von einer Bande kontrolliert und die Pocken gehen um. Als eine schwangere Frau von der Bande im Saloon tyrannisiert wird, greift Keoma ein. Und macht sich dadurch mächtige Feinde …

keoma-movie

Im Jahr 1976 wurde der Western „Keoma – Melodie des Todes“ gedreht und seine Entstehung ist etwas ungewöhnlich. Angeblich hat Regisseur Enzo G. Castellari das Drehbuch nicht gemocht, also wurde an Ort und Stelle jeden Abend das Drehbuch für den nächsten Tag geschrieben. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass der Film schlecht ist und nicht funktionieren kann, aber er ist so voller ikonischer Momente und einer absolut großartigen Atmosphäre, dass es kaum zu glauben ist.

Die Geschichte ist relativ simpel, aber gleichzeitig auch halbwegs komplex. Würde ich alle Handlungsstränge aufzählen und alle Verbindungen der Charaktere erklären, dann würde man kaum glauben, dass dies alles in einen Film von nur run 100 Minuten gepasst hat. Aber das tut es.

Franco Nero (der erste echte Django, der auch einen Cameo-Auftritt in Tarantinos „Django Unchained“ hatte – „The D is silent“) spielt Keoma nicht nur, er IST Keoma. Das Halbblut, das mit seinen Brüdern im Clinsch liegt, Jagd auf die Bande macht, welche die Stadt kontrolliert, sich um das Pocken-Problem kümmert – also Medikamente beschafft – und sich noch dazu um die schwangere Unbekannte kümmert, dem Arzt der Stadt seinen Lebenssinn wiedergibt und seinen alten Butler daran erinnert, wer er eigentlich ist, während er Caldwell (Gangsterboss und selbst ernannter Retter der Stadt) die Stirn bietet und so der ganzen Stadt zeigt, dass man nicht alles über sich ergehen lassen muss – es ist alles perfekt eingefangen.

Die mystische Grundstimmung des Films – durch Regen, Gewitter, Schussgefechte in Zeitlupe deren Schüssegeräusche laut und echt durch die Stadt hallen, während die Übermacht rundherum den Bogen enger zieht – ist einfach wirklich gut gelungen, wobei nicht alles erklärt wird, aber genug Andeutungen passieren, dass man sich ein Bild machen kann. Die „Alte Frau“, welche Keoma vor Jahren gerettet hat und immer wieder auftaucht (ist sie der Engel des Todes? Gibt es sie wirklich?) sorgt für Gänsehaut, während die Action absolut großartig aussieht.

Auch die Bildsprache wird von der Kamera super eingefangen. Als Keoma zum Beispiel Bandenmitgliedern erklärt, dass er für jeden eine Kugel hat und die Finger hochhält, während der runterzählt und hinter jedem Finger im Bild eine Person zum Vorschein kommt. Oder das Trainingsschießen mit seinem Vater, dass von der Perspektive der Zielscheibe aus gedreht wurde – einfach visuell großartige Momente.

Passend dazu der Soundtrack, den Guido De Angelis und Maurizio De Angelis geschrieben haben – entweder man hasst ihn oder man liebt ihn. Wer ihn ohne Film hört, wird ihn vermutlich hassen – die Musik wiederholt sich, der Gesang ist oftmals knapp an der Schmerzgrenze und von Betonung haben die Sängerin und der Sänger sicher wenig gehört. ABER und das ist ein großes Aber: Die Musik erzählt die jeweiligen Emotionen der Betroffenen aus deren Sicht.

Wenn zum Beispiel die „mysteriöse alte Frau“ auftaucht und dabei zusieht, wie Keoma in seinen (scheinbaren?) Untergang reitet, dann singt im Hintergrund die Sängerin („Just remember that I saved you once, but I can’t help this time, I don’t want, I don’t to take your life away!“) – Gänsehaut pur. Oder als Keoma mit schweren, traurigem Blick auf seine Brüder dasteht und im Hintergrund Franco Nero singt („There’s my father. There’s my brothers. And me. Tell me now: Why do you hate me so.“) Einfach grandios.

Der Film ist sicher nicht jedermanns Sache: Er ist mystisch, brutal, streckenweise sehr metaphorisch in seinen Bildern und die Musik ist – wie bereits erwähnt – Geschmacksache. Für meinen Teil habe ich den Film bereits unzählige Mal gesehen und er wird einfach nicht langweiliger, weil ich immer wieder neue Details entdecke und – das muss auch gesagt sein – ich noch nie zuvor so einen dreckigen, harten, optimistischen und gleichzeitig pessimistischen Film gesehen habe, der visuell einfach wunderbar gelungen ist und eine Verschmelzung von Soundtrack und Filmgeschehen hinbekommen hat, wie ich seitdem nie wieder erlebt habe.

Der Film sieht auch heute (40 Jahre nach seiner Entstehung!) immer noch super aus! (In diesem Fall ist die deutsche Synchronisation der englischen sogar fast vorzuziehen).

„Keoma – Melodie des Todes“ bekommt von mir 9,5 von 10 möglichen, für mich den Inbegriff eines Western darstellende, Punkte.

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