Marvel´s Daredevil – Staffel 1 (Serienkritik)

Den Helden zu spielen, kann schnell ins Auge gehen. Im Fall vom neun jährigen Matt Murdock ist diese Weisheit sogar ziemlich wörtlich zu nehmen, da er bei einem Autounfall durch seinen Einsatz zwar Leben retten konnte, doch dabei auch sein Augenlicht verlor. Die chemische Substanz in seinen Augen, veränderte sein Leben jedoch im mehr als einer Hinsicht, denn seine übrigen Sinne wurden übermenschlich geschärft.

Der erwachsene Matt (Charlie Cox) ist mittlerweile Anwalt geworden und hat mit seinem langjährigen Freund Foggy Nelson (Elden Henson) in Hell´s Kitchen eine eigene Kanzlei aufgemacht. Was jedoch niemand weiß, ist dass Matt in der Nacht als maskierter Rächer durch die Stadt streift und seine Fähigkeiten dazu nutzt, Verbrecher zu bekämpfen und einzufangen, was ihn fast täglich in lebensgefährliche Situationen bringt.

Daredevil Series

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Dreizehn Jahre ist es mittlerweile her, dass 20th Century Fox uns mit ihrem mittelmäßigen „Daredevil“ Film und dem kurz darauf folgenden, noch schwächeren Spin-Off „Elektra„, beglückt haben. Es gab im Laufe der Jahre einige weitere Ideen für Fortsetzungen, doch keine wurden verwirklicht. Daher sind die Rechte wieder zurück an Marvel gefallen, der blinde Held spielt nun also wie seine großen Kino-Brüder im MCU (Marvel Cinematic Universe). Und das hat er mit beeindruckendem Erfolg auf Netflix gemacht, wobei die 13 Folgen umfassende erste Staffel, dort die Serie mit dem höchsten Rating überhaupt ist. Staffel zwei ist bereits genehmigt und nachdem mit „Jessica Jones„, „Luke Cage“ und „Iron Fist“ weitere Helden schon fix ihre eigenen Shows bekommen werden, wird Daredevil gemeinsam mit ihnen, als Team in der „The Defenders“ Serie mitspielen. Gut so, denn genau so lieben wir Marvel und ihre weitreichenden Pläne.

Der kreative Kopf hinter der Serie ist Drew Goddard, ein langjähriger Freund von Joss „The Avengers“ Whedon und somit bestens vertraut mit der Welt der Marvel-Superhelden. Wie er aber bereits mit seinem Debüt „The Cabin in the Woods“ beweisen konnte, erfüllt Goddard keineswegs einfach nur die Erwartungen des Publikums, nein, er spielt vielmehr mit ihnen, liefert zwar mit seinen Geschichten einerseits eindeutig Freude bereitendes Fanservice ab, vergisst dabei aber nie auf die realistischere Komponente oder präsentiert den Tod einer Figur als nicht endgültig, was ja Comicfreunde schon des öfteren auch anders erlebt haben.

Warum die Serie so gut funktioniert, liegt daher sicher zu großen Teilen an dem von Goddard geschaffenen Vorbau und der spannenden Erzählweise. Matt Murdock ist ja ein getriebener Charakter, der sehr willensstark ist und körperlich unglaublich zäh. Sein Martial-Arts Training plus seine übernatürlich scharfen Sinne (die übrigens nie mit einem Spezialeffekt dargestellt werden sondern auf eine ziemlich natürliche Art und Weise), machen ihn zu einem gefährlichen Gegner für jeden Bösewicht. Er möchte, nein er muss seine Stadt zu einem besseren Ort machen, auch wenn es ihm am Ende das Leben kostet. Was oft genug fast der Fall ist, denn blutüberströmt in einer Seitengasse zu landen, ist bei ihm keine Seltenheit.

Sein großer Gegner ist Wilson Fisk, ebenfalls eine getriebene Person, der durch Geld und den durch tödliche Konsequenz bei möglichem Versagen geschaffenen Status, bis in die höchsten Ämter seine Verbindungen hat. Mord, Menschenhandel, Betrug, alles Teil des Plans hin zu seinem Ziel, seine Stadt zu einem besseren Ort zu machen. Genau von dieser Dynamik, eben dass Gut und Böse (vereinfacht gesehen) das selben Ziel haben, lebt diese erste Staffel. Natürlich muss Matt dabei immer mehr aufpassen, dass er sich in der Radikalität seiner Methoden, nie zu sehr an seinen Feind annähert – zum Beispiel tötet er nie, höchstens in Notwehr – sonst würde es wohl schnell keinen Unterschied mehr geben zwischen den beiden.

Schön war für mich auch die Tatsache, dass auf die amerikanische Unart verzichtet wurde, bei Rückblicken bzw. ständigem Wechsel zwischen Zeitzonen, auf erklärende Inserts zurück zu greifen. Man kann sich nämlich ruhig auch auf die Intelligenz von uns Zuschauern verlassen, dazu wird man hier eben direkt aufgefordert und bekommt dafür diese lohnenden Momente spendiert, in denen man glaubt zu wissen was jetzt kommen wird, nur um dann kurz darauf dank einer Wendung, doch eines Besseren belehrt zu werden. Natürlich bleibt die Serie ihren Wurzeln treu und daher dürfen zahlreiche Actionszenen nicht fehlen und die sind wirklich großartig inszeniert.

Charlie Cox aka Matt Murdock

Es ist zwar klar sichtbar, dass Matt nicht die Kraft eines Captain America hat und auch auch nicht auf Gadgets wie etwa Black Widow zurückgreift, doch seine Bewegungen, Tritte, Sprünge und Schläge, gehören zu den geschmeidigsten, die man aus dem MCU kennt. Zusätzlich sind die Kämpfe um einiges rauer und brutaler und nicht selten sehr ausgewogen. Ob Matt dann gewinnt, wenn er dies denn tut, weil er zäher ist, mehr Erfahrung hat oder doch einfach besser ist, ist dabei oft schwer zu sagen. Dank der beweglichen Kamera und den Verzicht auf zu schnelle und zahlreiche Schnitte, kann man diese Szenen in vollen Zügen geniessen und sie werden in ihrer Gesamtheit nie langweilig.

Dass hier sowohl hinter als auch vor der Kamera alle Beteiligten mit viel Ehrgeiz bei der Sache waren, wird dann auch bei den Schauspielern sichtbar, bei denen jeder einzelne überzeugen kann. Ich muss ja zugeben, dass ich von Charlie Cox seit seinem Auftritt im Jahr 2007 in „Der Sternwanderer„, nie mehr etwas gesehen habe. Umso mehr hat mich sein Spiel hier beeindruckt, denn neben seiner sichtbaren physischen Verwandlungen und seiner Arbeit mit einem „Blindentrainer“, bringt er alle Aspekte von Matt so rüber, als würde er sie leben. Die Bandbreite reicht dabei von brüllender Rächer über spitzbübischer Anwalt bis hin zum einsamen, an sich zweifelnden und leicht depressiven Wolf. Er bleibt dabei immer ambivalent, man mag ihn durchaus nicht immer, was ihn zu einem sehr spannenden Helden macht.

Ihm zur Seite stehen Elden Henson (Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1) als sein langjähriger Freund und Anwaltskollege Foggy Nelson und Deborah Ann Woll (Mother´s Day) als Sekretärin Karen Page, die das erste unschuldige Opfer war, dass Matt und Foggy erfolgreich verteidigt haben. Foggy ist dabei der oberflächliche Witzbold, der aber unter seiner Schutzschicht über einen ausgeprägten Moralkodex verfügt und Karen überspielt gleich mehrere traumatische Erlebnisse ihrer näheren Vergangenheit mit permanenter Arbeit daran, den scheinbar unantastbaren Fisk zu Fall zu bringen. Wie Matt selbst sind beide starke Individuen und wenn die drei gerade ohne Konflikte zusammen arbeiten, dann ist die starke Chemie spürbar und ein Erfolg ihrer Arbeit ist garantiert, egal wie aussichtslos die Ausgangslage auch erscheinen mag.

Als Glücksgriff erweist sich auch Vincent D’Onofrio (Der Richter) als Wilson Fisk genau wie die schlaue Art, wie er in die Story eingebunden wird. Die ersten Folgen über tritt er kaum in Erscheinung, aber sein von Toby Leonard Moore (John Wick) charismatisch gespielter Vertrauter James Wesley, hält ihn als stärkste Macht über den Dingen immer präsent im Vordergrund. Wie er dann als ein in Liebesdingen etwas unsicheres und ein traumatisches Kindheitserlebnis nie richtig verarbeitetes großes Kind eingeführt wird, dass zeitweise mit erschreckend blutigen Wutanfällen auffällt und überlegt und eiskalt kalkulierend alle seine Pläne verfolgt, birgt klar eine sehr eigenständige Faszination.

Insgesamt daher eine ziemlich intensive, erwachsene und vor allem ernst gemeinte Version des blinden Marvel-Heroes, die für Daredevil das machen könnte, was „Batman Begins“ für den dunklen Rächer gemacht hat, nämlich ihn wieder ins Gespräch bringen, nachdem sich keiner mehr für ihn (in filmischer Hinsicht) interessiert hat. Nicht zuletzt dank einigen interessanten Andeutungen und unabgeschlossenen Handlungssträngen freue ich mich daher schon sehr auf Staffel 2. Wenn das gesamte Team weiterhin so engagiert bei der Sache ist, dann kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Daredevil gut zu finden ist wieder cool und genau so soll es auch sein.

„Daredevil – Staffel 1“ bekommt von mir 8,5/10 der blinden Justiz auf mehreren Ebenen unter die Arme greifende Empfehlungspunkte und ist ab dem 27. Oktober nun auch auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

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(Szenenbilder: © Disney Home Entertainment)

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Auf vier Blu-Ray Discs finden sich die 13 Folgen der ersten Staffel im schicken Kartonschuber. Specials sucht man zwar vergeblich, jedoch spricht die Qualität der Serie sowieso für sich. Aus technischer Sicht ist das Bild auch in dunklen Szenen gestochen scharf und der Sound wird in extrem einnehmender Form präsentiert.

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