Pflichtbewusst war Elodie (Millie Bobby Brown) eigentlich schon immer. Deswegen willigt sie auch ein, einen Prinzen aus einem weit entfernten Land zu heiraten, damit ihr Volk, das finanziell am Boden ist, endlich wieder so leben kann, wie es diese Menschen verdient haben. Dort angekommen, freundet sich Elodie mit dem Prinzen an und alles scheint auf eine glückliche Verbindung hinzudeuten.
Zumindest bis Königin Isabelle (Robin Wright) nach der Hochzeit während eines Rituals die Geschichte ihrer Vorfahren erzählt und Elodie kurze Zeit später, in der Höhle eines Drachen landet. Aber so leicht lässt sich die junge Dame nicht unterkriegen, denn „the force is female“…ups, falsches Franchise, naja, ihr wisst was ich meine: sie ist eine starke, unabhängige Dame, die Niemanden braucht um im Leben das zu erreichen, was sie will und aktuell will sie eben einen Drachen überleben…
Gleich mal vorweg: es wird in dieser Kritik fette Spoiler geben, da ich in diesem Fall noch besser erklären kann, was mich gestört hat. Regisseur Juan Carlos Fresnadillo kenne ich durch seine Filme Intruders und 28 Weeks Later, Hauptdarstellerin und Produzentin Millie Bobby Brown kennt man zwar, aber ich habe Stranger Things nie gesehen und auch sonst noch nie einen Film (etwa Godzilla 2) mit ihr gesichtet. Seit März 2024 läuft nun ihr erster gemeinsamer Film auf Netflix.
Was dabei herausgekommen ist, ist in etwa genau das, was der Trailer – der übrigens 95 Prozent der Handlung verrät – verspricht: eine (laut den Machern) subversive Variante einer klassischen Fairy Tale Geschichte. Damit habe ich dann auch gleich mein erstes Problem, denn wenn etwas zur neuen Norm wird, wie kann es dann als subversiv aka umstürzlerisch bezeichnet werden? Eine Girl Boss Prinzessin, die keinen Prinzen an ihrer Seite braucht, um sie zu retten. Ja, das klingt für das Jahr 2024 echt revolutionär.
Aber gut, man sieht ja auch gerne bekannte Dinge, die nicht überraschen müssen und dennoch gefallen. Dafür dürfte die Sache dann aber nicht so seicht sein. Nicht dass Brown so schlecht spielen würde, aber ihre Figur hat die Nase irgendwie immer etwas zu überheblich im „ich bin meine eigene Herrin“ Stil erhoben und außer ihrem verspielt liebevollen Umgang mit ihrer jüngeren Schwester, gibt es keine Aktion von ihr, die sie sympathisch machen würde.
Shohreh Aghdashloo (Renfield) als Stimme des Drachen ist der eigentliche Star, denn ihre Tonfall ist verspielt und sadistisch und gleichzeitig voller Wut und gänzlich ohne Hoffnung, ein einseitiges agierendes, aber spannendes Wesen, dabei jedoch sicherlich keine positive Figur. Was mich zum größten Problem des Filmes bringt. Könnt ihr euch noch erinnern, als Filme eine gewisse Botschaft oder/und Moral hatten und man diese auch auf sein eigenes Leben anwenden konnte?
Nun die drei Babys der Drachendame werden zu Beginn getötet, sie bringt dafür alle Ritter um, nur um den König leben zu lassen, der ihr dafür regelmäßig Opfer bringen muss, um genau zu sein Menschen aus seiner Familie, dafür lässt sie den Clan des Königs an der Macht. Einige Jahrhunderte und unzählbar viele Opfer später, hat unsere Heldin dann die Chance, die Drachenlady zu töten (die zuvor auch den Vater von Elodie getötet hat). Aber tut sie das dann auch?
Dazu muss man wissen, dass die Königsfamilie schon jahrelang den Trick anwendet, Damen mit dem aktuellen Prinzen zu vermählen, dann deren Blut mit einem Schnitt in die jeweilige Hand von Braut und Bräutigam zu vermischen und so den Drachen glauben zu lassen, dass die Damen von königlichem Blut seien (nebenbei eine sehr „clevere“ Idee des Drehbuchs). Der Drache wurde also sozusagen ausgetrickst, genau wie die Heldin, die glaubte in eine royale Familie einzuheiraten.
Hat der Drache nicht dennoch hunderte junge Mädchen getötet plus den Vater der Damsel? Das scheint jedoch egal zu sein, denn der Trick der Königsfamilie ist moralisch offensichtlich schlimmer als Mord. Die verletzte Drachendame sagt zur Elodie sogar, sie solle sie töten, aber statt dies zu tun, gibt es einen „ich habe es satt dass Leute mir sagen, was ich tun soll“ Girl Boss Moment. Es wurde übrigens ausgehend von einer frühen Drehbuchversion, auch ein Roman der Geschichte verfasst. Dabei wird der Prinz verschont, weil er selbst Opfer seiner tyrannischen Mutter ist, im Film geht das aber natürlich nicht, denn weiße, heterosexuelle Männer, gehören vernichtet. Wie die gesamte Königsfamilie, soll deren Volk doch schauen, wie die ohne Führung zu Recht kommen.
Ray Winstone (Black Widow) als Vater ist klar nur wegen dem Gehaltsscheck mit dabei, Angela Bassett (Strange Days) als Stiefmutter sorgt für „Diversität“, hat sonst aber nix zu tun und Robin Wright (Forrest Gump) als böse Königin ist eiskalt, bleibt aber blass und unterfordert. Die Effekte vor allem bei der Drachenlady sind stark, überhaupt ist die Optik ein klarer Pluspunkt des Filmes, kann aber über den faulen Kern nicht hinwegtäuschen.
Wie die Damsel dann immer mehr ihr Hochzeitskleid beim Kampf gegen den Drachen zerkleinert und zerreisst, als sehr subtiler Metapher für das Ablegen der Erwartungshaltungen an arrangierte Hochzeiten, dabei dann logischerweise aber immer mehr Haut zeigt, was moderne Kritiker wiederum problematisch finden, das ist hier wahrlich der einzige Gag, bei dem ich herzhaft lachen musste. Dass im Prinzip das Böse hier gewinnt, das ist dafür wirklich subversiv, ich glaube aber kaum, dass dies die Intention der Macher gewesen ist. Ich bleibe bei The Princess, eine moderne, kämpferische Lady, bei der ich die „eine Frau kann alles was sie erreichen will“ Botschaft, viel glaubwürdiger vermittelt bekommen.
„Damsel“ bekommt von mir 4/10 viel heiße Drachenluft in endlosen Höhlen sinnlos verpuffen lassende Empfehlungspunkte.