Horizon II – Forbidden West (Game-Review)

Dass die Welt nicht gerettet ist, war bereits klar, als Sylens (Lance Reddick) die KI namens „Hades“ mehr oder weniger gekidnappt hat und damit untergetaucht ist. Auch die Tatsache, dass die Welt immer noch im Sterben lag, weil es keine „gute“ KI mehr gab, welche die verschiedenen schiefgelaufenen Wege wieder in die richtige Richtung lenken konnte. Der Weg war also klar.

Aloy (Ashley Burch) muss sich auf die Suche nach der KI „Gaia“ machen, damit diese das Öko-System wieder in Ordnung bringt, denn eine komische rote Plage überzieht das Land und vergiftet die Pflanzen und den Boden. Tatsächlich hat sie auch eine Spur, die sie in die richtige Richtung führt, aber langsam beginnt sie sich zu fragen, ob sie das schaffen kann.

Das liegt allerdings nicht zuletzt daran, dass sie der Meinung ist, niemand könne ihr helfen und sie müsse die Last dieser Verantwortung allein auf ihren Schultern tragen. Allerdings wollen das nicht alle ihre alten Verbündeten und Freunde hören: So unterstützt Varl sie auf ihrem Weg und holt nach und nach alte und neue Verbündete zurück. Denn der Weg, den Aloy einschlagen muss führt sie in ein gänzlich neues Land: Den verbotenen Westen.

Und dort treiben sich nicht nur noch tödlichere Maschinenbiester herum, dort stecken die verschiedenen Stämme in einer Rebellion, die scheinbar nicht ohne Intervention oder zumindest Unterstützung von Sylens zustande gekommen ist.

Und schon bald stellt Aloy fest, dass sie nicht die einzige ist, die nach Gaia sucht. Und jene, die es ihr gleichtun kommen von weit, weit her und haben gänzlich eigene Ziele …

Tatsächlich habe ich nach dem Ende von „Zero Dawn“ gleich am nächsten Tag mit „Forbidden West“ begonnen und das hat bis genau gestern gedauert. Also zum Umfang kann ich nur sagen: Ich habe doppelt so lange gebraucht wie für den Vorgänger. Und ich habe den DLC „Burning Shores“ noch nicht mal von der Ferne angefasst.

Das nur mal dazu. Bevor ich jetzt näher auf die Story eingehe, muss ich anmerken, dass sich beim Nachfolger einiges getan hat, wenn auch nur im Detail: Es gibt mehr Waffen, es gibt mehr Nah-Kampf-Optionen, es gibt mehr Kleidung und es gibt mehr Skill-Trees und mehr Ausrüstung. Und es gibt mehr Maschinenwesen. Wir reden hier von in etwa 40 Stück, wobei einige davon in veschiedenen Varianten daherkommen.

Die Hauptunterschiede belaufen sich also auf drei Dinge: Das Kampfsystem (stark verbessert, funktioniert noch besser als im ersten Teil), das neue Gebiet (sieht noch besser aus als im ersten Teil) und die Story (ist noch … nein, Moment, ist tatsächlich kleiner und weniger mysteriös als im ersten Teil, aber deswegen nicht minder spannend und in ihrer Entfaltung eine klare Fortführung des ersten Teils. Das passt einfach stimmig zusammen).

Das heißt tatsächlich, dass es sich vom Gameplay her bei „Forbidden West“ klar um das bessere Spiel handelt. Sei es der Greifhaken, die Firegleams oder die Metallblumen, all das wurde besser ins Spielgefüge integriert bzw. erst eingeführt und es fühlt sich tatsächlich alles nach einer Verbesserung an. Ehrlich: Wie ich den ersten Teil ohne Energiefallschirm spielen konnte, weiß ich nicht mehr. Ich möchte das Teil nicht mehr missen.

Die Maschinenwesen sind um einiges großartiger als noch im ersten Teil und auch um einiges furchteinflößender. Wer das erste Mal auf einen Slitherfang trifft, wirs kaum glauben, was da jetzt vor ihm herumtanzt. Oder die Rollerbacks. Oder die Clawstrider. Oder. Oder. Oder. Gemeine Biester durch die Bank. Selbst beim fünften Mal auf einen Slitherfang treffen oder auf einen großen Shellsnapper: Die Kämpfe werden nie, niemals unterfordernd, sondern die bleiben immer spannend. Und man bedenke: Ich habe (Teil 1 mitgerechnet) knapp 120 Stunden in diese Welt inkl. Kämpfe investiert.

Und als ich dann später, viel, viel später das erste Mal auf einen Tremortusk gestoßen bin, da dachte ich, gut, ich habe alles gesehen. Und dann kam ein Slaughterspine ums Eck und dann wusste ich, was Kampfmaschine WIRKLICH bedeutet. Für alle, die hier nur Bahnhof verstehen: In der Welt von Horizon wird die Erde (aus guten Gründen, die in Teil 1 erklärt werden) von Maschinen bevölkert, die Tieren nachempfunden sind und die tatsächlich die Funktion haben das Öko-System am Laufen zu halten. Wenn nicht gerade eine wild gewordenen KI damit beginnt, welche zu bauen, die halt auch gerne Jagd auf Menschen machen. Darum gibt es ja die Jäger, welche mit Pfeil und Bogen ebenfalls jagen – nur halt die Maschinen (und ja, Pfeil und Bogen haben eine große Chance, denn man muss die Schwachstellen kenne, die Panzerung entfernen, Energiekerne freilegen, etc)).

Was sich auch im neuen Teil super bewährt (fand ich im ersten Teil schon großartig) ist, dass man Ausrüstung und Kleidung upgraden kann, dafür aber Teile von diversen Maschinen braucht – und man diese als Quest (im Spiel nennen sie es „Job“) anlegen kann. Das heißt: Für ein Upgrade des Feuerpfeil-Bogens brauche ich drei Teile x und drei Teile y. Dann lege ich einen Job dafür an und bekommt auf der Karte klar angezeigt, wo sich die Maschinen mit den notwendigen Teilen üblicherweise aufhalten. Sinnvoll, klar, und erleichtert die Fertigstelung der Upgrades absolut. Wie gesagt, war im ersten Teil schon toll, aber da die Upgrades meinem Empfinden nach im zweiten Teil wichtiger geworden sind, habe ich das viel öfter genutzt.

Die Karte ist größer, die Umgebungen werden besser für Umgebungsrästel genutzt, das Klettern geht jetzt an ganz vielen Stellen und alles fühlt sich nach einer kurzen Eingewöhnung (ich fand die Steuerung am Anfang viel zu sensibel) wirklich reibungslos an. Vor allem die Umgebungsrätsel sind, wenn auch nie per se schwer, eine gute Abwechslung. So kann man dieses Mal Ruinen nach Oranmenten durchsuchen, Türcodes knacken und ähnliches. Aber auch einfach auf einem der Mounts (gibt neue) durch die Gegend ziehen und mal alles in Ruhe erforschen fühlt sich toll an.

Mein einziger Kritikpunkt am Gameplay ist der Nahkampf mit seinen Combos. Die haben mich fast verrückt gemacht (braucht man für eine Questreihe, die allerdings optional ist), weil ich die Pausen zwischen dem Drücken einer Taste schlichtweg nicht kapiert bzw. geschafft habe. Das war schwere Arbeit. Aber ansonsten: Es bleibt selbst nach 120 Stunden noch ein großartiges Gefühl riesige Maschinen in ihre Einzelteile zu zerlegen, die Umgebung, Fallen und seine vorbereiteten Waffen zu nutzen. Das wird, glaube ich, nie langweilig. Weshalb ich gleich heute mit dem DLC anfangen werde.

Auch die „Cauldrons“ (Fabriken in denen Maschinen hergestellt werden) sind wieder mit dabei, genauso wie die Tallnecks (riesige Maschinen, die als Aufklärer dienen), die man überschreiben und so einen Teil der Karte aufdecken kann, sind wieder dabei. Und Guerilla Games hat es auch dieses Mal geschafft, dass sich jeder Cauldron und jeder Tallneck anders anfühlt und anders zu spielen ist. Auch – und das ist neu – weil Aloy jetzt tauchen kann (am Anfang begrenzt, später mit unbegrenzten Luftvorrat) und das wird wirklich oft und super genutzt (und die Unterwasserwelten sehen fantastisch aus. Wartet mal bis ihr Las Vegas seht …).

Gibt es also Kritik? Ja, doch. Die gibt es. Tatsächlich finde ich die Story vom zweiten Teil super durchdacht, spannend und mitreissend. Es gibt aber tatsächlich eine Sache, die fehlt: Das Mysterium. Zu wissen, wo all diese Wesen herkommen, was sie machen und wie das alles zusammehängt nimmt der Welt das Geheimnisvolle. Das ist auch völlig klar und kann bei einem zweiten Teil auch nicht anders sein. Ich empfinde das per se auch nicht als Storyschwäche, denn die Story ist auch in diesem Teil hier stark und super geschrieben, aber es fühlt sich schlichtweg anders an.

Als die „richtige“ Story beginnt, da hatte ich schon einige Stunden im Spiel hinter mir, denn Guerrilla Games lässt sich dankenswerter Weise Zeit, den Weg vom Ende von Teil 1 ins neue Gebiet wirklich ausführlich und angenehm zu zeigen. Man startet (fast) in Meridian, trifft dort die alten Kollegen, lernt, was am Ende von Teil 1 mit Hades passiert ist und bricht dann erst in den Westen auf. Und auch der Weg dorthin ist voller kleiner Geschichten.

Das gilt generell: Es gibt so viele Nebengeschichten in dieser großen Welt und quasi durch die Bank alle sind zumindest interessant und/oder spaßig. Ein paar davon sind sogar grandios. Und die Figuren, die man kennenlernt fühlen sich allesamt wie Charaktere an. Auf ihrem Weg sammelt Aloy Gefährt:innen und – das könnte ein Kritikpunkt sein – diese warten den Großteil des Spiels in der (neuen) Basis, weil sie erst mit dem Umgehen lernen, was Aloy bereits im ersten Teil gelernt hat. Das führt übrigens zu ein paar köstlichen Dialogen über die Rituale „der alten Zivilisation“.

Das hat zumindest bei mir nichts daran geändert, dass mir die Figuren ans Herz gewachsen sind und die Interaktionen mit Aloy sind immer wieder herzerwärmend gewesen. Figuren, denen ich am Anfang skeptisch gegenüber stand (Kotallo), wurden im Laufe der Zeit fast meine Lieblinge. Und das ist auch die Story von „Forbidden West“: Aloys Entwicklung von der einsamen Heldin, hin zu einer Person, die (wenn auch erst nach Abschluss bzw. am Ende der Story) lernt, dass sie das Gewicht der Welt nicht allein auf ihren Schultern tragen muss. Dass ihre Freunde da sind für sie. Dass es okay ist, Hilfe anzunehmen und danach zu fragen. Das lernt Aloy. Denn am Anfang ist sie auf einem „Ich muss die Welt retten und niemand kann mir helfen“-Trip. Das spiegelt sich sehr gut in ein paar Dialogen am Anfang, wo man fast meinen könnte, die gute Frau merkt ihre eigene Arroganz nicht.

Aber dann setzt die eigentliche Story ein (natürlich mit einer neuen Bedrohung) und Aloy bemerkt sehr schnell, dass sie allein absolut keine Chance hat und die Situation eigentlich ausweglos wäre. Zumindest ohne Unterstützung. Was also anfangs mehr ein Mittel zum Zweck ist, wird über den Lauf der Zeit zu einer willkommenen Vorgehensweise und wächst zu der Erkenntnis, dass sie das was sie tut eigentlich für die Menschen um sie herum tut. Was sie am Ende (offen gesprochen nicht so gut inszeniert wie es hätte sein können) auch erkennt.

(Spoiler: Sie könnte die Erde verlassen und wo neu anfangen, den Traum von Elisabet Sobeck erfüllen, was sie ja immer sagt, dass ihre Mission ist. Nur um dann zu erkennen, dass das gar nicht mehr ihr Ziel ist. Tatsächlich will sie einen ausweglosen Kampf aufnehmen, weil ihre Freunde hier sind. Weil dies ihre Welt ist. Weil sie nicht Elisabet Sobeck ist, sondern Aloy. Und hier passiert ein extrem spannender Bruch, den man hoffentlich im bereits bestätigen dritten Teil aufgreift, denn ab hier ist Aloy kein Klon mehr, sondern ab hier trifft sie tatsächlich ihre eigenen Entscheidungen und hat ihre eigenen Ziele. Das empfand ich im Spiel weniger als Höhepunkt als es hätte sein können, aber immerhin ist es drin).

Die Bedrohung (sorry, leichter Spoiler) von den Sternen, fand ich am Anfang extrem unpassend und ich musste symbolisch gesprochen fast ein wenig Gähnen, aber in Summe passt es und je länger ich spielte, desto besser gefielen mir der Plot und die Idee dahinter. Auch wenn natürlich nichts mit dem Mysterium des ersten Teils mithalten kann. Aber was bitteschön könnte denn da mithalten?

Was also bleibt, ist ein großes, wunderschönes Spiel mit sympathischen Figuren, doch unerwarteten Wendungen, kleinen und großen Geschichten innerhalb des äußeren Handlungsbogens und Maschinen, die einfach (man kann es nicht anders sagen) grandios designt sind. Ein Gameplay welches nach ein wenig Eingewöhnung (bis auf den Nahkampf) flüssig und stilsicher daherkommt und eine Welt mit ganz, ganz viel Liebe zum Detail. Egal, ob in den Quests, den Dialogen oder der Gestaltung der Umwelt, dem Design oder ihrer Figuren. Alles in allem in absolut toller Nachfolger, der in nahezu allen Belangen besser ist als sein Vorgänger – von der großen Äußeren Rahmenhandlung abgesehen, wie bereits erwähnt.

Eine Kleinigkeit, die noch erwähnen muss, weil es mich immer wieder fasziniert: Ich lese ja immer wieder auch Kritiken oder Berichte über Spiele, die mir gefallen – meistens nachdem ich sie beendet habe oder zwischendurch, während ich gerade dabei bin. Natürlich vermeide ich Spoiler, klar, alles andere wäre ja schön blöd. Ich bin dennoch immer wieder überrascht, wenn ich dann über Artikel stolpere, mit Titeln wie „10 Dinge, die euch Forbidden West nicht erklärt“ und dann Tipps zum Schnellreisesystem finde und solche Dinge, die meines Erachtens nach das gesamte Spiel über ohnehin die ganze Zeit über fast schon übermäßig oft eingeblendet und erklärt werden. Keine Ahnung, wie sowas sein kann. Viel amüsanter und auch ärgerlicher finde ich es allerdings, wenn man dann – einfach aus Neugier – Artikel liest mit zB dem Titel „Die 10 besten Charaktere in Forbidden West“ und dann liest man das halt, einfach weil man neugierig ist, wie andere das sehen und dann stehen teilweise bei wichtigen Figuren oder ganz wichtigen Handlungssträngen Dinge, die schlichtweg falsch sind. Das ist mir völlig unerklärlich. Und es ist auch nicht so, dass da Pesonen verwechselt wurden oder ähnliches, sondern da werden Hauptstory-Stränge völlig anders beschrieben, als sie tatsächlich im Spiel sind.

Mir ist schon klar, dass das für das Spielerlebnis völlig irrelevant ist, aber mir ist einfach schleierhaft, wie sowas passieren kann. Egal.

Apropos schleierhaft: Es gab ja im Vorfeld diverse Probleme mit „Fans“, weil Aloy jetzt anders aussieht und bla bla bla. Meine Wahrnehmung: Ja, neues Spiel, neues Design, immer noch Aloy und immer noch eine großartige, sympathische und überaus herzliche Figur mit der ich einfach richtig gern Zeit verbringe. Sind ihre Bäckchen breiter als im ersten Teil? Ich habe keine Ahnung und es juckt mich genau gar nicht. Und nur, weil ich es noch nicht erwähnt habe: Die Synchronsprecher:innen (englische Version) machen einen fantastischen Job. Allen voran Ashley Burch. Respekt. Echt. Und die Musik ist auch spitze.

„Horizon II – Forbidden West“ bekommt von mir 9 von 10 möglichen, die Welt von Horizon spannend erweiternde, Punkte.


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