Meander (Filmkritik)

Eine nach einem schrecklichen Verlust einsame und verzweifelte Frau (Gaia Weiss) liegt auf einer Straße, weit entfernt von irgendwelchen Wohnhäusern. Dann fährt ein Auto vorbei, die Frau steht doch auf und weicht aus und der Mann (Peter Franzén) im Auto bietet ihr an, sie mitzunehmen. Sie zögert, steigt schließlich dennoch in sein Auto ein. Doch das war ein Fehler, denn dieser Mann, ist kein netter Mensch.

Die Dame namens Lisa wird ohnmächtig und erwacht neu angekleidet und mit einem leuchtenden Armband versehen in einem kleinen, metallenen Raum. Ihre Schreie hört Niemand. Dann öffnet sich eine Türe und offenbart einen schmalen Schacht. Zögerlich beginnt Lisa hinein zu krabbeln, die Türe schließt sich wieder und auf ihrem Armband beginnt ein Timer, die Zeit hinunter zu zählen…

„Hostile“ aus dem Jahre 2017 war sein Debüt und nun ist Mathieu Turi zurück, wieder in seiner Doppelfunktion als Regisseur und (alleiniger) Drehbuchautor. Dabei handelt es sich um diese Art von Film, bei dem man die meiste Zeit über nur eine einzige Figur begleitet. Trotz Resignation zwischendurch – die man jedoch im Prinzip mit Lisa miterlebt – wird das Schleichen durch die Tunnel niemals langweilig.

Dafür gibt es hier eindeutige Stärken und auch ganz klare Schwächen. Nahezu perfekt und mindestens die Hälfte des allgegenwärtig vorherrschenden Horrors ausstrahlend, ist das Sounddesign. Fast schon wollte ich meine Kopfhörer hervor holen, doch auch ohne ist jede Falle, jeder Schreck-Moment und auch Phasen der Hoffnung, unheimlich intensiv anzuhören. Hinzu kommt das Setup der Tunnel, die auch visuell faszinierend und bedrohlich zugleich sind.

Selbst wenn man diese nicht wie Lisa durchqueren müsste, würde man das aus Neugierde am Liebsten selber tun, wäre da nicht dieses Eindruck der Enge, das Klaustrophobiker in mehr als einer Szene, sicherlich aus der Haut fahren lassen würde. Das Gefühl der Angespanntheit wird dabei zusätzlich durch den Zeitdruck vermittelt, der von dem Timer auf ihrem Armband ausgeht. Dem nicht genug, gibt es auch noch einen Antagonisten und eine helfende Hand (aka einen Kopf), denen man unter normalen Umständen, niemals freiwillig in einem dunklen Tunnel begegnen möchte.

Eindeutig alles gibt Gaia Weiss als Lisa. Kaum zu glauben dass dies die selbe Dame ist, die damals für Legend of Hercules, als erste französische Schauspielerin, für die goldene Himbeere nominiert wurde (aber gut, der Film hat alle Beteiligten hinunter gezogen). Eindrucksvoll wechselt sie hier zwischen verletzlicher Melancholie und wilder Entschlossenheit und den Schrecken und die Schmerzen die sie erleiden muss, die kann man direkt spüren.

Das alles klingt nun nach einem Trip-Erlebnis? Nun genau das soll es wohl auch sein und nur so (und zwar wirklich NUR so), funktioniert es dann auch. Regisseur Turi spart sich nämlich jegliche Erklärung für die Geschehnisse. Wer Ereignisse gerne abstrakt betrachtet, der kann eine gewisse Allegorie auf die Stadien der Trauer hinein interpretieren, aber ich bin mir sicher, diese intendierten(?) Anspielungen, erkennen die meisten Zuschauer nicht und das ist verständlich.

Darum fühlt sich das Finale, nach all dem was Lisa durchlitten hat, irgendwie antiklimatisch an. Fragen wie „Muss ich nur genug leiden um frei zu sein? Muss ich alles aufgeben, damit mein Leid ein Ende hat? Muss mein Körper sterben, damit mein Geist frei ist? Kommt nach dem Schmerz die Wiedergeburt? Das und mehr kann ich mir zwar zusammenreimen, doch irgendwie greift es nicht und ich finde in dieser Form in der der Film präsentiert wird, hat er weitere Überlegungen auch gar nicht verdient.

Weil er klar als intensives einmaliges Erlebnis, dass man rein auf der emotionalen Ebene aufnehmen sollte, eben am Besten funktioniert. Das „nicht Nachdenken“ bezieht sich hier nicht auf die Dummheit des Skripts, wie bei vielen Blockbustern, sondern auf das völlige Weglassen von klärenden Auflösungen. Weniger ist eben nicht immer auch gleich mehr. Dennoch, großartig vom Sound, Bild, dem Setting und dem Schauspiel her und den dadurch vermittelten, klaustrophobischen Schrecken.

„Meander“ bekommt von mir 6/10 den Tücken des eigenen Geistes entfliehende Empfehlungspunkte.


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