Stranger Things – Staffel 3 (Serienkritik)

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1985. Die letzten Sommer waren hart in Hawkins, denn zuerst taucht ein übersinnlich begabtes Mädchen auf, ein paar Jungs tun sich zusammen und retten sie vor bösen Wissenschaftlern (einer davon ist ihr eigener Vater) und dann kommt noch ein Tor in eine andere Dimension, zum „Upside Down“, dazu. Alles ging gimpflich aus. Nur war es noch nicht vorbei, denn der böse Dämon aus dem „Upside Down“ hat einen großen Bruder und der will jetzt so richtig die Welt erobern (oder nur seine Ruhe, immerhin piekst immer wieder jemand ein Loch zwischen die Dimensionen und es ist immer die Menschenseite, die den Nachbarschaftsstreit vom Zaun bricht). Jedenfalls nimmt der Sheriff das übersinnlich begabte Mädchen als Ziehtochter auf und langsam bildet sich eine Familie. Das Böse wird wieder besiegt. Alles in bester Ordnung.

Nur … nachdem das Dimensionstor geschlossen wurde, bleibt ein kleiner Rest des Dämons auf unserer Seite. Und der ist stinksauer, denn die Kids, ihre Teenager-Bekannten und ihre erwachsenen Freunde haben ihm seine Eroberungs-(oder Verteidigungs, je nach Blickwinkel)Pläne versaut. Was macht so ein Dämon dann? Nun, klar: Es übernimmt den Körper eines jungen, sportlichen Mannes und nutzt ihn, um sich nach und nach Menschen zu schnappen und deren Körper und Geist zu übernehmen, um eine Armee aufzubauen. Währenddessen pubertieren die Kids von damals, lernen die Liebe und erste Küsse kennen und streiten klarerweise fast die ganze Zeit.

Umso besser, dass gerade eine neue Shopping City in der Stadt eröffnet wurde. Denn dort spielt sich das wahre Leben ab. Und während sich im Hintergrund ein Monster formt müssen die Kids lernen, dass das Interesse am „anderen“ Geschlecht auch ihre Freundschaften beeinflusst und Sheriff und Ziehtochter auch erst einmal begreifen müssen, was sich da emotionales zwischen ihnen tut.

Wer rettet jetzt bei all diesen wichtigen und vorrangigen Fragen die Welt? Natürlich die Frauen. Aber vor wem überhaupt?

Ich sag es gleich ohne Umschweife: Staffel 3 war für mich eine Enttäuschung. In erster Linie deshalb, weil versucht wird eine hauchdünne Linie beizuhalten und mit den Zeichen der Zeit zu fahren: Humor und Horror. Während der Humor super funktioniert (es handelt sich bei Staffel 3 meiner Ansicht nach in erster Linie um eine Satire, die mehr oder wenig sich selbst die gesamte Zeit über persifliert), so ist dieser jedoch nicht der Grund, weshalb ich mir Stranger Things ansehe. Und unter Horror versteht man im dritten Teil eigentlich in erster Linie: Ekel und Brutalität, anstatt den gewohnten, düsteren Grusel. Diese beiden Dingen passen dann halt meiner Ansicht nach nur in seltenen Fällen zusammen („Stephen Kings ES – Kapitel 1„, im zweiten Teil eh schon nicht mehr so ganz). Meistens geht jedoch irgendwas schief.

Und bei Staffel 3 von „Stranger Things“ ist für mich einiges schief gegangen. Sicher gibt es auch dieses Mal wieder ein paar wirklich coole Szenen, vor allem jene mit Brett Gelman, der Murray Baumann auch wieder in dieser Staffel spielen darf, sind grandios. In Kombination mit dem Neuzugang Alec Utgoff (der den Russen Alexei spielt) sind die beiden in jeder einzelnen Sekunde die „Szenenstehler“. Wirklich super gelungen.

Sherif Hopper wird meinem Empfinden nach auf einen halb amoklaufenden, auf die Burschenfreunde seiner „Tochter“ eifersüchtigen, verliebt-dummen Deppen reduziert. Er hat zwar seine Momente, mit dem – wie ich finde – klaren, geraden Hopper aus der vorigen Staffel hat er jedoch, wie ich finde, nicht mehr sehr viel gemeinsam. Eleven wird als neue Powerfrau etabliert, die ja eh weiß was sie kann und was sie nicht kann und jedweder Hinweis darauf, dass man sich um sie Sorgen macht ist purer Chauvenismus (auch wenn sie eigentlich permanent verliert). Generell werden die „alten“ Charaktere primär als Comedy-Relief missbraucht. Das kann man mögen, muss man aber nicht.

Neuzugang Robin (Maya Hawke) ist eine der wenigen Charaktere die ich super fand, auch wenn sie schon wieder ein wenig zu sehr Powerfrau ist und eigentlich alle Rätsel im Alleingang löst (was ist aus der Teamarbeit geworden?). Überhaupt – unsere Helden aus den ersten beiden Staffeln kriegen nichts mehr auf die Reihe. Vermutlich, weil sie eben nicht mehr zusammenarbeiten. Es kommen neue Figuren dazu, neue Teams bilden sich und da ist es eigentlich immer(!) so, dass die Neuzugänge alles(!) richten. Schade. Das haben die Figuren nicht verdient. Vom Ausbau einer Rolle bei einer der nervigsten (sieht man von „13 Reasons Why“ – Staffel 3s neuer Erzählerin Ani ab – die ist so richtig schlimm) Nebenfiguren seit Erfindung der Nebenfiguren gar nicht erst anzufangen: Erica (Priah Ferguson). Die hält doch kein Mensch aus. Liebe Macher: Wenn ihr schon merkt, dass ihr zu wenig Mädchen/Frauen in den ersten beiden Staffeln hattet, dann packt nicht alle (inklusive aller Klischees, die es dazu gibt) in die nächste Staffel, sondern teilt euch das ein wenig ein.

Um damit komme ich zu meinem Hauptkritikpunkt: Was mir in dieser Staffel das erste Mal bei einer Serie wirklich negativ aufgefallen ist, ist der Fokus auf die „Powerfrau“. Das ist an sich völlig legitim und in Ordnung und ich finde starke Frauenfiguren im Normalfall gut. Was mir allerdings nicht gefallen hat sind manche, wirklich sehr, sehr platte Dialoge zu dem Thema und die Tatsache, dass unsere gefallenen Helden von zwei Ausnahmen abgesehen tatsächlich immer(!) von den Mädels übertrumpft werden. Schon klar – ich weiß jetzt, wie es den Frauen jahrelang ging, wenn sie sich Filme angesehen haben und Männer immer alles gerichtet haben, aber darf ich trotzdem anmerken, dass es mir noch nie zuvor bei einer Serie/einem Film dermaßen aufgefallen ist wie hier? Nichts gegen Powerfrauen. Nichts gegen die Message. Aber müssen tatsächlich unsere liebgewordenen Charaktere deshalb an den Rand gestellt und dumm dargestellt werden? Ich fand Max in der vorigen Staffel zum Beispiel super. Hier fühlte sie sich für meinen Geschmack einfach zu altklug und (ja, ich sag es jetzt) sexistisch an.

Stichwort „dumm“: Das ist auch die erste Staffel, die comichafte Züge annimmt. Von langen Foltermethoden angefangen, die völlig untrainierte Jugendliche (lachend) überleben, über unterirdische russische Basen in die man (Teenager/Kinder!) problemlos einbrechen kann, bis hin zu absolut rein zufälligen Rettungen in aller-allerletzer Sekunde (und trainiertes Wachpersonal, welches eine andere Dimension erforschen soll, aber von zwei Kids mit Waffen Marke „McGyver“ übertrumpft werden). Immer und immer wieder.

Mit einer tragischen Ausnahme, aber das will ich nicht spoilern. Die Tatsache, dass dieser eine Tod eines Charakters (weit vor dem Ende) für mich emotional weit tragischer war, als ein anderer „wichtiger“ (scheinbarer) Tod, zeigt schon, wie wenig mich die neue Ausrichtung und der Umgang mit den Figuren abgeholt hat.

Ich bin enttäuscht auf ganzer Linie. Die Staffel fängt langsam und spannend an und bewegt sich dann in Richtung Slapstick-Comedy. Danke, aber die gibt es zur Genüge. Was ich an „Stranger Things“ super fand waren die Spannung und die Charaktere, die ich tatsächlich durch die Bank mochte. Spannung kommt quasi keine mehr auf, weil man schon weiß, dass von den „wichtigen“ Charakteren eh niemandem was passieren kann. Und die Charaktere, die ich mochte sind nicht mehr wirklich wichtig. Und der Umschwung von „Horror/Grusel“ zu „Splatter“ mag vielen gefallen, mir jedoch nicht. Splatter ist okay, keine Frage, aber warum muss ich den Grusel und die düstere, spannende Stimmung dafür streichen?

Kurz gefasst: Das hier … das interessiert mich eigentlich nicht mehr wirklich.

„Stranger Things – Season 3“ bekommt von mir 5 von 10 möglichen, von der Nostalgie lebende Punkte.


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