Grace: Besessen – The Possession (Filmkritik)

Grace (Alexia Fast) hat es nicht leicht. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und ihre streng religiöse Großmutter Helen (Lin Shaye), hat sie sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzogen. Um auszubrechen aus diesem abgeschotteten Zustand, beschließt sie gegen den Willen der Oma, ein Collage zu besuchen. Dort bekommt sie mit der lebensfrohen Jessica (Alexis Knapp) eine Zimmerkollegin, die sie schnell ins Partyleben einführt, wobei sie auch einen Jungen trifft, an dem sie gefallen findet.

Erwachsen werden, eigene Fehler machen dürfen, sich gegen die Erziehungsberechtigten stellen, Grace scheint somit den Weg eines normalen Teenagers zu gehen. Blöd nur, dass sich ein Dämon in ihr eingenistet hat und er hat ganz eigene Pläne mit ihrem Körper und das Überleben ihrer Seele, scheint somit ausgeschlossen. Während Grace immer mehr die Kontrolle verliert, nicht weiß was passiert und wer ihr helfen könnte, wird der Dämon in ihr immer mächtiger.

Grace The Possession

Filme mit dämonischer Besessenheit bzw. Exorzismus als Thema, haben es ja nicht gerade leicht. Seit William Friedkin im Jahre 1973 mit „Der Exorzist“ den Klassiker schlecht hin geschaffen hat, mussten sich irgendwie alle Genrebeiträge danach mit ähnlich gelagerten Thema, an ihm messen. Dies führte im Laufe der Jahre auch zu dem Versuch, durch Technik dem Material neue Seiten abzugewinnen. So entstand beispielsweise vor drei Jahren der leider schwache „Devil Inside“ im Found Footage Stil. Regisseur und Drehbuchautor Jeff Chan hat sich nun für sein Langfilmdebut, eine neue Art des Filmens für dieses Genre überlegt, nämlich den POV (Point of View) Stil.

Soll heißen, fast der gesamte Film wird aus Sicht des Dämons bzw. durch die Augen von Grace gezeigt. So entsteht schon in den ersten Minuten eine unbehagliche Atmosphäre. Da fliegt etwas lebendiges herum, sucht und beobachtet mit pulsierendem Blick, dringt schließlich vom Hinterkopf aus in das junge Mädchen ein. Und ungemütlich bleibt es auch, es wird sogar noch schlimmer. Denn teilweise hat man hier übergangslos das Gefühl, eben durch die Perspektive, selbst der Betroffene zu sein. Phasenweise fühlte ich mich auch wie in einem interaktiven Computerspiel, nur dass man eben nichts tun kann, was wiederum perfekt zur Hilflosigkeit der Protagonisten passt.

Natürlich gibt es bei dieser Technik auch Grenzen. Das Geschehen spielt sich ja ausschließlich rund um Grace ab, alles was außerhalb ihrer Wahrnehmung geschieht, bleibt verborgen. So passiert es auch, dass man doch an einigen Stellen genau wie das Mädchen zur Ruhe kommt und einem wieder klar bewusst wird, dass man nur einen Film sieht. Ich hab mich dann darauf konzentriert zu beobachten, wie sie das Zwinkern der Augen, die Blickwinkel bei den Spiegeln und sonstige Einstellungen clever gewählt haben. Ja, dabei war ich klar auf einer ganz anderen Gefühlsebene als im Rest des Filmes, doch irgendwie fand ich das auch wieder passend, denn wenn etwas zu schlimm ist um es gleich verarbeiten zu können, dann muss man sich eben ablenken.

Während die erste halbe Stunde den Alltag des Collage-Lebens zeigt, was ja eine gänzlich andere Art von Horror mit sich bringen kann, konzentriert sich die restliche Spielzeit voll auf das Zuhause von Grace, ihre Großmutter und die christliche Gemeinde. Da ein Dämon weder Kirchen, noch Priester oder Weihwasser sonderlich zu schätzen weiß, eskaliert die Lage relativ schnell. Was zu netten Effekten führt und neuen Erfahrungen. Denn das leuchtende Kreuz beim Exorzismus aus der Sicht des Besessenen, hab ich so auch noch nie gesehen. Und Fliegen ist so auch eine nette Sache. Von der Gewalt her hält sich der Film dabei angenehm zurück, neben ein paar Schreckszenen beherrscht hier eindeutig der langsam ansteigende Gruselfaktor das Geschehen.

Alexia Fast („Repeaters„, „Jack Reacher„) macht ihre Sache ausgezeichnet als Hauptfigur, die eigentlich ja nie zu sehen ist (abgesehen von ihrem Spiegelbild), aber ständig präsent ist. Von unschuldig schüchtern, bis gehässig und verführerisch kann sie hier einiges von ihrer Bandbreite zeigen. Dabei hatte ich sowohl Angst um sie, als auch Angst vor ihr. Eine feine Performance muss ich schon sagen. Sie hat übrigens auch selbst die Kamera bedient, was der Illusion der Ich-Sicht, sicherlich sehr zu gute kommt.

Lin Shaye („Insidious„, „The Signal„) als religiöse Fanatikerin darf wieder mal, wie fast immer in ihren letzen Filmen, ihre irre Seite zeigen und ist dabei teilweise so unbarmherzig und furchteinflössend, dass sie mit dem Dämon locker mithalten kann. Alexis Knapp („The Anomaly„, „Pitch Perfect„) ist die erste halbe Stunde als Collage-Schülerin mit dabei und spielt diese „ich trinke Wodka aus meiner Trinkflasche, steh auf Partys, bekomme alle Jungs und will einfach nur Spass haben“ Art perfekt. Klar, dass Grace da fasziniert ist von ihrer Welt. Joel David Moore („Avatar„, „Savages„) spielt als mitfühlender Priester die so gut wie einzige rein gute Rolle, hat aber bald schon Schwierigkeiten, sich den Avancen der dämonischen Grace zu erwehren.

Insgesamt für mich ein erfolgreiches Experiment und mir persönlich viel angenehmer, als der verwackelte und nervige Found Footage Trend. Klar, wäre dieser Film normal gefilmt worden, dann müsste ich ihn noch einmal neu beurteilen, so stark hängt das Erlebnis hier klar von der Machart ab. Es wirkt auch so, als wären allen Beteiligten bewusst gewesen, dass sie hier was ausprobieren, was auch schief hätte gehen können oder einfach keiner sehen will. Dank dem gekonnten Einsatz der Kameras, ein paar guten Ideen und den starken Schauspielern, ist der Film trotz der logischen, bereits oben erwähnten Einschränkungen, sehr gelungen und bleibt spannend bis zum Schluss, den ich übrigens sehr gelungen finde, was ich aber aus Spoiler-Gründen nicht weiter ausführen werde.

„Grace: The Possession“ bekommt von mir 7,5/10 langsam aber sicher dem inneren Dämon die Macht überlassende Empfehlungspunkte.

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