The King’s Man (Filmkritik)

Es ist der erste Weltkrieg. Orlando Oxford (Ralph Fiennes) konnte das Attentat, welches den Krieg ausgelöst hat, nicht verhindern. Und jetzt zieht die Welt in einen Krieg, dessen Ausmaß man noch nie zuvor gesehen hat.

Was allerdings die Welt nicht weiß: Der Krieg ist deshalb ausgebrochen, weil es jemand gibt, der mit König George eine Rechnung offen hat. England muss bluten. Also wurde der Krieg inszeniert, damit am Ende alle gegen England in die Schlacht ziehen.

Aber Orlando Oxford ist den Verschwörer:innen auf der Spur. An seiner Seite steht seine Haushälterin Polly (Gemma Arterton), die mehr kann als sich nur um den Haushalt kümmern und Shola (Djimon Hounsou), Diener des Hauses.

Und all das, während Orlandos Sohn Conrad (Harris Dickinson) selbst in den Krieg ziehen will, um sich wie sein Vater damals seine Tapferkeitsmedaille zu verdienen …

Ich habe bis jetzt immer gesagt, dass es keinen schlechten Film von Matthew Vaughn gibt. Egal ob „Layer Cake“, „Stardust„, „Kick Ass„, den besten X-Men seit langem („X-Men: First Class„) oder eben die Comic-Verfilmung „Kingsman: The Secret Service„, mit einer unvergesslichen Kirchenszene und dem Beweis, dass Colin Firth absolut als Actionheld mit Stil funktioniert. Von einem der spielfreudigsten Auftritte von Samuel L. Jackson mal ganz abgesehen. Der Nachfolger „Kingsman: The Golden Circle“ war schon nicht mehr so gut, aber immer noch ein unterhaltsamer Actionstreifen und wer Elton John hier gesehen hat, der oder die wird ihn wohl ewig mit anderen Augen sehen.

Wie man an dieser Einleitung allerdings unschwer erkennen kann: Ich kann diese Aussage nicht mehr mit der gleichen Euphorie vorbringen wie vor „The King’s Man“, denn auch wenn dieser Film jetzt nicht per se schlecht ist, nun, er ist auch nicht per se gut. Er ist zu viel und zu gleich zu wenig. Hm. Wie erkläre ich das? Ich versuche es mal ein wenig ausführlicher:

„The King’s Man“ ist die Geschichte eines Mannes, der der Gewalt abgeschworen hat, weil er hasste, welch Bestie aus ihm wurde und der die Welt vor weiterer Gewalt schützen will. Durch das Sammeln und Nutzen von Informationen. Ein Geheimdienst sozusagen. Es ist auch die Geschichte eines Sohnes, der seinem Vater nacheifern will und als Kriegsheld heimkehren möchte. Dann ist es noch die Geschichte einer Verschwörung, welche einen Weltkrieg anzettelt. Dann ist es noch die Geschichte von der Gründung der „Kingsman“. Außerdem ist es noch die Geschichte von drei Cousins, die es alle drei sehr weit gebracht haben (König George, Kaiser Wilhelm, Tsar Nicholas, alle drei gespielt von Tom Hollander) und sich jetzt im Krieg befinden. Außerdem ist es noch irgendwie auch die Geschichte von Rache der Schotten an der Unterdrückung durch die Engländer. Und dann ist es noch die Geschichte eines Mannes, der seinen Schwur nie wieder zu töten brechen muss, um seine Form von Gerechtigkeit durchzusetzen. Und es ist auch noch eine Geschichte, in welcher ein Magier einen Ballet-Schwerttanz gegen drei andere Männer aufführt (und wenn er nicht so unglaublich ungustiös wäre, dann würde man ihm wünschen, er möge gewinnen, weil es einfach so … so stilisch aussieht). Und irgendwie passt es auch noch rein, dass Ziegenböcke (ja, ihr lest richtig) eine verdammt große Rolle spielen.

Tja. Das ist einfach zu viel. Weil nichts davon so richtig zusammenpasst. Die eine Geschichte ist eine tragische Erste-Weltkriegs-Geschichte, die auf sich allein gestellt ein Film hätte sein können. Ein ernster Film, der wirklich berührt hätte. Auch mit Ideen von kleinen Schlachten, die ich so noch nie in einem Film gesehen habe und die wirklich spannend waren. Aber im Kontext mit dem übertriebenen Kingsman-Franchise ist das alles dann einfach zu ernst, zu wirklich, zu echt, um richtig Spaß zu machen. Und gleichzeitig ist es zu abartig schräg und cool choreographiert, damit man es als „ernsten Film“ wahrnehmen kann. Auch die Geschichte von Orlando, der später zum Racheengel wird, ist trotz mancher Länge einfach zu überhastet, weil einfach so viel Fokus auf andere Figuren gelegt wird. Ralph Fiennes bemüht sich, aber es funktioniert (für mich zumindest) nicht. Was Colin Firth perfekt rübergebracht hat schafft Fiennes nicht. Sorry, aber nein, es funkt nicht bzw. sprang der Funke nie auf mich über. Während Firth Überlegenheit, Achtung, Respekt und Coolness ausgestrahlt hat, wirkt Fiennes einfach immer nur bemüht.

Dann verliert sich der Film zu sehr in seiner Verschwörungstheorie und zu vielen Bösewichten, von denen die interessanteren entweder relativ rasch abserviert werden oder von denen man (Mata Hari, gespielt von Valerie Pachner) viel zu wenig sieht. Auch Daniel Brühl kommt vor, wird aber völlig verschenkt. Und am Ende gibt es einen Gastauftritt von August Diehl, der einen potentiellen Nachfolger vorbereitet (den ich mir nicht mehr ansehen würde).

Ich bin beeindruckt wie Vaughn und sein Mithelfer beim Drehbuch Karl Gajdusek es geschafft haben wirkliche Ereignisse zu nehmen und eine Verschwörungsgeschichte darum zu stricken, die tatsächlich zu den aktuellen Ereignissen passt. Echt. Hut ab. Ziemlich genial gemacht. Mehr zu verraten wäre zu spoilern.

Aber in Summe ist der Film einfach ein wildes Flickwerk mit ein paar ansehlichen Actionszenen, die allerdings nicht mit dem ersten Teil mithalten können und überhaupt ist der Film so ernst und so sehr in der Realität verhaftet, dass er – und das ist für einen Kingsman-Film in meinen Augen das Schlimmste – fast keinen Spaß macht. Was war am ersten Teil so toll? Der blanke Irrsinn, die coole Action und die absolut großartigen Charaktere. Am zweiten Teil? Die übertriebenen Charaktere, die Action und ja, sagen wir es offen: Elton John mit Karate-Kick. Was hat der dritte Teil (die Vorgeschichte): Tragische Figuren, die allesamt am echten Leben leiden. Einen genialen Bösewicht, der nach einem Drittel des Films weg ist, aber alle anderen wie Abziehbilder aussehen lässt. Mit diesen blassen Geistern (diese Beschreibung gilt auch für die Guten) verbringen wir den restlichen, ernsten, tragischen Film.

Bis das Drehbuch beschließt, dass es jetzt gut ist mit Ernst und traurig und wir wieder in Kingsman-Gefilden landen. Erfindung des Fallschirms und anderen Dingen inklusive. Bis zur Enthüllung des wahren Bösewichts, den man die ersten zwei Stunden immer nur von hinten im Dunkel sieht. Als dann Orlando sagt „It was you!“, da war mein erster Gedanke, ob ich den Typ denn kennen sollte. Ich war noch nie froh darüber, dass in einem Film Rückblenden eingebaut werden, die mir erklären sollen, was ich gerade sehe, aber hier war ich dankbar, weil ich keine Ahnung mehr hatte, warum Orlando den Typen kannte, geschweige denn, dass der vorher schon mal vorgekommen ist.

Alles in allem also eine klare Enttäuschung. Ja, es gibt ein paar „Kingsman“-Momente, aber der Film als Ganzes ist einfach zu unfokussiert als das er mich wirklich mitreißen konnte. Und wer einen Bösewicht wie Rasputin dermaßen ungenutzt lässt ist eigentlich völlig selbst schuld. Das ist ein wenig wie bei „Django Unchained“: Nachdem der Charakter von Christoph Waltz nicht mehr dabei ist, hat mich der Film nicht mehr interessiert. Hier ist es ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm.

Schade. Ich denke, es wäre Zeit für Mr. Vaughn mal eine ganz lange Pause von diesem Franchise zu machen. Vielleicht meldet er sich dann ja wieder mit einem würdigen Eintrag zurück. Dieser hier ist absolut zu vernachlässigen. Was wirklich schade ist.

„The King’s Man“ bekommt von mir 5,5 von 10 Punkten. In der Zeit in der Rasputin (grandios gespielt von Rhys Ifans) vorkommt darf man gern zwei Punkte draufschlagen.


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