28 Years Later (Filmkritik)

Es ist 28 Jahre her, dass die Seuche ausbrach und fast alle Menschen in rasende Bestien verwandelt hat, die übereinander hergefallen sind. England … war tot. Zumindest hatte es so den Anschein. Das Leben findet immer einen Weg und auch hier sind Menschen Menschen geblieben. Es ist eine Insel, die das „Glück“ hat, dass nur bei Ebbe ein Weg zu ihr führt und dieser kann gut verteidigt werden. Das Leben dort ist zwar wieder in mittelalterlichere Gefilde gerutscht, aber immer noch relativ modern.

Der Tatsache, dass es das draußen Mutierte gibt und zwar mittlerweile in vielen Varianten – inklusive so genannter Alphas, die stärker, mächtiger und böser sind als normale Bestien und diese sogar befehligen können – wird insofern Rechnung getragen, als das alle Jugendlichen in einem gewissen Alter ein Ritual durchführen müssen: Sie müssen mit ihrem Vater aufs Festland und dort eine Weile überleben, damit sie zum Mann werden.

Spike (Alfie Williams) ist so ein Junge. Und sein Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) macht sich mit ihm auf die Reise. Dabei lassen sie Spikes Mutter Isla (Jodie Comer) zurück. Die übrigens schwer krank ist, mit Aussetzern und Aggressionsanfällen zu kämpfen hat und von der niemand weiß, wie man ihr helfen kann.

Aber auf seinem „Ausflug“ entdeckt Spike ein Feuer in der Ferne und sein Vater erklärt ihm, dass das der verrückte Dokter Nelson (Ralph Fiennes) ist, der dort hausiert. Als Spike das Wort „Doktor“ hört kann er nicht umhin daran zu denken, dass dieser vielleicht seiner Mutter helfen könnte …

Lange ist es her, dass ich „28 Days Later“ im Kino gesehen habe. Das gleiche gilt für „28 Weeks Later“ und ich hätte nicht gedacht, dass Danny Boyle und Alex Garland sich sogar nochmals zusammentun, um einen weiteren Teil der Reihe zu drehen. Wie ich – nach der Ansicht des Films, wie ich anmerken muss – erfahren habe, wird es sogar eine Trilogie und der zweite Teil „The Bone Temple“ wird nächstes Jahr in die Kinos kommen.

War meine Erwartungshaltung groß? Offen gestanden: Nein. Danny Boyle kann zwar quasi nicht viel falsch machen in meiner Welt (immerhin hat er uns „Trainspotting“, „Slumdog Millonaire„, „Sunshine„, „Shallow Grave“ oder „The Beach“ gebracht – neben dem erwähnten „28 Days Later„), aber bei Alex Garland bin ich mittlerweile vorsichtig, denn der Mann kann zwar spannende Drehbücher schreiben, aber meistens enden die Filme in einer – für mich – nicht sehr zufriedenstellenden Art und Weise (siehe „Men“ oder „Annihilation„). Aber dazu ein anderes Mal mehr.

Bei „28 Years Later“ hatte ich quasi null Erwartung. Der Trailer war schräg, machte mir aber irgendwie nicht so richtig Lust auf den Film. Irgendwann wurde die Neugier aber zu groß – also habe ich ihn mir angesehen und … nun, ich bin mir uneins mit mir selbst. Der Film auf sich allein gestellt wird (und hat auch, soweit ich weiß) viele ärgern, weil er mit Sicherheit nicht das ist, was viele von ihm wollten. Das haben aber Garland als auch Boyle bereits vor dem ersten Screening gesagt: „Der Film wird mit Sicherheit nicht das sein, was ihr euch erwartet.“

Und damit haben sie völlig Recht.

Ich versuche es mal anders herum: Welche Zombie-Geschichte (oder wie immer ihr die Monster im Film nennen wollt) wurde noch nicht erzählt? Eben. Ich glaube nicht, dass es noch viel gibt, was man zu diesen Kreaturen oder im Kontext mit diesen Kreaturen sagen kann. Also ging Garland mit seinem Drehbuch einen Schritt zurück, quasi fast zum Ursprung. Damit meine ich: Er erzählt keine Geschichte über Monster oder Infizierte oder Zombies. Er erzählt eine völlig andere Geschichte. Eine Coming-Of-Age-Geschichte. Und eine darüber, wie die Zivilsation sich möglicherweise entwickelt hätte.

Wer sich jetzt denkt: „Was is’n das für ein Blödsinn?“, der oder die weiß, warum der Film die Gemüter spaltet. Denn das ist tatsächlich die Story des Films. Spike muss erwachsen werden und das bedeutet in seinem Fall, den Tod akzeptieren lernen und auch zur Kenntnis nehmen, dass Erwachwachsene ebenfalls Fehler machen. Das klingt jetzt alles sehr kryptisch, aber ist schwer viel über die Story zu verraten, ohne gleich in Spoiler-Gebiet zu kommen.

Ohne zu viel zu verraten: Ralph Fiennes ist nicht der Bösewicht im Film. Er ist sogar eine helfende Hand, wenn auch richtig schräg. Eine Figur wie diese bzw. mit diesen Gedanken habe ich so noch nie in einem Film gesehen. Er baut einen Tempel aus Knochen. Weil er der Meinung ist, dass dies der einzige Weg ist der Nachwelt von dem zu erzählen, was hier geschehen ist und die Opfer der „Seuche“ zu ehren. Unheimlich und schräg: Ja. Aber wenn ihr den Film seht, dann werdet ihr merken, was für ein gutes Herz eigentlich in dem Mann steckt.

Eine zweite Ebene ist die Entwicklung der Welt – was passierte in all den Jahren? Nun, die Gesellschaft hat sich verändert. Da gibt es die Insel – die ist wie man sich das vorstellt und auch aus anderen Serien kennt. Und dann gibt es das Festland. Da haben sich die Infizierten verändert. Es gibt welche, die aus Fleischmangel Würmer essen (aber auch Menschenfleisch fressen würden). Und die Alphas, die eben zu Stärke und Größe mutiert sind. Und die „normalen“ Infizierten, die auf die Alphas hören – weil Nahrungskette und Recht des Stärkeren und so. Und dann gibt es da draußen auch irgendwo andere Mensche, wie Spike feststellt. Und Spike fragt sich, wie diese wohl leben.

Die Antwort kommt – zum Teil – ganz am Ende des Films, welches für viele völlig unerwartet und der Seite her quasi unangekündigt ins Drehbuch geflattert gekommen ist. Ich spoilere jetzt, weil ich sonst nichts erklären kann: Eine Gruppe von jungen Erwachsenen springen über eine Barrikade und killen Infizierte mit Power-Ranger-Moves. Sie haben auch Trainingsanzüge an und (ich hoffe, meine Erinnerung täuscht mich da jetzt nicht) Goldkettchen um. Völlig. Irre.

Aber das kommt nicht aus dem Nichts – Am Anfang des Films sehen wir einen jungen Mann, der gerade noch mit dem Leben davonkommt. Der Junge ist aufgewachsen mit Teletubbies und – korrekt – Power Rangers. Und einer der großen Helden in dieser Zeit war Jimmy Savile. Der hat x Kindersendungen erfunden und so weiter und so fort. Bis man nach seinem Tod bemerkt hat, dass er ein Kinderschänder war. Ein Riesenskandal und ehrlich gesagt eine ziemliche Horrorstory, nur leider nicht erfunden. Nutzt Google oder guckt die Doku auf Netflix an. Irre. Jedenfalls ist das Ende kein Ende und die Implikationen – was ist mit dieser Gesellschaft passiert – machen Lust auf den nächsten Film.

Mit einem Dämpfer: Nia DaCosta wird Regie führen (bzw. hat sie das bereits) und die gute Frau hat bei mir mit dem Remake von „Candyman“ keinen Stein im Brett. Aber schauen wir mal.

Was „28 Years Later“ betrifft: Ja, doch. Mir hat er mit all seinen schrägen Entscheidungen im Drehbuch und in der Machart (gefilmt auf iPhones und mit Action-Kameras) gut gefallen. Ein schräger, irrer Film, der seine Story halt noch nicht fertig erzählt hat, aber da kommt ja noch was. Schauspielerisch sind alle ausnahmslos top. Da gibt es keine Kritik von meiner Seite.

Kleiner Rüffel für das Drehbuch: Es gibt schon die eine oder andere Szene, die man wirklich, wirklich hätte kürzen oder ändern können. Aber wer weiß, vielleicht ist sie ja wichtig für den nächsten Teil.

„28 Years Later“ bekommt von mir 7,5 von 10 möglichen, neugierig auf die Fortsetzung machende und tatsächlich völlig anders seiend als erwartete, Punkte.


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