Urge: Rausch ohne Limit (Filmkritik)

Ein Wochenende, dass sie nie vergessen werden. Sieben Freunde – unter ihnen Jason (Justin Chatwin), Joey (Alexis Knapp) und Theresa (Ashley Greene) – fahren auf eine abgelegene Insel, die nur mit der Fähre erreichbar ist. Party machen, Alkohol trinken, Spass haben lautet ihre Devise. In einem schrägen Nachtclub trifft einer von ihnen den exaltierten Chef (Pierce Brosnan) dieses Etablissements, der ihnen eine neuartige Droge anbietet. Einzige Regel dabei: man darf sie nur ein einziges Mal verwenden.

Die Freunde erleben die Nacht ihres Lebens, nur Jason scheint von der Wirkung der Droge nicht beeinflusst zu werden. Am nächsten Morgen ist dem Großteil der Truppe somit klar: die Regel hier nur einmal zuzugreifen, muss gebrochen werden. Was dann passiert macht dieses vorher noch so perfekte Wochenende, zu einer Nacht des Schreckens, wobei jeder zur Gefahr für sich und die Menschen wird, die ihm nahe stehen.

urge

Regisseur Aaron Kaufman war bis jetzt vor allem als Produzent tätig – unter anderem bei Filmen wie Powder Blue, Machete Kills oder Sin City 2 – eine Funktion die er neben der des Drehbuchautors, auch bei seinem Regiedebüt Urge eingenommen hat. Urge heißt auf deutsch ja Drang und wird im Film von der Bedeutung auch so benutzt, wie wir mit unseren Drängen im Alltag umgehen: wir kontrollieren sie mit unserem Gehirn und geben ihnen (den legalen) nur nach, wenn die Rahmenbedingungen passen und nur Leute anwesend sind, die uns dabei auch sehen dürfen.

Soweit zum „normalen“ Menschen. Daraus ergeben sich dank der Filmhandlung nun zwei spannende Fragen: Was wenn man seine Dränge/Triebe zu hundert Prozent fühlt und diese auch auslebt? Und zweitens: Was ist mit den Menschen, die dies sowieso so gut wie immer tun? Die Antwort auf Frage eins ist immer die gleiche und trotzdem ist es jedes mal wieder spannend sie zu hören, weil wir Menschen ja gar so überheblich sind und uns gerne gut vorkommen. Richtig, es geht ganz plakativ gesprochen um die Bestie Mensch.

Einmal die Droge nehmen bedeutet öffentlich Sex haben, ausgelassen feiern, eine Fress-Orgie haben. Doch je mehr man davon nimmt, desto verstecktere, dunklere Triebe kommen zum Vorschein. Was in letzter Instanz dazu führt, dass Menschen andere aktiv umbringen, ihren Tod nebenbei in Kauf nehmen oder sich selbst in endgültiger Form bestrafen. Eine Beziehung die auf dem Grundstock „wer hat die Macht“ basiert gerät da genauso leicht außer Kontrolle wie sich ständig in der Position des Außenseiters sehende Mitglieder im Freundeskreis oder die sich regelmäßig mit Ansprüchen an den perfekten Körper konfrontierenden Sportlertypen.

Am Ende sticht man dann der reichen Tussi im Schönheitssalon die Botox-Spritze ins Gesicht und schießt dem Polizisten ins Gesicht, einfach weil man den Drang danach verspürt hat. Wie die Verführung in der Bar inszeniert ist, da ist die Verlockung allgegenwärtig spürbar. So unterhaltsam ich auch finde wie Brosnan seinen Drahtzieher dahinter spielt, ohne seine Figur (es gibt Andeutungen wer er ist, was ich aber lächerlich finde oder einfach nicht verstanden habe) wäre das Geschehen noch viel willkürlicher und deswegen erschreckender für mich gewesen.

Die Antwort auf Frage zwei ist ebenso klar aber dennoch befriedigend für den Betrachter. Jason, der im Film ja der lockere, Trieb-gesteuerte Typ ist, bekommt durch das ausgelassene Verhalten seiner Freunde einen Spiegel vorgesetzt. Plötzlich spürt er wie nervig es sein kann, wenn es jemand einfach nicht schafft, sich an die Regeln zu halten bzw. ständig unangepasst seinen Weg geht, ohne zuerst auf seine Mitmenschen zu achten. Schnell wird so aus dem Außenseiter zumindest im Vergleich, der normalste Typ im Raum.

Die Darsteller füllen ihre Rollen gekonnt mit Leben, wobei ich einige besonders gut fand. Justin Chatwin (Dragonball Evolution) als Jason spielt diesen Wandel vom unkontrollierten Typen in der Gruppe hin zum ziemlich ernst wirkenden sehr nachvollziehbar und hat dabei mehrmals einen ziemlich irritierten Blick, nicht zuletzt weil er sich ja nicht wirklich ändert, sondern eben alle übrigen Freunde. Ashley Greene (Weg mit der Ex, Kristy) schafft es doch tatsächlich die ganze Zeit über überheblich und kompliziert zu wirken und zusätzlich hasst sie noch die Freunde ihres Freundes. Am Ende tat sie mir dann dennoch leid.

„I just fucked a cake!“. Ja, das habe ich nun wirklich noch nie von einer Dame gehört und die Szene davor, passt auch noch zu ihren Worten. Alexis Knapp (Grace, The Anomaly) als Joey steht richtig auf süße Sachen und hasst dumme Tussis. Sie ist einfach sympathisch und trotz der Auswirkungen der Droge, schreckt sie sich vor sich selbst, anstatt dass sie diese Seiten an sich zelebriert. Pierce Brosnan führt seinen Trend nur Rollen anzunehmen bei dem man ihm die Freude ansieht fort – siehe No Escape oder Survivor – und ist als The Man charismatisch, eloquent, furchteinflössend und irgendwie scheint der Kerl einfach alles zu wissen.

Insgesamt daher ein Thriller, der innerhalb seiner Abwärts-Spirale eine Sogwirkung entfaltet, der man sich nur schwer entziehen kann. Leider ist für mich die Ebene mit Brosnan, wer er sein soll und was er will unnötig und schwächt das Finale etwas, auch die Szene nach dem Abspann hätte ich nicht gebraucht. Was ich aber gelernt habe, ist dass man sich bewusstere Gedanken über die eigenen Dränge machen sollte und diese (wenn es passt) auch nicht ständig unterdrückt, sonst wird es früher oder später zu mehr oder weniger starken Gefühlsausbrüchen kommen und das ganz ohne Droge.

„Urge“ bekommt von mir 7/10 sämtlichen Drängen mehr oder weniger bewusst nachgebende Empfehlungspunkte.

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