No One Lives (Filmkritik)

Für eine rücksichtslose Diebesbande mit klar ausgeprägtem Killerinstinkt ist es ja wirklich naheliegend, das wohlhabend wirkende Pärchen, dass wegen dem Anhänger am Auto offensichtlich gerade am Übersiedeln ist, von der Strasse abzudrängen und anschließend zu kidnappen. Ein bisschen den Fahrer (Luke Evans) foltern, seine Frau bedrohen und schon wird er sämtliche Bank-Codes und Geheimnummern ausspucken.

Blöd ist dabei nur, dass der Fahrer selbst keineswegs eine hilflose Person ist und so wird nach kurzer Zeit klar, dass hier eindeutig das falsche Auto überfallen wurde. Und was hat eigentlich das Mädchen (Adelaide Clemens) im Kofferraum mit der ganzen Sache zu tun und warum werden die ach so harten Mitglieder der Gangster plötzlich einer nach dem anderen, auf blutige Art und Weise aus dem Verkehr gezogen?

No-One-Lives

Ryûhei Kitamura ist zurück. Nach Filmen wie „Versus“, „Azumi“ oder „Godzilla: Final Wars“, die allesamt seinen abgefahrenen und leicht verrückten Stil widerspiegeln konnten und klar Kultpotential besitzen, ist dies nach „Midnight Meat Train“ sein erst zweiter Film im amerikanischen Sprachraum. Nach diversen Festivals ist sein vom WWE Studio (The Call) produziertes neuestes Werk, nun endlich auch bei uns erhältlich.

Gleich mal vorweg muss ich ein paar Worte über das hier offensichtlich falsch angelegte Marketing loswerden. Ein Twist, auch wenn er keiner am Ende ist, bleibt trotzdem unvorhersehbar und somit das was er sein soll, wenn ihn nicht alle kennen. Logisch, oder? Wenn aber sämtliche Trailer und auch die meisten Filmbilder und Poster eindeutig spoilern, dass das männliche Opfer der Bösewichte der eigentliche Killer ist, dann fällt diese Überraschung völlig weg. So natürlich auch mein Anspruch, diese Tatsache in irgendeiner Form zu verheimlichen. Seht euch den Trailer unten an und ihr wisst was ich meine.

Nun aber zum Film an sich und über den hab ich nur Positives zu berichten. Nach einer kurzen Spannungsszene am Anfang nimmt sich die Handlung Zeit, kurz die Gangster vorzustellen, aber vor allem kann man die Beziehung des späteren Enführungspärchens beobachten. Ein Blick da, eine Geste dort, hier glaubt man klar zu wissen warum die beiden übersiedeln mussten (eine Affäre), doch im weiteren Handlungsverlauf sieht man die gesamten Gespräche, in einem ganz anderen Licht.

Wenn dann der Überfall und somit die Action losgeht, dann bleibt keine Verschnaufpause mehr und auch reine Füllszenen sucht man vergeblich. Dabei empfiehlt sich Luke Evans (Krieg der Götter, Die drei Musketiere) klar als Leading Man zukünftiger Projekte (bald ist er als Dracula und als Protagonist im „The Crow“ Remake zu sehen). Schon bei „Fast and Furios 6“ konnte man sein eiskaltes Coolness-Potential durchaus erkennen, aber was er hier abliefert, ist noch klar eine Stufe drüber.

Sarkastisch, smart, brutal, manipulativ, mit starker emotionaler Bindung zu ausgewählten weiblichen Opfern und eigentlich so gut wie allen anderen Kontrahenten völlig überlegen, beseitigt er einen Gegner nach dem anderen. Dabei kommen sowohl ausgefallenere Werkzeuge wie Handschellen und Hexler, als auch Klassiker wie Pfeile, Messer und eine Pumpgun zum Einsatz. Wie man es von Kitamura gewohnt ist, wird hier weder mit Blut noch mit anderen Körperinnereien gespart.

Neben dem überragenden Evans, punkten vor allem die Damen. Adelaide Clemens (Silent Hill: Revelation) als resolutes Opfer, erzeugt mit ihren Blicken und Sprüchen, eine ganz eigene Faszination für ihre Person. Hat sie nur Angst, denkt sie ausschliesslich ans eigene Überleben, oder ist sie selbst zu einer Täterin geworden? America Olivio (Bitch Slap) darf sich nicht nur wieder mal nackt präsentieren, sondern mimt die harte Gangsterbraut mit dem großen Mundwerk auch ziemlich überzeugend. Für Genrefreunde gibt es bei den bösen Jungs dann auch noch bekannte Gesichter im Form von Derek Magyar (Train) als Großmaul und Lee Tergesen (The Collection) als harten Anführer zu bewundern.

Insgesamt ist dies ein ganz klarer Fall von „guilty pleasure“. Schnell, laut, herrlich unsubtil und uneingeschränkt übercool ergibt dieser Mix endlich wieder mal einen Film, bei dem man sowohl auf der Seite der Guten als auch der Bösen Personen hat, denen man am Ende wünscht, sie werden als Gewinner aus der Sache hervorgehen. Der Schluss ist dann aus meiner Sicht sehr gelungen und irgendwie muss man auch über sich selber grinsen, wohin manche Filme es schaffen, die Sympathien des Zuschauers hinzulenken.

„No One Lives“ bekommt von mir 8/10 den Killer für seine Coolness bei der Arbeit bewundernde Empfehlungspunkte.


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