Zack Snyder’s Justice League (Filmkritik)

Superman (Henry Cavill) ist tot. Die Welt dreht sich weiter. Die Zeit der Helden scheint vorbei zu sein. Durch den Tod von Superman erwachen drei so genannte „Mother Boxes“ zum Leben und senden ein Signal ins Universum, welches einen interstellaren Bösewicht namens Steppenwolf (Ciarán Hinds) auf den Plan ruft. Dieser will in der Gnade seines Herren Darkseid (Ray Porter) wieder aufsteigen und hofft, durch die Eroberung dieser Boxen wieder nach Hause zu dürfen. Und natürlich fragt er nicht höflich danach, sondern er kommt definitiv nicht in Frieden.

Die „Mother Boxes“ wurden vor ewigen Zeiten versteckt und zwischen drei Völkern aufgeteilt: Die Amazonen bewachen eine. Die Atlanteaner bewachen eine. Und eine landet bei Silas Stone (Joe Morton), der hofft, seinen Sohn Victor (Ray Fisher) dadurch retten zu können.

Bruce Wayne auch bekannt als Batman (Ben Affleck) indes hadert nach wie vor mit seiner Rolle, die er beim Tod von Superman gespielt hat. Nach einer Vision versucht ein Team zusammenzustellen. Ein Team von Meta-Menschen, welche die Kraft haben sollen, um die Invasion zu stoppen. Doch alles geht schief und eine Erkenntnis keimt auf: Superman muss zurückkehren, denn er allein kann Steppenwolf aufhalten …

Erneute Warnung: Diese Kritik könnte wieder ein bisschen länger werden. Ist ja auch ein 242-Minuten-Fil.

Die größte Überraschung an „Zack Snyder’s Justice League“ ist, dass es diesen Film überhaupt gibt. Wer allerdings wirklich glaubt, dass dieser Film hier die Version ist, die anstatt der 2017er Version von Whedon ins Kino gekommen wäre, der oder die glaubt auch immer noch an den Weihnachtsmann. Der Film dauert knappe vier Stunden und ist in mehrere einzelne Teile geteilt. Und Warner Brothers hätten diesen Film niemals, nie und nimmer in dieser Form irgendwo veröffentlicht. Ich denke mit Schaudern an die Kinoversion von „Batman v Superman: Dawn Of Justice„, dessen Kinoversion ja auch – sind wir mal ehrlich – nicht so der Hammer war. Das bedeutet für mich, dass ein Vergleich der Version von 2017 mit dieser hier alles andere als fair ist. Man mag von Whedon als Filmemacher halten was man will, aber wir reden hier immer noch von dem Mann, der „Firefly“ erfunden und gemacht hat und immer noch von dem Mann, dem wir „The Avengers“ verdanken. Und die 2017er Version war ein Studioauftrag, den er mit klaren Vorgaben fertigstellen sollte: Maximal 2 Stunden und den Humorfaktor nach oben schrauben. Das muss man nicht mögen, aber man muss erkennen, dass Whedon seinen Job sehr gut gemacht hat. Er hat einen hirnlosen Marvel-Film gemacht, nur ohne den Vorteil, dass die Charaktere bereits vorher in eigenen Filmen eingeführt wurden. Ich hatte meinen Spaß. Eben auf eine Popcorn her und Hirn aus-Art und Weise.

Was ist also jetzt mit der „echten“ Version von Justice League? Die werden wir niemals sehen, denn wie gesagt: Dieser Film hier ist mit Sicherheit nicht, was wir 2017 von Warner Brothers bekommen hätten (nicht von Whedon. Von Warner Brothers).

Nachdem wir das aus der Welt geschafft haben, kommen wir zum „Snyder Cut“, der sich gut doppelt so viel Zeit nimmt wie die Kinoversion um genau die gleiche Geschichte zu erzählen und zeitgleich noch die unangenehme Aufgabe hat(te), weitere Filme vorzubereiten („Avengers: Age Of Ultron„, irgendwer?). Und wenn man die Fanbrille und das Erfolgsgefühl, dass es diesen Film hier gibt mal abnimmt, dann muss man objektiv feststellen, dass dieser 242-Minuten-Version die gleichen Probleme wie der eben genannte zweite Avengers-Teil hat.

Es kommen Personen vor, die nur jene kennen, welche die Comics kennen. Ich sage nur „Darkseid“, „DeSaad“ oder „Martian Manhunter“. Das ist nett und gilt als Fanservice. Als Standalone-Film ist es allerdings völlig unnötig, diese in den Film einzubauen. Klar – mit dem Plan für zwei weitere Filme wäre das super gewesen, aber so … eigentlich unnötig, denn bei allem „Snyderverse“-Hype der gerade wieder losgeht, werden diese Filme nicht kommen.

Das macht diese Version allerdings zu keinem schlechten Film und wer Snyders Filme mag, der oder die findet hier alles, was einen Snyder-Film ausmacht. Die Optik, die One-Liner, die dunklen Farben, den Humor, die Epik, die Zeitlupen. Alles ist da und alles sieht (auch in diesem ungewohnten Bildformat) super aus. Nur eine Sache fehlt mir ein bisschen: Das mutige Drehbuch. Bei allem was man „Batman v Superman: Dawn Of Justice“ im Ultimate Cut vorhalten kann: Das Drehbuch ist großartig und wann immer ich Diskussionen im Internet verfolge (nicht teilnehme), die Dinge diskutieren, wie zB eine fehlende Motivation für Lex Luthor, dann kann ich nicht anders als den Kopf zu schütteln und mich zu fragen, wann Menschen verlernt haben, genau zuzuhören und zuzusehen. Aber das nur am Rande.

„Justice League“ ist so geradeaus wie ein Film nur sein kann. Superman stirbt. Die Erde hat keine Beschützer mehr. Steppenwolf hört die „Mother Boxes“ rufen und kommt sie holen. Die Verteidiger haben vergessen, wie gefährlich der Typ ist und kriegen ein paar aufs Maul. Also machen sie, was sie machen können: Sie holen den einen Typ zurück, der das kann. Allerdings hat der „Böse“ bis dahin bereits alles geschafft, was er schaffen will, weshalb die Fähigkeiten der anderen Teammitglieder wichtig sind und gemeinsam kriegen sie es hin. Punkt. Das ist ein Film, so gerade und klar aus dem Lehrbuch, dass es fast nicht mehr direkter geht.

Das liest sich jetzt alles sehr nüchtern und das mache ich auch sehr bewusst, denn wir reden hier immer noch von einem Film und einen Film darf man bei allem Kult (oder muss man hier schon von Religion sprechen?) auch Kritik äußern. Wenn es überhaupt Kritik ist. Eigentlich summiere ich bis jetzt nur Fakten. Mehr nicht. Daran kann auch eine Horde wild gewordener Fans, die von ziemlich coolen Aktionen (Banner in der Luft etc) bis zu kompletten Wahnsinn (Morddrohungen an Menschen, welche die 2017er Version ermöglicht haben) alles abdeckt, nichts ändern.

Müsste der Film 242 Minuten lang sein, um seine Geschichte zu erzählen? Nein, sicher nicht. Bringt der Epilog in der möglichen Zukunft (die sogenannte „Knightmare Timelime“ – ihr wisst schon, weil der „Dark Knight“ einen Albtraum hat, wie die Zukunft sein könnte) irgendwas für den Film außer einem Zitat von Jared Letos Joker, der im restlichen Film nicht mal vorkommt und dass noch dazu im Trailer war, aber im fertigen Film (nochmals: 242 Minuten! Und ihr verwendet eine Szene im Trailer, die im Film nicht … Platz hatte?) fehlt? Da stellen sich ganz andere Fragen.

Was kann ich also zu „Zack Snyder’s Version“ sagen: Ich habe schon lange keinen Film mehr gesehen, der mich vier Stunden lang dermaßen gut unterhalten halt. Wir haben bei knapp der Hälfte mal eine kurze Pause eingelegt, aber die war eher, weil wir Essen und Trinken nachfüllen mussten und in unserem Alter Klo-Pausen doch schon wichtig werden, aber ich kann nur wiederholen: 242 Minuten und keine einzige davon langweilig. Vorausgesetzt man mag Snyders Regiestil und seine (oben erwähnten) Markenzeichen.

Was fällt auf? Das erste was mir einfällt, nachdem ich den grottenschlechten „WW84“ gesehen habe: Wonder Woman ist wieder cool. Ich dachte nicht, dass es möglich ist, diese Figur in meinen Augen wieder toll zu machen, aber der Snyder Cut hat es geschafft. Das ist eine absolut großartige Figur. Eine Power-Frau, aber eine, die nicht vergessen hat, dass sie eine verdammte Amazone ist, sondern eine Frau, die weiß was sie kann, wer sie ist und sich von niemanden was vormachen lässt. Selbst bei so aufgelegten potentiell peinlichen Momenten, wie dem Ruf von Steppenwolf „Leaver her! She belongs to me!“, auf den sie antwortet: „I belong to no one!“. Oder als sie einem kleinen Mädchen erklärt „You can be anything you want.“ Dieser Diana glaubt man das. Und es ist weder eine „Frauen sind die besseren Menschen“-Message noch irgendwie peinlich, weil das hier eine Person sagt und kein Klischee und keine wandelnde Soziale-Message, sondern eine Figur, ein Charakter, der man diese Aussagen auch absolut glauben kann. Ich fand zB die Szene am Anfang als sie einen Anschlag verhindert großartig: Sie nimmt einen der Geiselnehmer gefangen und als er ihr erklären will, warum sie die halbe Stadt sprengen wollen, unterbricht sie ihn mit einem absolut ehrlich gemeinten: „Boring! Tell me, where the bombs are“. DAS ist Diana Prince. Es ist ihr komplett egal, warum du denkst, du musst die halbe Stadt in die Luft jagen. Religion, Fanatismus, komplett schnurz, sondern Fakt ist: Nicht. In. Meiner. Stadt. Verdammt, ich hatte bis vor dem Snyder Cut schon ganz vergessen wie großartig diese Figur sein kann (Shame on you, Patty Jenkins!).

Stichwort Charaktere: Cyborg aka Victor Stone hat jetzt eine Hintergrundgeschichte, die weder neu noch originell ist, aber zu einem interessanten Konflikt führt. Victor hält sich selbst für Frankensteins Monster und seinen Vater für Frankenstein. Diese Nebenstory, die ziemlich wichtig für die Haupthandlung ist, war wirklich cool gemacht und es hat dem ganzen Film wirklich mehr Herz gegeben, die Szenen mit den beiden auszubauen. Da gibt es ein paar Momente, die mich wirklich berührt haben. Zum Beispiel als Victor eine Ablenkung in einer Forschungsstation durch einen falschen Alarm auslöst und sein Vater der einzige ist, der den Fehlalarm als solchen erkennt, allen zuruft, dass es ein Fehlalarm ist und dann sieht er Victor, erkennt, dass dieser den Alarm ausgelöst hat und sofort – ohne eine Frage, allein durch einen Blick innerhalb einer Sekunde umschwenkt und allen zuruft „Raus! Raus! Ein Virus! Raus!“. Das absolut Vertrauen, welches Victors Vater ihm hier entgegenbringt, das hat mich echt berührt. Eine kleine Szene, ein Detail, welches man rasch übersehen kann, aber ich fand es super. Und das „Ende“ dieser Storyline war ebenfalls ein Gänsehaut-Moment: „I am not broken.“. Das war wirklich eine Gänsehaut. Als Victor sich selbst nicht mehr als Monster sieht und der Versuchung widersteht. Grandios.

Barry Allen als Flash hat ein paar super Momente, wobei man die meisten aus der Kinoversion kennt. Es kamen ein paar Szene dazu, ein paar wurden gestrichen, aber die neuen Szenen vertiefen seinen Charakter per se nicht, sie unterstreichen eigentlich nur, was er kann und wie er die Welt empfindet, warum er so quirlig ist und ähnliche Dinge. Fand ich passend und gerade beim Finale kam der Gute weit besser weg und stellte sich als richtig wichtig heraus. Es gibt zwar mehr Szenen mit ihm bzw. andere, aber alles in allem hat seine Figur am wenigsten an Tiefe gewonnen. Das liegt allerdings daran, dass Barry bereits in der anderen Version gut gelungen war. Witziges Detail: Ziemlich alle coolen Szenen mit Barry in der 2017er Version waren also offensichtlich jene von Snyder. Die paar peinlichen Momente am Ende (russische Familie) wurden geschnitten.

Aquaman ist eine coole Socke (ich fand auch den Solofilm absolut unterhaltsam) und zieht immer noch gern sein Shirt aus um in Zeitlupe im Wasser zu stehen. Eine Szene, die mir persönlich gut gefallen hat in der Kinoversion, nämlich jene, als er sich auf das „Lasso of Truth“ setzt, ist rausgefallen. Dafür hat er ein paar andere Szenen, aber auch er gewinnt wenig an Tiefe. Er wird nur ernster. Die peinliche „Trident spießt Parademon auf und Aquaman surft auf dem Typ durch ein Gebäude um unten herauszukommen und kurz die Haare zu schütteln“-Szene ist immer noch drin. Die hätte man meiner Ansicht schneiden können (oder besser: sollen).

Bleibt Batman: Der hat Gewissensbisse und Angst. Er hält das Team zusammen und die Tatsache, dass er in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ als Charakter eingeführt wurde, der Waffen nutzt und herumballert, ergibt jetzt noch mehr Sinn. Denn wir dürfen nicht vergessen: Hier geht es um außerirdische Invasoren und Batman hat keine (außer: „I am rich.“) Superkräfte. So kann er am Ende zumindest mit Waffengewalt mit mischen und seine technischen Geräte (die gegen Steppenwolf wenig Chance haben) nutzen.

Damit kommen wir zu Superman: Der fehlt über gut zwei Drittel des Films. Was extrem passend ist, da in dieser Version absolut klar rüberkommt: Der Tod von Superman hat das alles ausgelöst, weil es keinen Beschützer mehr gibt, der es mit Steppenwolf aufnehmen kann (was wir ebenfalls gut sehen bei einem Scharmützel unserer League mit dem Herren). Sie BRAUCHEN Superman. Charakterentwicklung hat er genauso viel wie in der Kinofassung. Allerdings hat er dieses Mal einen schwarzen Anzug und sein Auftritt im Kampf gegen Steppenwolf ist absolut der Wahnsinn. „Not. Impressed.“ Das war echt wieder Gänsehaut.

Die anderen Figuren haben teilweise Mini-Auftritte – Jeremy Irons als Butler Alfred ist kurz dabei, aber ein Highlight in jeder Szene – und gerade die Trauer, die Lois Lane nach dem Tod von Superman mit sich herumträgt, wird wirklich gut rübergebracht, wie man überhaupt allgemein die gut ersten zwei Drittel des Films spürt und sieht, wie sehr Superman fehlt.

Kommen wir zum letzten: Steppenwolf. Der hat nicht nur eine Generalüberholung optischer Natur bekommen, sondern auch eine Hintergrundstory bekommen. Und ähnlich wie Cyborg profitiert er am meisten von der Langfassung. Der Typ hat klare Ziele, hat klare Ängste, Wünsche und will eigentlich nur eines: Wieder nach Hause. Das macht ihn … ja, menschlicher und greifbarer und weniger austauschbar. Ich weiß, diese Idee ist nicht so genial wie die Motivation von Thanos (das war Sarkasmus), aber ich fand ihn echt gut. Vor allem seine Mimik und – haltet euch fest: Seine Augen. Als er begreift, dass er eine Möglichkeit gefunden hat, vielleicht wieder nach Hause zu dürfen … da hatte ich kurz des Gefühl, jetzt heult er gleich vor Freude. Fand ich super, wirklich super.

Ansonsten bietet der Film einen guten Rhythmus aus Story und Action. Die Action sieht super aus und ist übersichtlich und stressfrei. Auch hört sie immer rasch genug auf, damit sie nicht zu gestreckt wird. Mir wird bei Action zum Selbstzweck ja schnell mal langweilig, egal wie gut sie aussieht, aber das war hier nie der Fall. Die Action trägt tatsächlich immer was zur Handlung und/oder Charakterentwicklung bei.

Was bleibt also am Ende: Ein Film, nach dessen Sichtung man das Gefühl hat, man möchte mehr sehen und wissen, wie das weitergeht. Das mal auf jeden Fall. Ist es ein Meisterwerk der Filmgeschichte? Wohl eher nicht. Die Tatsache, dass es den Film in dieser Art überhaupt gibt, ist filmhistorisch sicher von immenser Bedeutung, der Film selbst wohl eher auch nicht.

Der Fairness halber: Der Film hat seine Fehler. In manchen Drehbuch/Storymomenten, in manchen Szenen (so sind die schauspielerischen Leistungen bei manchen Amazonen am Anfang des Films eher … bescheiden … sag ich mal), manche Szenen sind unnötig und nicht mal für die Atomsphäre wichtig (der Gesang beim Abschied von Aquaman) und wer immer diese Cover-Version von „Hallelujah“ für den Abspann genehmigt hat sollte mal zum Ohrenarzt gehen. Bei allen den großartigen Versionen entscheidet man sich für diese? Schlimm.

Ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass er Anfang der Kinoversion mit „Everybody Knows“ eine typische und großartige Synder-Konstruktion ist. Die hier leider fehlt. Dafür hat Snyder eine Kopie des „Das Team springt wortwörtlich in die Action“ aus „Age Of Ultron“ kopiert. Wenn das nicht mal ein netter, witziger Seitenhieb war, dann weiß ich auch nicht.

„Zack Snyder’s Justice League“ bekommt von mir 9,5 von 10 möglichen Punkten. Wer „Man Of Steel“ und „Batman v Superman“ mochte, der oder die wird hier viel Freude haben. Alle anderen werden sich das 242-Minuten-Teil ohnehin nicht ansehen.


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