Langsam aber sicher entwickeln sich Spiele, die die Bezeichnung „Interaktiver Film“ verdient haben, immer mehr von einem Geheimtip, zu einem etablierten und vor allem ernst zu nehmenden eigenen Genre. Sony hat dabei klar eine Vorreiterrolle eingenommen, angefangen mit „Heavy Rain“ und „Beyond Souls“ vom Studio QuanticDream auf der PS3 und fortgesetzt zuletzt mit „The Order 1886“ auf der aktuellen Konsolen-Generation. Das Entwickler-Haus Supermassive Games setzt diese Tradition mit ihrem Exklusivtitel auf der PS4 fort und lässt damit das Herz eines jeden Horrorfilm-Freundes höher schlagen.
Einige Jugendliche feiern in einer abgelegenen Berghütte eine Party, trinken, blödeln herum, wollen einfach nur Spaß haben. Ein paar unüberlegte Momente später, kostet ein dummer Streich Menschenleben. Nach diesem für das Genre typischen Beginn, der das Adrenalin gekonnt in die Höhe treibt, beginnt der Vorspann mit dem stimmigen und sehr gelungenen Titelsong. Schon hier wird klar, dass die Macher ihr Ausgangsmaterial lieben, mit all seinen Stärken und Schwächen und genau dieses Konzept gekonnt auf die Spitze treiben. Ein Jahr später kehren die acht verbliebenen jungen Leute (zur Aufarbeitung der Ereignisse) in die verschneite Bergwelt zurück, was zu zahlreichen weiteren lebensgefährlichen Situationen führt.
Im Prinzip kann man das Spiel ab diesem Zeitpunkt auf zwei Arten spielen, entweder man versucht möglichst viele der Jugendlichen lebendig durch das Spiel zu bringen, oder man will, dass die meisten einfach umgebracht werden. Die Entscheidungsmöglichkeiten sind zahlreich, bringen manchmal kleinere, manchmal größere Veränderungen mit sich und sind immer endgültig. Speichern funktioniert nämlich nur auf automatischer Ebene, was bedeutet, dass man mit den Konsequenzen des eigenen Handelns leben muss, zumindest bis man das Spiel neu startet oder nach „erfolgreicher“ Beendigung erneut beginnt. Mindestens zweimal zu spielen zahlt sich somit wirklich aus, einfach um jeweils die andere Antwort-Möglichkeit zu wählen, andere Handlungsstränge zu sehen und Geheimnisse zu lüften.
Die Welt von Until Dawn ist nicht sehr groß, dafür umso bedrohlicher und dank der Kameraeinstellungen und gezielten Zwischenschnitten, wird das eindeutig unmissverständliche Gefühl erzeugt, ständig unter Beobachtung zu sein. Hier ist man klar isoliert, egal ob in der geheimnisvollen Berghütte oder der verlassenen Mine, die Gefahr auch in Form der örtlichen Tierwelt, ist allgegenwärtig und Hilfe ist klar außer Reichweite. Abwechselnd steuert man hier als Spieler eine der acht Figuren, die scheinbar selbst nie einen Horrorfilm gesehen haben. Gefährliche Pfade beschreiten, um an einem abgelegenen Ort Sex zu haben? Baden mit aufgesetztem Kopfhörer? Sich gegenseitig ständig erschrecken? Natürlich, das macht doch Spaß und wirkt sich auch sicherlich nicht negativ auf die zukünftigen Ereignisse aus.
Spielerisch prägen vor allem drei Elemente das Geschehen. Einen großen Teil des Games geht es darum, die Umgebung zu erkunden, Hinweise und Indianer-Totems zu finden. Diese zeigen kryptische Warnungen oder Tips für spätere Entscheidungsmöglichkeiten, in Form von kurzen Videosequenzen. Der zweite wichtige Bereich des Gameplays sind die Quicktime-Events. Hier gilt es meistens innerhalb des Zeitlimits einen bestimmten Knopf zu drücken, oder mit einer Waffe zu zielen. Schnell über eine Mauer klettern, den Sprung über einen Abgrund wagen, die tragischen Konsequenzen beim möglichen Scheitern durch eine zu langsame Reaktion, sorgen hier zusätzlich zur sowieso bedrohlichen Grundstimmung, für knisternde Spannung.
Drittens geht es natürlich um die bewussten Entscheidungen und die daraus resultierenden Konsequenzen. Freundlich bleiben oder aggressiv sein, sich verstecken oder flüchten, den kurzen gefährlichen oder den längeren sicheren Weg wählen. Im Status-Bildschirm werden neben dem storytechnisch nicht unwichtigen Verhältnis zwischen den einzelnen Figuren, sämtliche Ereignisse und Auswirkungen sehr genau und unter dem Namen Schmetterlings-Effekt angezeigt, und in faszinierender Form wird so offenbart, wie kleine Dinge oft weitreichende Auswirkungen haben. Wahlweise ist das Game auch mit der Bewegungssteuerung des Controllers spielbar, was ein ganz eigenes Spielgefühl erzeugt, jedoch empfehle ich hier einen Blick ins Tutorial, denn eine gewisse Eingewöhnungsphase ist doch notwendig.
Natürlich hat diese Art von Spiel gewisse Begrenzungen, eindeutig profitieren kann hiervon jedoch die Grafik, die zum Besten gehört, was derzeit auf Konsolen möglich ist. Von den Lichteffekten über die an Emotionen reichen Gesichter, mit kleinen Abstrichen beim Fell einiger Tiere, wird hier eine beinahe perfekte virtuelle Welt erzeugt. Die Darsteller sind stark und vor allem in der englischen Fassung, die ich nur allen ans Herz legen kann, mit hörbarer Freude am Werk. Neben den Jungstars bleibt hier vor allem Peter Storemare (Constantine) im Gedächtnis, der zwischen den Kapiteln direkt zu uns Spielern spricht, unsere Ängste erkunden möchte und unsere Gedanken über die einzelnen Figuren.
Zwischen sieben und neun Stunden, je nachdem wie viele Protagonisten noch leben, dauert das Spiel insgesamt, wobei ein weiterer Durchgang, für mich absolut Pflicht war, obwohl man leider die selbstlaufenden Zwischensequenzen, nicht überspringen kann. Insgesamt daher ein Spiel mit einer unheimlich starken Präsentation, dass eine klare Zielgruppe hat. Wer Slasher-Filme genau für all die typischen Klischees und Albernheiten schätzt und auch mit übernatürlichen Inhalten kein Problem hat, der wird mit der Story seine Freude haben. Genau wie Menschen, die einen gewissen Rahmen schätzen und sich nicht in einem Spiel verlieren möchten, sich jedoch gerne von einer einnehmenden Atmosphäre, gefangen nehmen lassen.
„Until Dawn“ bekommt von mir 9/10 sich den Auswirkungen des eigenen Handelns, hoffentlich rechtzeitig bewusst werdende Empfehlungspunkte.
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