Mindscape (Filmkritik)

John (Mark Strong) hat die Fähigkeit in die Erinnerungen von Menschen einzusteigen. Er nutzt diese Gabe als Mitarbeiter von einer Organisation namens Mindscape, die in den meisten Fällen reichen Menschen dabei hilft, durch die im Gedächtnis gefundenen Beweise, ihnen vor Gericht bessere Karten zu verschaffen. Nach dem Tod seiner Frau und und einem Schlaganfall, den er bei einem schief gelaufenen Auftrag bekommen hat, ist John aber mit seinen Kräften und auch finanziell am Ende.

Darum bittet er nach einer Ruhepause seinen Freund und Mentor Sebastian (Brian Cox) um einen Job, um wieder zurück ins Leben zu finden. Der Fall der 16-jährigen Anna (Taissa Farmiga), die aufgehört hat zu essen und von ihren Eltern in ihrem Zimmer festgehalten und überwacht wird, scheint zunächst eine einfache Sache zu werden. Je weiter John jedoch in den Geist von Anna eindringt, desto stärker verschwimmen die Grenzen zwischen Erinnerungen und aktuellen Ereignissen und er muss aufpassen, dass er sich nicht selbst in Annas Welt verliert.

Mindscape - Anna

Der auch als „Anna“ bekannte Film „Mindscape“, ist das Regiedebüt des Spaniers Jorge Dorado, der bereits als Second Unit Director und bei einigen Kurzfilmen Erfahrungen im Filmbusiness sammeln konnte. Jaume Collet-Serra („Unknown Identity„, „Non-Stop„) hat den Streifen produziert und die Dreharbeiten fanden unter anderem in Barcelona statt, was dem Film trotz der amerikanischen Beteiligung, einen passenden europäischen Ton verpasst, der der Grundstimmung des Filmes sehr zu gute kommt.

Im Grunde ist dies ja eine Detektiv-Story, bei der der Zuschauer gemeinsam mit der Hauptfigur versucht, das Puzzle zu lösen. Statt dem Ziel näher zu kommen, werden die Beweise aber mit der Zeit immer verwirrender und erst am Ende ist klar, was hier eigentlich gespielt wurde und wer im Endeffekt die Fäden in der Hand hatte. Die Faszination geht dabei vor allem von der Interaktion zwischen dem gebrochenen Helden mit der seltenen Begabung, und der moralisch ambivalenten jungen Dame mit dem überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten aus.

Hinzu kommt die untrennbar damit verbundene SciFi-Ebene des Einsteigens in Erinnerungen, die nie zum Selbstzweck verkommt, von der Inszenierung her eine eigene Sogwirkung aufbaut und statt für Klarheit zu sorgen, immer noch weitere Teile ans Tageslicht bringt, die man mit dem Gesamtbild irgendwie vereinen soll. Dabei ist dies wirklich ein Film geworden, bei dem man selbst auch überlegt, was nun die Wahrheit ist und ob man den Fall nicht doch schon vor der Hauptfigur lösen kann. Die Auflösung der Geschichte wird übrigens wohl nicht allen zusagen, ich fand das Finale aber – bezogen auf den Rest des Filmes – sehr ehrlich und stimmig.

Natürlich reicht ein starkes Drehbuch, eine feinfühlige Regie, passende Musik und gekonnte Schnitt- und Kameraführung nicht aus, um ein tolles Erlebnis zu garantieren, wenn soviel wie hier von den beiden Hauptdarstellern abhängig ist. Zumindest wenn diese ihre Figuren dann nicht ordentlich spielen können. Hier ist aber genau das Gegenteil der Fall. Selbst Nebenrollen sind mit Brian Cox (Ironclad) als väterlicher Mentor, Indira Varna (Hunted) als möglicher Love-Interest und Noah Taylor (Edge of Tomorrow) als Mindscape-Kollege gut besetzt und überzeugend gespielt.

Mark Strong (Welcome to the Punch) als John ist unheimlich sympathisch. Er hat sich durch sein persönliches Drama kein zynisches Schutzschild wachsen lassen, schmeisst sich dadurch aber vielleicht etwas zu selbstaufopfernd in seinen Arbeitsalltag, auch wenn er das selber wohl nicht so wahr nimmt. Bin froh ihn nach all seinen Bösewicht-Rollen doch endlich mal klar auf der guten Seite zu sehen, er ist eben doch jemand, der so gut wie alles spielen kann. Strong ist stark (das wusste ich bereits, auch ohne den Namen zu übersetzen), aber die wirkliche Entdeckung hier ist für mich Taissa Farmiga (The Final Girls).

Zunächst von ihrer großen Schwester Vera Farmiga (Bates Motel) in die Filmindustrie eingeführt, wurde die Welt erstmals aufmerksam auf sie durch ihre Rollen in der „American Horror Story“ Serie. Was sie als Anna macht, ist wirklich eine Wucht. Diese Mischung aus erwachsen-überheblich und kindlich-hilflos, gepaart mit einer verspielten Art, verlorenen Blicken, geistreichen Wortspenden und eingestreuten Lolita-Gesten, man kann da einfach nicht anders, als sie interessant und anziehend zu finden. Auch wenn man nie weiß, was nun ehrlich ist und was nur der Manipulation ihres Gegenübers gilt. Hoffe man sieht noch viel von ihr in der Zukunft, auch wenn sie (zum Glück) nicht dem typischen Hollywood-Schönheitsideal entspricht.

Insgesamt daher ein wirklich spannender Film, der seine – nennen wir es „übernatürliche Ebene“ – völlig nahtlos in die restliche Handlung einbindet und über ein Drehbuch verfügt, dass durchdacht ist und wo die Charaktere an sich und nicht die optischen Schauwerte, das Wichtigste sind. Hinzu kommen mit Strong und Farmiga zwei ausgezeichnete Schauspieler, die spielend mit der starken Grundatmosphäre mithalten können, was in Summe einen der gelungensten Thriller ergibt, die ich seit langer Zeit gesehen habe.

„Mindscape“ bekommt von mir 8,5/10 mit Hilfe von Erinnerungen das gesamte Leben manipulierende Empfehlungspunkte.

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