Rocketman (Filmkritik)

Elton (Taron Egerton) hat Talent für Musik. Seine Mutter Sheila (Bryce Dallas Howard) unterstützt das und lässt ihn Klavierstunden nehmen. Wenn auch nur widerwillig und mehr auf Anraten der Großmutter Ivy (Gemm Jones). Sein Vater (Steven Mackintosh) interessiert sich nicht wirklich für ihn. Im Laufe der Zeit wird er bekannter und er trifft auf Bernie Taupin (Jamie Bell), der Texte verfasst, aber keine Musik schreiben kann. Die beiden tun sich zusammen und Elton John wird zum Superstar …

Der dann leider rasch in die Fänge eines Musikproduzenten (John Reid) gerät und mit ihm eine (Sex)Beziehung eingeht, bis er irgendwann bemerkt: Der will nur sein Geld. Plötzlich fällt ihm wie Schuppen von den Augen, dass er alle Menschen, die ihn liebten mehr oder weniger vertrieben hat und seine Alkohol- und Drogensucht ihn quasi unerträglich gemacht haben.

Dabei sucht er eigentlich immer schon nach nur einer Sache: Liebe und Wertschätzung.
And he thinks it’s gonna be a long, long time …

Wer kennt Elton John nicht? Sollte es Menschen geben, die das hier lesen und sich gerade „ich“ denken, die können sofort zu lesen aufhören, sich zuerst mal eine Stunde in eine Ecke setzen und über ihren Mangel an Kultur nachdenken (ja, Elton John zu kennen gehört zur Kultur) und dann entweder im Stream als Audio oder auch als Video gleich mal ein paar Tage lang eine musikalisch-emotionale Reise machen, die sie mehr als einmal textlich und melodiös mitten ins Herz treffen wird. Und ich spreche hier nicht ausschließlich vom „König der Löwen„-Soundtrack.

Was soll ich sagen? Ich kenne Elton Johns Musik, ich mag viele der Lieder und auch Elton John wurde mir mit seinen kultigen Auftritten in zB „Kingsman: The Golden Circle“ immer sympathischer.

Ich hatte ja keine Ahnung … offen gesprochen hat mich „Rocketman“ wirklich berührt und mitgenommen. Meine Frau wollte den Film sehen, meine Eltern meinten, sie seien im Kino gewesen und er wäre super gewesen und na gut, dann sieht man sich das Teil halt an. Wow, sag ich nur. Wow. Der Film ist in visueller Hinsicht eine Wucht und auf einem Level mit „Moulin Rouge“. Die Musik ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben (auch wenn ich anmerken muss, das Taron Egerton, der hier die Stücke einsingt, seine Sache gut macht, er jedoch halt einfach kein Elton John ist).

Die Geschichte berührt, wird an den richtigen Stellen gekürzt und verknappt und die Variante, sein Leben in Rückblenden während einer Drogenberatung-Gruppensitzung zu erzählen, ist in diesem Fall grandios. Das macht bereits der erste Auftritt in seinem Teufel-Kostüm mehr als deutlich. Der Film ist wild, er ist bunt, er schreckt vor schrägen Momenten/Aufnahmen/Situationen nicht zurück, wirkt teilweise wie ein Musical-Märchen, nur um euch im nächsten Moment mit kalten, bitteren und harten Tatsachen zu konfrontieren und alles passt wirklich wunderbar zusammen und geht ohne Ruckeln ineinander über.

Ich war extrem positiv überrascht und ehrlich: Nach Ansicht des Films mochte ich Elton John viel lieber als davor.

Lee Hall hat beim Drehbuch ganze Arbeit geleistet. Das war aber auch irgendwie klar, immerhin hat dieser Mann auch das Drehbuch zu „Billy Elliot“ verfasst (ebenfalls ein großartiger Film mit Hammer-Soundtrack!). Ebenfalls von Billy Elliot mitgekommen ist Jamie Bell, der ja mittlerweile doch schon halbwegs bekannt sein sollte, zum Beispiel durch „Snowpiercer“ (großartig!), „Jumper“ (so lala) oder „Fantastic 4“ (leider peinlich. Der Film. Nicht Jamie Bell). Hier spielt er Bernie Taupin und wenn der Mann so war, wie er hier dargestellt wurde, dann kann man sich einen (platonischen) Freund wie ihn nur wünschen.

Grundsätzlich erweist sich das Casting als Glücksfall, denn Taron Egerton scheut vor nichts zurück um jedwede Emotion einzufangen und auszudrücken und es gelingt ihm großartig. Unterstützt wird er dabei von einem hervorragenden Support-Cast, sei es die kalte Mutter, gespielt Bryce Dallas Howard oder der abgebrühte, geldgeile John Reid (gespielt von Richard Madden).

All die Charaktere, die Musik, die Optik, den Wahnsinn, den sein Hauptprotagonist personifiziert fängt Regisseur Dexter Fletcher nahezu perfekt ein und nimmt euch von der ersten Sekunde bis zum letzten Takt mit auf eine Reise, die vielleicht nicht euer Leben verändert, aber zumindest euren Blick auf einen der brillantesten und erfolgreichsten Musiker unserer Lebzeit.

Und man hat sogar ziemlich viel Spaß dabei. Hut ab. Ein offener und ehrlicher Film über einen der schrägsten Vögel im Musikgeschäft, der doch immer nur eines wollte: Ehrliche Liebe und Anerkennung.

„Rocketman“ bekommt 9 von 10, der Musik die Stange haltende, Punkte. Ja, der Wortwitz war Absicht und würde Elton John der deutschen Sprache mächtig sein, so weiß ich nach Ansicht des Films, dass er dieses Wortspiel witzig finden würde.

Anmerkung: Wer ein Problem mit Homosexualität in Filmen oder im echten Leben hat, der oder die muss einen Bogen um diesen Film machen, denn damit wird (angedeutet als auch gezeigt) nicht gespart. Und wer Menschen (im Originalton) nicht gern und ausgiebig fluchen hört (Das englische „C“-Wort), sollte ebenfalls weggucken und -hören.


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