Look Away (Filmkritik)

Maria (India Eisley) ist eine Außenseiterin, die außer ihrer Jugendfreundin keine Freunde hat an der Schule. Für ihren erfolgreichen Vater Dan (Jason Isaacs) ist sie sowieso eine Verliererin und ihre Mutter Amy (Mira Sorvino) ist viel zu sehr damit beschäftigt, selbst ein zwanghaft „normales“ Leben aufrecht zu erhalten. Doch da gibt es ja seit kurzem auch noch Airam.

Sie ist das Spiegelbild von Maria, stark und selbstbewusst und sie hat laut eigenen Aussagen die Fähigkeit, Maria´s Leben in die richtigen Bahnen zu lenken und ihren Schmerz wegzunehmen. Nachdem sie wieder einmal vor allen gedemütigt wurde, entschließt sie sich dazu, Airam´s Hilfe anzunehmen und die beiden Damen tauschen Plätze…

Dies ist der neueste Streich vom israelischen Drehbuchautor (The Debt) und Regisseur (Ani Purim) Assaf Bernstein, der auch hier in seiner Doppelfunktion tätig war. Wer den Trailer gesehen hat oder sich die Beschreibung der Story durch gelesen hat, der wird die hier eingeschlagene Richtung schon erahnen (was auch passiert, wenn man drüber berichten will), aber ich mache dennoch die kleine Spoiler-Warnung, bevor ich weiter schreibe.

Hier wird ja mit der Tatsache gespielt, dass es eine zweite Version von sich selbst gibt, die all das macht, was man selbst nicht wagen würde. Der Film gibt dabei Hinweise in zwei Richtungen, um diese Tatsache zu erklären. Die übernatürliche Erklärung ist, dass dies ein Geist ist, der immer schon in Maria´s Leben war und sich jetzt erst zeigt. Die psychologische ist, dass ihr Unterbewusstsein eine zweite Persönlichkeit erschaffen hat, um ihre Probleme zu lösen.

Trotz Hinweisen in beide Richtungen bleibt es am Ende dem Zuschauer überlassen, für welche Variante er sich entscheidet. Der Weg dort hin ist ein langsamer, düsterer, ohne Jump Scares, dafür mit einigen spürbaren Spannungen zwischen den wichtigen Charakteren. Dies ist eine Welt von Egoisten, voll von Oberflächlichkeiten und wenn es wirklich wichtig ist, steht keiner hinter dir, weil sie alle auf den eigenen Vorteil aus sind.

Selber so werden oder flüchten? Maria macht dann gleich beides. Der Preis für ein all zu ehrliches, nicht emphatisches und rein Trieb gesteuertes Leben, endet dann jedoch ebenfalls im Chaos. Einerseits freut man sich, dass Maria/Airam endlich ihren Peinigern ordentlich Konter geben kann, bald schon bleibt einem das Lachen aber im Mund stecken. Airam´s Wut ist unbändig und hat etwas von einem Kind, das gerade erstmals in die Welt hinaus gelassen wurde und nun alles auf einmal erleben will.

India Eisley habe ich noch nie in einer „normalen“ Rolle gesehen (Underworld Awakening, Clinical) und in Kite fand ich sie nicht so überzeugend. Hier ist sie jedoch großartig, vor allem wie unterschiedlich in entscheidenden Momenten und dann doch wieder gleich im Alltag sie Maria/Airam spielt, es macht einfach Spaß ihr zuzusehen. Wie sie die Herausforderungen ihrer Rolle meistert ist souverän und selten habe ich beim Einsatz von Nacktheit (abgesehen von Missbrauchs-Szenen), ein so unangenehmes Gefühl verspürt.

Jason Isaacs (A Cure For Wellness) als ihr Vater ist ein unheimlicher Egomane, der sein Umfeld mit seiner – der einzig richtigen Sicht – terrorisiert, unter dem Deckmantel, ja nur das Beste zu wollen. Mira Sorvino (Mimic) als seine Frau ist völlig hilflos und wirkt so, als könnte sie auf Grund ihrer Antidepressiva, nicht viele gerade Gedanken fassen. Penelope Mitchell (Hellboy) ist herrlich manipulativ als angeblich beste Freundin.

Insgesamt ein Film, der trotz ein paar Längen durchaus intensiv ist, mit Gefühlen und Erwartungshaltungen spielt, in unangenehmen Momenten am Stärksten ist und zum Nachdenken anregt, ohne selbst Antworten zu liefern. Das alles getragen von einer stimmigen Düster-Atmosphäre und einem Cast, der 100 prozentig in der jeweiligen Rolle aufgeht. Kein sympathischer Film, jedoch einer der weit mehr unter die Haut geht, als es die „Teenager-Horror-Film“ Aufmachung vermuten hätte lassen.

„Look Away“ bekommt von mir 6/10 über extreme Umwege zu sich selbst findende Empfehlungspunkte.


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