The Tall Man (Filmkritik)

Die Witwe Julia (Jessica Biel) wohnt in einer kleinen Stadt in Washington, die man seit der Schließung der örtlichen Mine durchaus als toten Ort bezeichnen kann. Das wahre Problem der Stadt ist aber die Legende um den sogenannten Tall Man, der in regelmäßigen Abständen Kinder entführt, die danach nie wieder gefunden werden. Als eines Nachts plötzlich Julia´s Sohn von einer dunklen Gestalt mitgenommen wird, verfolgt sie den Entführer in die Dunkelheit, doch wenn am Ende der wahre Grund für die Entführungen offenbart wird, wird nicht nur ihr Leben für immer verändert werden.

The Tall Man Film Jessica Biel

Der Franzose Pascal Laugier ist ja vor allem für eines bekannt: für seinen kompromisslosen, eigenständigen und mittlerweile von zahlreichen Fans als Kult verehrten Horrorfilm „Martyrs“ aus dem Jahre 2008. Wer nun aber in seinem US-Debut einen Film erwartet, der in eine ähnliche Richtung geht, der wird wohl eher von der Vielseitigkeit von Laugier irritiert werden. Wie schon bei „Martyrs“ zuvor bedient er sich zwar einiger klassischer Horrorelemente, macht dann aber am Ende einen Film daraus, der vielschichtig ist und nicht mehr klar einzuordnen ist in eine bestimmte Kategorie.

„The Tall Man“ beginnt als klassischer Gruselfilm mit mehreren Erklärungsmöglichkeiten. Ist der Tall Man eine übernatürliche Kreatur oder ein verrückter menschlicher Killer oder doch nur ein Symbol für die Angst die in der kleinen Stadt vorherrscht? Vor allem die trostlose Stimmung und die unterschwellige Spannung erzeugen hier ein zwiespältiges Gefühl beim Zusehen, einerseits will man irgendwie weg von hier, andererseits muss man aber auch wissen, wie die Sache weitergeht.

Ungefähr zur Halbzeit des Filmes kommt dann ein Twist und man weiß kurz nicht mehr, was nun eigentlich gespielt wird. Kurz danach die Erklärung die den Zuschauer dazu veranlasst, das zuvor gesehene noch mal unter dem Gesichtspunkt der neuen Erkenntnisse Revue passieren zu lassen. Am Ende glaubt man dann zu wissen was hier los ist und dann waren die Hintergründe bzw. Beweggründe des Entführers doch ganz andere. Ohne gespoilert zu haben sind das ungefähr die Ereignisse, die euch erwarten werden. Alles klar? Nein? Gut so!

Wer an der Schauspielkunst von Jessica Biel bis jetzt gezweifelt hat, der sollte sich „Powder Blue“ ansehen. Wer sich dabei aber nicht sicher war, ob er von den wenig bekleideten Szenen der Hauptdarstellerin abgelenkt wurde, der sollte „The Tall Man“ als Referenzfilm für ihr Können hernehmen. Biel ist wirklich großartig in dieser Rolle und darf von der liebevollen Mutter bis hin zur völlig verzweifelten und schließlich gebrochenen Frau alles zeigen, was das menschliche Gefühlschaos so hergibt. Dabei ist ihr Spiel ungemein intensiv, genau so ungeschminkt und direkt wie ihr Gesicht in diesem Film, sie trägt die Schwere des Filmes sozusagen mit Leichtigkeit auf ihren Schultern.

Neben Biel überzeugt wie immer Jungstar Jodelle Ferland (The Cabin in the Woods) als gepeinigtes Kind aus schwierigem Elternhaus. Stephen McHattie (Red: Werewolf Hunter) als abgebrühter Lieutenant, William B. Davis (The Shortcut) als überforderter Sheriff und Samantha Ferris (Icarus) als problembeladene Mutter runden das starke Ensamble ab. Wie gesagt ist es neben dem schlauen Drehbuch und dem Gespür des Regisseurs vor allem die Performance von Biel die dafür sorgt, dass dieses Erlebnis ein derart intensives geworden ist.

Am Ende bekommt man einen Film geliefert, der wie schon bei „Martyrs“ ab der Mitte vom Grundgefühl her in eine andere Richtung weiter geht und man zwischendurch immer wieder mal daran zweifelt, dass man nun endlich kapiert hat, was hier nun eigentlich wirklich Sache ist. Toll gespielt, vielschichtig was die Moral betrifft und atmosphärisch dicht bis zum Schluss, so müssen Horror/Thriller/Dramen sein. Wer aber Gewalteskapaden erwartet auf Grund des Erstlingshits von Laugier, der wird bitter enttäuscht werden und das ist gut so.

The Tall Man bekommt von mir 8/10 auf unterschiedlichen Ebenen überzeugende Empfehlungspunkte.

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