Max Payne (Game-Review)

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„Nein, danke.“ Mit diesen Worten lehnt Max Payne die Einladung seines Kollegen ab, drückt demonstrativ seine Zigarette aus weil er zum Rauchen aufhört („It’s bad for the baby“) und geht breit grinsend nach Hause. Der New Yorker Cop hat auch allen Grund zur Freude. Immerhin ist Michelle, seine werte Frau und seit kurzem auch Mutter seiner Tochter, bereits Zuhause und wartet auf ihn. Das Leben ist schön. Wie aus dem Bilderbuch.

Aber innerhalb eines – passend „New York Minute“ genannten – Augenblicks wird alles anders. Als Max Zuhause ankommt findet er seine Frau und seine Tochter tot vor. Zwei Junkies – high von der Droge „Valkyr“ – sind in das Haus eingebrochen und haben in ihrem Drogenrausch Max‘ Familie getötet. Der Cop kann die beiden Junkies zwar ausschalten, aber das Leben seiner Familie kann er nicht retten.

Verzweifelt lässt sich Max ins Drogendezernat versetzen und geht Undercover. Um die Hersteller und Vertreiber von „Valkyr“ aufzuspüren schleust er sich in der Unterwelt von New York ein – bis ein Anruf kommt, der ihn zu einem Treffen mit seinen Kollegen auffordert, etwas Wichtiges ist aufgetaucht … und so sehr Max‘ Leben bereits kaputt ist, er lernt sehr schnell, dass alles noch schlimmer werden kann.

Was Remedy Games – unter der Anleitung von Sam Lake – 2001 mit dem Charakter Max Payne erschaffen hat, ist wohl eine der Figuren, die am Videospielemarkt – vor allem im Actiongenre – ihresgleichen sucht. Einen Charakter zu finden, dessen Leben tragischer verläuft als das von Max, kann ich mir fast nicht vorstellen. Zuerst verliert er seine Familie, dann fliegt sein Cover auf und dann geht erst so richtig alles den Bach runter bis er sich letzten Endes an allen Fronten gegen Horden von Menschen wehren muss, die ihm nach dem Leben trachten – und das noch dazu eingefangen in optisch (damals) beeindruckende Bilder.

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Das wirklich herrausragende Feature von Max Payne war 2001 die „Bullet Time“. Was im Grunde genommen nichts anderes heißt, als das – sobald Max genug Bösewichte erschießt – er die Zeit verlangsamen kann, was alles um ihn herum in Zeitlupe ablaufen lässt, während er in „normaler Zeit“ weiterhin herumballern kann. Eine Gameplay-Idee, die mehr als nur einen positiven Effekt hat, denn zum einen sieht die Sache gleich mal verdammt cool aus. Wenn John Woo ein gutes Spiel gemacht hätte, dann würde es so aussehen. Zweitens ist das Spiel alles andere als einfach und die Bullet Time wird allen SpielerInnen mehr als einmal das Leben retten. So zum Beispiel, wenn man um eine Ecke läuft – in der Meinung, da wäre niemand – und plötzlich sieht man sich einer Übermacht gegenüber. Rückwärtssprung in der Bullet Time und niedergemäht. Sieht stylisch aus, macht Spaß und ist zudem noch verdammt befriedigend – zumal man dank der grandiosen Film Noir-Story und Stimmung Max‘ Motivation absolut nachvollziehen kann.

Was Max Payne darüber hinaus noch so bemerkenswert macht, ist die Story. Düster, dunkel, poetisch – ohne Happy End. Denn ein echter Film Noir kann kein Happy End haben. Diese Gewissheit macht das Spiel noch genialer, denn als Spieler, dem die Story wichtig ist, will man wissen, wie Max zu diesem Punkt kam, an dem er am Anfang des Spiels ist (das Spiel beginnt am Ende, dann springt es zurück zum Anfang).

Die Charaktere, die Max im Laufe des Spiels trifft – vom schmierigen Gangster Vinnie, über den Russen Vlad, bis hin zu Alfred Woden und dem „Gastauftritt“ der Killerin Mona Sax – sind allesamt überzeichnet, aber dermaßen stilgenau getroffen, dass man nicht anders kann, als mit Spannung zu verfolgen, was noch weiter passieren wird. Getragen wird das ganze durch die genialen Monologe von Max, der von James McCaffrey perfekt vertont wurde und einem Script, dass vor Pathos und Melodrama manchmal fast übergeht, aber doch immer absolut passend ist.

Ziemlich genial auch der Trick mit den im Spiel eingebauten Fernsehserien, wie zB „Capatain Baseball Bat Boy“ oder „Lordes & Ladies“ und „Adress unknown“. Das alles sind Serien, welche auf diversen Fernsehgeräten in den Levels laufen und von denen man sich mehrere Folgen ansehen kann und deren Storylines stellenweise starke Ähnlichkeiten mit der aktuellen Spielsituation haben, bzw. manchmal einfach nur witzig sind (wenn sich zB zwei Gangster über die letzte Folge von „Lords & Ladies“ unterhalten und zu streiten beginnen.

Zwischen den Levels gibt es immer Sequenzen in denen die Spieler durch Max‘ Albträume laufen und so zum Beispiel einer Blutspur folgen, die sich durch endlose Dunkelheit zieht, immer geleitet vom Weinen eines Babys und düsterer Musik, während die Stimme von Max‘ Frau von weither tönt und ihm immer wieder die Frage stellt „Warum, Max?, Warum hast du uns sterben lassen?“. Ziemlich harter Tobak, sorgt aber für gehörig Atmosphäre und verdeutlicht wie nah am Zusammenbruch Max ist, der sich selbst natürlich die Schuld am Tod seiner Familie gibt.

Alles in allem ist Max Payne (fast) perfekte Unterhaltung für alle, die eine geniale Atmosphäre gepaart mit einer verdammt coolen Film Noir Story wollen, während das Gameplay (ballern, laufen) zwar nicht abwechslungsreich oder gar anspruchsvoll ist (naja, härtere Schwierigkeitsgrade haben es teilweise in sich), aber dennoch nahezu perfekt inszeniert (alte Grafik, damals ein Wahnsinn!).

Trotz all der Düsternis kommen übrigens auch der Humor und eine Prise Selbstironie nicht zu kurz. Beispiel?
Max hat eine Überdosis bekommen, landet in einem Albtraum und findet sich in seinem Eigenheim (im Traum) wieder. Er entdeckt eine Notiz seiner Frau auf dem Schreibtisch:
Max Payne: „There was something disturbingly familiar about the note on the desk. The handwriting was all pretty curves.“
Michelle Payne: [the note reads] „You’re in a graphic novel.“
Max Payne: „The green light washed the lies away. My whole life was just frames, words hanging in the air like bubbles. I was in a graphic novel. Funny as Hell, it was the most horrible thing I could think of.“

„Max Payne“ bekommt von mir auch 2013 noch 9 von 10, sich an der Welt für die Ungerechtigkeit rächende Punkte.


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