Graf Orlok (Max Schreck) will ein Haus in London kaufen. Und Hutter (Gustav von Wangenheim) würde ihm ein altes, verfallenes Gebäude – gegenüber seines Hauses – andrehen. Womit Hutter nicht rechnet als er Orlok in dessen Schloss besucht ist, dass dieser sehr großen Gefallen an seiner Frau Ellen (Greta Schröder) findet – und das Haus auch kauft.
Außerdem stellt sich heraus, dass Orlok ein Vampir ist und sich an Hutters Lebenssaft gütlich tut. Und dann macht er sich auf den Weg nach London. Mitsamt Sarg und allem drum und dran.
Und Hutter? Er muss irgendwie entkommen, um seine Frau zu retten …
Es dürfte wohl überall bekannt sein, dass F.W. Murnau eigentlich Bram Stokers Dracula verfilmen wollte, aber die Rechte nicht bekam. Also hat er einfach die Figuren umbenannt und das Ende abgewandelt und eine Figur gestrichen. So einfach ging das damals. Ja, es gab Klagen – gerichtlich meine ich – aber da war „Nosferatu“ bereits Kult geworden. Und es hat gedauert bis sich Francis Ford Coppola Bram Stokers Buch angenommen hat und eine Version der Geschichte gedreht hat, die besser ist als dieser Film hier, auch wenn das Rennen knapp ausgeht.
Ob ich das ernst meine, dass ein Film aus 1922 sogut sein kann als ein Film aus dem Jahr 1992? Nun … ich sage mal so: Ich bin mir sicher, dass man von „Nosferatu“ noch im Jahr 2052 sprechen wird. Ob man sich an „Bram Stokers Dracula“ erinnert weiß ich nicht. Das liegt jetzt natürlich nicht zwingend an der Qualität oder deren Mangel des Films, sondern im geschichtlichen Kontext.
Aber auch ohne das Drumherum – ich bin tatsächlich erstaunt, dass „Nosferatu“ aus 1922 auch bei einer Wiedersichtung (ich habe ihn vor Jahren mal in meiner „Klassiker der Filmgeschichte gucken“-Phase gesehen, da hab ich auch „M“ gesehen oder „Metropolis“) wirklich richtig gut ist. Die Machart ist halt technisch völlig anders als heutzutage.
Der Kameraausschnitt ist im Grunde ein Kreis in der Mitte des Bildes, was bedeutet, dass es eigentlich immer nur eine Sache gibt, die im Mittelpunkt steht. Es gibt keine „Details im Hintergrund“ oder optische Nebenschauplätze gibt – es gibt nur einen Fokus und der ist im Mittelpunkt und am besten beleuchtet. Das führt dazu, dass der Film richtig entspannt anzusehen ist und man nie gestresst ist. Es gibt außerdem keinen Dialog der gesprochen wird – es gibt Texteinblendungen (die teilweise ein wenig zu lange stehen bleiben), was dazu führt, dass jedwede Emotion in den Gesichtern der Personen abgelesen werden muss und das führt zu genialem Overacting und richtig cooler Mimik und Gestik.
Was mir auch aufgefallen ist, wie extrem großartig der Schnitt damals schon war – ich meine Dialoge, Reaction-Shots, Zwischenschnitte, Schuss und Gegenschuss … ich meine, wir reden hier vo 1922(!). Hammer.
Und natürlich – die ikonischen Bilder, die F. W. Murnau auf die Leinwand gezaubert hat. Wer Graf Orlok gesehen hat vergisst ihn nicht wieder. Wer den Schatten über die Treppe raufhuschen sieht (und ihr alle(!) wisst, welches Bild ich meine, oder?), dann sind das großartige Bilder. Oder wenn Orlok ihr Herz stiehlt – Schattenhände, die sich über den Brustkorb schieben, dann eine Faust ballen genau über dem Herz und Ellen, die schmwerzvoll zusammenzuckt. Das sind Bilder – die brauchen keine Erklärung. Die versteht man. Die sind universal. Hammer!
Also entgegen aller Erwartungen hält sich „Nosferatu 1922“ auch heute noch ziemlich gut – wenn man ein wenig neugierig auf Filmgeschichte ist und einen Stummfilm (rein von Orchestermusik begleitet) aushält. Ich kann nur wiederholen: Der Film ist zwar lang und langsam erzählt und es dauert mal ca. 2/3 des Films bis Orlok bei Ellen ist und das Ende geht dann … Sonne – Zack – Aus. Also wirklich rasch und eigentlich ziemlich spannungsarm. Aber er hat immer noch eine morbide Faszination und so viele ikonische Bilder auf einem Haufen in einem Film … das ist schon ein Hammer.
„Nosferatu 1922“ bekommt auch heute von mir noch 9 von 10 möglichen, Filmgeschichte langsame, aber perfekt eingefangene, Punkte.