The Green Knight (Filmkritik)

Gawain (Dev Patel) hat ein Problem. Er ist der Neffe von König Arthur (Sean Harris), aber er hat nichts vorzuweisen. Er darf an der Tafelrunde sitzen, sogar neben dem König, aber er ist noch nicht einmal ein Ritter. Das ändert sich am Weihnachtsabend, als Arthur ihn bittet, ihm eine Geschichte über Tapferkeit zu erzählen, denn Gawain bleibt stumm. Und plötzlich taucht ein Ritter auf, grün, halb Baum, halb Mensch (Ralph Ineson). Er möchte ein Spiel spielen: Es soll einen Zweikampf geben und wenn ihm eine Wunde zugefügt wird, dann trifft man sich in einem Jahr wieder – sein Gegner soll ihn bei der grünen Kapelle aufsuchen – und dort wird der Grüne Ritter seinem Gegenüber die gleiche Wunde zufügen, welche ihm zugefügt wurde.

Gawain wittert seine Chance auf Ruhm und tritt dem Grünen Ritter gegenüber. Arthur leiht ihm sogar sein Schwert. Aber der Grüne Ritter kämpft nicht, stattdessen kniet er sich hin und bietet sein Haupt an. Gawain zögert nicht lange – er enthauptet ihn, der Meinung, dass die Sache damit erledigt sei.

Nur steht der Grüne Ritter wieder auf, schnappt seinen Kopf, lacht – und reitet davon.

Damit ist wohl klar, dass Gawains Tage gezählt sind …

„Sir Gawain und der Grüne Ritter“ ist ein Gedicht aus dem 14 Jahrhundert und erzählt die oben erwähnte Geschichte. Allerdings endet sie anders als der Film hier. Ich habe im Alter zwischen 16 und 25 ziemlich viele Versionen der Artus-Sage und ihrer Ableger bzw. Adaptionen, Ergänzungen und was weiß ich noch alles gelesen, mir auch mehrere Verfilmungen angesehen und – kurz: Das Thema hat mich fasziniert (immer noch die beste visuelle bzw. filmische Umsetzung: „Excalibur“ von John Booman aus 1981). Ich muss gestehen, erst durch diesen Film hier auf das Gedicht „Sir Gawain und der Grüne Ritter“ gestoßen zu sein, war also eher überrascht, dass es da noch Teile bzw. Varianten und Ergänzungen gibt, die ich nicht kannte und vor allem war ich sehr gespannt.

Der Film ist, nun, wie soll ich sagen? … eigen. Er ist langsam. Viele lange Einstellungen. Viele symbolhafte Bilder. Viel Sprünge. Viel Spielereien und traumhafte Momente, in denen nie klar ist, ob das alles wirklich passiert. So verliert Gawain relativ rasch seine wichtigsten Utensilien, weil er überfallen wird (weil er gierig war). Aber nach und nach bekommt er sie auf seiner Reise zurück. Wie diese Utensilien ihren Weg in die Hände derer gekommen sind, die sie ihm dann wieder geben, wird nicht erzählt und erfährt man nie. Manchmal kann man es sich denken, ja, aber es wird im Film per se nicht erwähnt.

Als nächstes kommt, dass die Bildsprache das Wesentliche des Films darstellt. Es wird zwar gesprochen, ja, aber vieles wird nur durch Körperhaltungen oder Gesten oder sogar nur Bildausschnitte gezeigt. Das liest sich jetzt, als würde ich mich beschweren, dass ein Film ein Film ist, aber erstens meine ich das nicht als Beschwerde und zweitens muss man diese Art des Erzählens einfach mögen. Lange Einstellungen. Mindestens zehn Sekunden. Dann wechselt die Person im Bild das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Wieder ein paar Sekunden nichts. Dann vielleicht ein Blick zurück über die Schulter. Dann wieder nach vor. Und dann ein Schnitt.

Klingt langweilig, oder? Ja. Ist es per se auch. Wenn aber diese Sekunden aufgeladen sind mit Bedeutung, weil in diesen Sekunden die Person im Bild eine wichtige Entscheidung treffen muss, dann ist das ganze unheimlich spannend und – bei diesem Film – bedrückend. Da kann der Wechsel des Gewichts von einem Fuß auf den anderen schon mal völlig klar ausdrücken, wie unsicher und zerrissen die Person im Bild ist. Dazu muss man aber „im Film“ und „abgeholt“ worden sein, sonst ist das alles nur banal und langweilig, oder wie ich es hin und wieder nenne „pseudo-wichtiger, bedeutungsschwangerer Arthouse-Mist“. Und ich verstehe jeden, der diesen Film so sieht oder nennt. Absolut.

Die Sache ist nur die: Ich war völlig gefesselt und war die gesamte Zeit völlig gespannt, was noch passieren wird und kann. Und die Szenen, die vor mir abgelaufen sind, wurden selten so aufgelöst, wie ich es erwartet hatte. Ich fand den Film großartig. Optisch, Musik, Kameraarbeit – wow. Und die schauspielerischen Leistungen fand ich ebenfalls wirklich, wirklich gut.

Dev Patel („Slumdog Millionaire„) trägt den gesamten Film spielend auf seinen Schultern. Das ist sowas von weit weg von „Slumdog Millionaire“, dass man gar nicht daran denkt, dass das der gleiche Schauspieler ist. Der Mann macht seine Sache hier fantastisch. Und auch alle anderen Rollen sind perfekt besetzt. Einfach fantastisch. Ich hätte auch Alicia Vikander nicht erkannt. Und Joel Edgerton hat einen Gänsehaut nach der anderen über meinen Rücken gejagt.

Ich kann euch tatsächlich nicht erklären, warum mich der Film so erwischt hat und ich hätte ihn richtig gerne im Kino gesehen. Das muss ein Fest für die Sinne gewesen sein. Die letzten 20 Minuten haben vermutlich mehr Drehtage in Anspruch genommen als die ersten 100 Minuten des Films, weil so viel passiert und so viel reingepackt wurde. Ich habe mich positiv an „Die letzte Versuchung Christi“ erinnert gefühlt, ich denke, da kam die Inspiration auch her. Und dann das Ende. Kurz. Bündig. Passend. Ich musste wider Erwarten breit grinsen.

Nur um sicherzugehen: Ich finde nicht, dass dieser Film gut ist für ein Mainstream-Publikum. Viele werden ihn schlichtweg langweilig finden. Verkopft. Dumm. Siehe weiter oben. Aber wenn der Film euch abholt, dann ist er richtig, richtig gut. Soll heißen: Wenn ihr in einem Stream mal reinguckt und ihr denkt euch nach fünf Minuten immer noch, dass ihr gespannt seid, was das wird und ob da dann mal was kommt, denn mein Tipp: Hört auf mit dem Ansehen. Seid ihr nach fünf Minuten nicht drin, dann kommt ihr nicht mehr rein.

An alle, die reinkommen: Ich wünsche euch viel Vergnügen mit dieser doch etwas irren Erfahrung. Ich fand sie ziemlich gut. Und das Ende … ich grinse immer noch. Es ist wie Sir Gawain: Ihr wisst, womit ihr zu rechnen habt. Es war von Anfang an klar. Und es wurde nie etwas anderes behauptet.

Und ja, das Wortspiel war Absicht.

Wer hätte gedacht, dass der Regisseur vom Remake von „Eliot – das Schmunzelmonster“ (die 2016er Version) so einen Film in sich hat. David Lowery, ich ziehe meinen, imaginären, Hut.

„The Green Knight“ bekommt von mir 9 von 10, bildgewaltige, verwirrende, makabare, aber gleichzeitig mystische und philosophische, Punkte.


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