Best Of Worst Case: Insectula! (Filmkritik)

Aldo „Del“ Delbiondo (Pasquale Pilla) ist Polizeibeamter. Gerade als er seine Freundin einen Heiratsantrag gemacht hat, wird sie beim Schwimmen von „Etwas“ gefressen. Das ruft den Gerichtsmediziner Dr. Kempler (Harrison Matthews) auf den Plan, der im Kopf der Toten einen Embryo findet. Er beschließt also, diesen in seinem Geheimlabor ausbrüten zu lassen. Dann kommt es zu weiteren Toten. Del findet keine Hinweise und gibt sich Todeswünschen und dem Alkohol hin. Bis dann irgendwann Dr. Kemplers Assistentin Brittany (Arielle Cezanne) entdeckt was ihr Boss so treibt und ihm das Handwerk legen will.

Aber da kann es schon zu spät sein, denn das Biest aus der Tiefe ist gewachsen und treibt sich nun in den Wäldern herum, nur um sich dann seine Opfer auch in der Stadt zu suchen. Wer kann es noch aufhalten, da sein Panzer Kugeln aushält und nichts es verletzen kann? Vermutlich nur ein todessüchtiger, trinkender Ex-Polizist, der zu extremen Mitteln greift …

Es kommt ganz ehrlich nicht so oft vor, dass ich nach einem Film da sitze und mir nicht ganz sicher bin, was ich gerade gesehen habe. „Insectula!“ ist allerdings genau so ein Film. Nach Ansicht des Trailers dachte ich, er wäre vermutlich relativ alt und habe dann bemerkt, dass er 2015 gemacht wurde – aber scheinbar bewusst auf alt getrimmt. Da wird der Stil von alten Monsterfilmen in Wort und Ton kopiert. Vermutlich soll es Kunst sein.

Dabei wird gerade in der ersten Hälfte auf handgemachte Effekte gesetzt, die dann auch dementsprechend eklig sind. Wenn man mal in Nahaufnahme sieht, wie ein Gerichtsmediziner einen Kopf zerlegt und unter anderem die Augen rausnimmt, dann haben sich die Leute hinter „Insectula!“ wirklich ins Zeug gelegt, denn auch wenn vielleicht die Menge an ekligen Flüssigkeiten nicht ganz realistisch ist – eklig und grauslich ist es auf jeden Fall.

Der Film selbst ist zu keiner Sekunde auch nur irgendwie ernst gemeint, sondern eine klare Hommage an Filme wie „Formicula“ (im Original: „Them!“) oder „Tarantula“ und hält dabei ziemlich genau das ein, was er verspricht. Einziges Problem, welches ich damit habe: Regisseur und Drehbuchautor Michael Peterson hat dann irgendwann vermutlich Fritz Langs „Metropolis“ gesehen und sich in die symbolischen und künstlich anmutenden Gesten, die beeindruckenden, künstlichen Hintergründe und den schicksalsschwangeren Score verliebt.

Deshalb hat „Insectula!“ vermutlich auch ein paar Passagen, welche – nett formuliert – künstlerisch vermutlich etwas vermitteln wollen und es storytechnisch auch tun, aber auf eine Art und Weise, die einerseits viel zu sehr in die Länge gezogen erscheint und andererseits in ihrer emotionalen Treffsicherheit grobe Mängel aufweisen.

Gemeint sind zum Beispiel Szenen, wie diese: Als „Del“ sich betrinkt und um seine verlorene Liebe trauert. Die Szene erinnert farblich, musikalisch und over-acting-mäßig extrem an einen Stummfilm. Was ich als Idee unglaublich super finde – zumal es wirklich, wirklich extrem gut kopiert ist. Das Problem ist, dass dieses Stilmittel überstrapaziert wird. Beim zweitem Mal war es dann schon nur noch nett („Del“ holt sich Trost bei Prostituierten, die sich dann um ihn streiten – Kissenschlacht, yeah.) und hätte gerne um zwei Drittel kürzer sein dürfen. Und beim dritten Mal (Ich sag nur Zungenpiercing) verstand ich, was mir die Szene sagen sollte, aber die Sache zieht sich dann doch ziemlich.

Positiv ist das perfekte Casting. Da haben wir Del, gespielt von Pasquale Pilla, mit dem unechtesten Schnauzbart überhaupt, der so dermaßen perfekt in diese Rolle und vor allem ART von Film passt, dass man glauben könnte, er wäre dafür geboren. Harrison Matthews spielt Dr. Kempler und wenn der Typ nicht in Wort und Bild und Set-Design der Prototyp eines irren Wissenschaftlers ist, dann weiß ich auch nicht. Inklusive großartiger Betonung beim Sprechen (overacting? Ja. Passend? Aber sowas von). Nicht zu vergessen Arielle Cezanne, die Brittany Sax spielt, die Assistentin des Doktors, die irgendwann die seltsamen Vorgänge entdeckt – ebenfalls: Protoyp(in?). Soll heißen: Hübsch, sexy, klug und sympathisch – und ohne wirklichen Grund (außer: sexy) im letzten Drittel des Films primär in Unterwäsche zu sehen. Weil: Das ist halt so, ne?

Leider geht dem ganzen Film nach ein paar wirklich gelungenen Szenen (Attacke am Wasser und Schlauchboot, etc) ein wenig die Puste aus. Der Ekelfaktor nimmt zum Glück ab (echt jetzt: Das war am Anfang streckenweise schon so, dass ich einfach wegsehen musste, weil so viele Maden und Körperflüssigkeiten und Matsch und die Geräusche dazu … würg), aber die schlechten, kultigen Dialogen nehmen zu.

Klassische Szenen (Prostiutierte wird von Monster entdeckt, flüchtet zum falschen Haus) werden gekonnt auf „alt“ in Szene gesetzt und mit praktischen Effekten (erneut: eklig) überaus gekonnt umgesetzt (etwa wenn Menschen Teil des Nests werden) und es gibt sogar ein paar Schockmomente (im Nest). Solange der Film auf „Kleinstadthorror“ macht und dessen Regeln einerseits zelebriert und gleichzeitig lächerlich macht funktioniert der Film super – wenn man sich auf die Machart einlassen kann und will!

Dann weicht der Kurs/Stil leider ab in Gefilde von „Camel Spiders“ und „2 Lava 2 Lantula“ und das Monster wird mir nichts dir nichts eine globale Bedrohung. Die halbe Stadt wird vernichtet (Stock-Footage von Flammen und Blut) und das Biest ist CGI in Reinkultur (zumindest sieht es so aus und bewegt sich so). Dennoch ist diese Kursänderung von „Arthouse-Hommage-Kleinstadthorror“-Film hin zu Durchschnitts-Asylum-Film extrem schade, da der Film dadurch am Ende einfach austauschbar wird.

In den Augen von 95% der Weltbevölkerung wird „Insecutla!“ ein gigantischer Haufen Mist sein – noch viel viel schlimmer als „Poolboy„. Und es stimmt ja auch. Kein Mensch braucht diesen Film. Allerdings bin ich einfach beeindruckt, ob der Tatsache, dass Michael Peterson es geschafft hat, diesen Film zu drehen und seinen Stil 80% der Zeit lang dermaßen zu halten, dass ich nur respektvoll den Hut ziehen kann.

Was ich übrigens extrem toll finde: Alle Schauspieler*innen sind wirklich völlig normale Menschen, ohne Model-maße oder sowas und dennoch wunderschön. Ich mag es einfach, wenn Menschen in Filmen normal aussehen und nicht künstlich aufgeplusterte vollschlanke Muskelmänner/Wespentaillefrauen sind.

„Insectula!“ bekommt von mir 2 (im positivsten Sinn) von 10 möglichen, praktische Effekte zelebrierende, Punkte. Wenn wir die Minus-Skala noch hätten, dann hätte er -8 bekommen (Hinweis: -10 wäre der perfekte Trashfilm).

Best Of Worst Case-Urteil (Trashfaktor: ALLES):
Nach dem Ende des Films war ich der Meinung einfach nur absoluten Müll gesehen zu haben. So richtigen Müll nämlich. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel er mir. Sicher – „Insectula!“ ist klar nur für eine ganz, ganz kleine, bestimmte und sehr schräge Gruppe von Filmfans gemacht, aber für diese ist er (vom Umschwenk nach zwei Drittel abgesehen) wirklich gelungen. Die Bildkomposition ist streckenweise wirklich grandios geworden. Die praktischen Effekte tun der Seele gut (auch wenn ich mehrmals vor Ekel wegsehen musste), wenn auch klar als solche zu erkennen. Das Casting ist top und als Hommage kann man nur den Hut ziehen, denn das muss man alles mal so hinbekommen.

Fazit: Ist „Insectula!“ ein guter Film? Oh Gott, nein – im Gegenteil. Aber er ist eine erstaunliche Errungenschaft für einen Regisseur, der zum ersten Mal einen Langspielfilm dreht. Mehr für Horrorfilm/Trash-Filmstudenten, die Filme auf der Meta-Ebene gucken als für alle anderen.

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