Abigail (Filmkritik)

In New York City entführen sechs vermummte Verbrecher eine junge Ballerina namens Abigail (Alisha Weir) und bringen sie in ein abgelegenes Gebäude, während sie eine Nacht darauf warten, dass ihr reicher Vater das Lösegeld bezahlt. Dabei ist Frank (Dan Stevens) der Kopf der Truppe und Joey (Melissa Barrera) für die Handhabung der Geisel verantwortlich.

Was zunächst wie eine leicht angespannte aber sonst ereignisarme Nacht beginnt, wird schnell zu einem Alptraum für die sechsköpfige Gruppe, nachdem einer von ihnen tot aufgefunden wird und sich das Gebäude nach einem Fluchtversuch, automatisch hermetisch verriegelt…

Die beiden Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett, sind ein dynamisches Duo nach meinem Geschmack und das auch noch in einem meiner Lieblings-Genres. Kennengelernt habe ich sie mit dem sehr gelungenen Ready Or Not, dann haben sie mit dem fünften und sechsten Teil das Scream-Franchise wiederbelebt und nun melden sie sich zurück mit einem fast schon klassisch anmutenden Vampir-Film, eingehüllt in ein modernes Gewand.

Ich habe dann hier gleich mehrere Dinge, die mir richtig gut gefallen haben, doch eine Sache überragt alle anderen und ist eigentlich eine Kombination von zwei Tatsachen. Wenn du Charaktere so schreiben kannst wie in diesem Fall und dann auch noch Schauspieler findest, die sie in dieser Form zum Leben erwecken, dann hast du eindeutig gewonnen und bist besser aufgestellt von den Grundvoraussetzungen, als zahlreiche andere Filme, egal welchen Genres.

Hier gibt es gleich fünf Figuren, die interessant sind und von denen man gerne mehr gesehen hätte. Die Entdeckung des Filmes ist dabei klar die erst 14 jährige Alisha Weir (Matilda: Das Musical). Vom physischen Aspekt mal abgesehen (dem Tanz und den Stunts, die sie selbst gemacht hat) bringt sie ihre Sprüche plus die passende Gestik so herüber, dass man ihr die Lebenserfahrung über die Jahrhunderte nicht nur abkauft, nein sie strahlt sie förmlich aus.

Dan Stevens (Apostle) als Frank ist zwar ein arroganter und skrupelloser Mistkerl, doch das ändert genau gar nichts daran, dass man ihm einfach in den Interaktionen mit seinem Umfeld gerne zusieht. Kevin Durand (Dangerous) als Peter hat hiermit die Rollenbeschreibung „die liebenswerte Dumpfbacke“ perfektioniert und hat damit die meisten Lacher auf seiner Seite. Kathryn Newton (The Map of Tiny Perfect Things) hat ein paar echte „Scene Stealer“ Momente, wo sie ihre Sammy als eine der witzigsten und ehrlichsten Figuren etabliert.

Melissa Barrera haben die beiden Regisseure bereits bei ihren Scream-Filmen als Leading Lady dabei gehabt und mittlerweile ist sie im Horror-Genre richtig zu Hause und fühlt sich offensichtlich wohl, denn ihre Joey ist schon ein richtig cooles Final Girl. Diese fünf Schauspieler spielen sich dabei gegenseitig in die Hände und stacheln sich so noch mehr zu „all in“ Performances an. Dabei durchleben die Figuren eine Reise, die von der Selbstsicherheit der Anonymität, über erste Verunsicherungen bis hin zur völligen Offenlegung der Geheimnisse und der daraus wiedergewonnen Stärke führt.

Das weitläufige Gebäude ist ein weiterer Hauptdarsteller, der trotz des begrenzten Settings, mit immer neuen Räumen zu überraschen weiß. Was die Brutalität in Form von spritzenden Blut anbelangt, nun da sind sich die Regisseure treu geblieben, denn hier wird literweiße roter Saft auf der Leinwand verteilt. Es ist zwar im Prinzip ein Katz und Maus Setting, doch die Spannung kommt von der im Zuschauer erzeugten Liebe zu den Figuren, weniger von der Atmosphäre an sich, die zwar bedrohlich ist, aber eher im Sinne einer halsbrecherischen Achterbahnfahrt.

In Summe ein wilder Trip, der von Anfang bis Ende vor allem deshalb unterhaltet, weil dir eben die Figuren nicht egal sind und ich muss es noch einmal bringen: das bekommen sie in Hollywood derzeit eher selten hin. Leider haben es Vampir-Filme aktuell finanziell nicht so leicht, denn nach Renfield und The Last Voyage of the Demeter, ist auch Abigail hinter den Erwartungen geblieben, konnte aber zumindest die Kosten wieder einspielen. Schade, denn wer die Regisseure schätzt, der wird auch hier nicht enttäuscht, die beiden können ruhig noch länger Horror-Filme drehen.

„Abigail“ bekommt von mir 8,5/10 über sämtliche Probleme noch einmal „nachtanzen“ müssende Empfehlungspunkte.


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