Mein Leben ohne mich (Filmkritik)

Ann (Sarah Polley) ist glücklich. Ihr Partner (Scott Speedman) liebt sie. Ihre Kinder sind großartig. Ja, sie leben in einem Trailer und es ist nicht immer leicht über die Runden zu kommen, aber alles in allem: Glücklich.

Dann kommt der Bruch: Ann erfährt, dass sie Krebs im Endstadium hat. Keine Heilung möglich. Keine Operation. Sie hat nicht mehr lange zu leben.

Anstatt jedoch in Depressionen zu versinken, beschließt sie, dass sie ihr Leben auf die Reihe kriegen muss. Genau genommen: Sie beschließt, das Leben für eine Zeit nach ihr zu regeln und daneben ein paar Dinge nochmals zu erleben. So will sie jemand dazu bringen, sich in sie zu verlieben und andere Dinge. Außerdem will sie die Weichen stellen für ihren Partner und ihre Kinder, also mehr oder weniger ihrer Nachfolgerin den Weg zu bereiten …

Es gibt Filme, bei denen man erzählt, worum es geht und jene, die die Beschreibung hören, haben ganz eigene Bilder im Kopf. So könnte dieser Film hier ein hartes Hardcore-Drama im Arthouse-Stil sein. Es würde aber vermutlich auch als Komödie funktionieren. Sogar ein Horrorfilm wäre möglich. Die Basis ist also wirklich breit und das Genre … muss eine Entscheidung der Macher:innen sein, in dem Sinn, dass die Vision hinter dem Film sehr klar sein muss, da die Sache sonst nicht funktionieren kann.

Und Isabel Coixet („Das geheime Leben der Worte“, „Paris, je t’aime“), die Regisseurin, die gemeinsam mit Nanci Kincaid auch das Drehbuch verfasst hat, hat die Sache im Griff. „Mein Leben ohne mich“ ist tatsächlich eine absolute Liebeserklärung an das Leben und an die Liebe. Ja, er ist traurig, ja, ihr werdet am Ende mit Sicherheit weinen. Und Ja, er ist lustig, er ist tragisch, aber ist nie schwer oder depressiv oder irgendwie lächerlich.

Und das ist eine ziemliche Leistung, in meinen Augen. Ich meine, lest nochmals, worum es geht. Um diese Story richtig erzählen zu können und die richtigen emotionalen Tasten und Drüsen zu drücken, braucht es ein Casting, welches absolut perfekt sein muss. Und eine Regie, die absolut weiß, wie man das alles ausbalanciert.

Zum Casting: Ja. Das haben sie geschafft. Wer romantische Gefühle für das weibliche Geschlecht hegt, der oder die wird nicht umhin kommen, sich in Ann zu verlieben. Technisch nicht möglich. Ann ist einfach ein wunderbarer, faszinierender, aber auch geerdeter und bodenständiger Charakter. Und Sarah Polley („Das geheime Leben der Worte“, später bzw. neuerdings Regie, zum Beispiel: „An ihrer Seite“ oder „Take This Waltz“ oder „Stories We Tell“) ist perfekt in dieser Rolle. Einfach perfekt.

Gleiches gilt für jedermanns und jederfraus liebster Hulk-Version, Mark Ruffalo, der Lee spielt. Jenen Mann, den Ann dazu bringen will, sich in sie zu verlieben. Und ja, falls ihr vergessen habt, dass Ruffalo tatsächlich ein super Schauspieler ist (und das schon ganz lange), dann guckt euch diesen Film hier an. Dann wisst ihr das wieder. Und sogar Scott Speedmann (den die meisten von uns vermutlich aus den ersten beiden „Underworld“-Filmen kennen) passt hier richtig gut in die Rolle.

Alles in allem ist der Film ein kleines emotionales Meisterwerk, ein Film, der mich bei der Erstsichtung wirklich und ehrlich zu Tränen gerührt hat. Gerade die letzte Einstellung des Films – und hier kommt die Regie ins Spiel, die wirklich gut ist – ist quasi perfekt. Tatsächlich perfekt. Ein Blick durch die Augen von Ann, die sich in ihre Schlafkammer zurückgezogen hat, vermutlich zum Sterben, und was sie sieht, nun, ich sage mal so: Es hat mir ein (trotz der Tränen) ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Um die Sache zusammenzufassen: Wer einen ernsten, zwar traurigen, aber wundervollen, lebensbejahenden Film sehen will, der muss sich „Mein Leben ohne mich“ ansehen. Großartig. Immer wieder.

„Mein Leben ohne mich“ bekommt von mir 9,5 von 10, alle richtigen Register ziehende, Punkte.


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