Bone Tomahawk (Filmkritik)

Wir befinden uns ungefähr im Jahr 1890. Zwei Räuber töten ein paar Reisende und stehlen ihr Hab und Gut. Durch Geräusche aufgeschreckt, nehmen sie eine verstecktere Route durch das Tal. Dabei betreten sie unabsichtlich den Friedhof von einem abgeschieden lebenden Stamm, bestehend aus wilden Indianer-Kannibalen. Sie töten einen der Diebe, der andere kann gerade noch flüchten.

Doch die Indianer haben den zweiten Störenfried nicht vergessen, folgen ihm in die kleine Stadt Bright Hope und entführen ihn, die Ärztin der Stadt und den Deputy. Daraufhin machen sich Sheriff Hunt (Kurt Russell) und der alte Ersatz-Deputy Chicory (Richard Jenkins) gemeinsam mit Brooder (Matthew Fox), der schon zahlreiche Indianer getötet hat und dem verletzten Arthur (Patrick Wilson), der seine Frau Doktor retten will, auf, zu einer waghalsigen Rettungsaktion.

Bone Tomahawk

Regisseur S. Craig Zahler, sollte man in Zukunft unbedingt im Auge behalten. Nicht dass sein Film, bei dem er auch für das Drehbuch und den starken Titelsong verantwortlich war, perfekt ist, aber für ein Erstlingswerk ist das Gesamtergebnis doch ziemlich beeindruckend. Gedreht wurde nur drei Wochen lang in Malibu und die Kosten betrugen für Hollywood lächerliche 1,8 Millionen Dollar. Nach der Weltpremiere am Fantastic Fest im September 2015, kommt der Western nun auch bei uns als DVD-Premiere heraus, wohl um vom gleichzeitig im Kino startenden „The Hateful Eight“ zu profitieren, der ja ebenfalls (einen optisch sehr ähnlich auftretenden) Kurt Russell dabei hat und aus dem selben Genre stammt.

Was ich gleich zu Beginn anbringen kann – sozusagen als objektive Wahrheit – ist dass dieses Abenteuer sicherlich nicht darauf ausgelegt ist, die breite Masse zu unterhalten. Sowohl die explizit gezeigte Gewalt als auch die langsame Erzählweise, sind für ein junges Publikum ungeeignet. Nach einem unheimlich starken Einstieg, bei dem man das Blut förmlich von der Leinwand riechen kann, wird die Handlung rund um die vier Hauptfiguren etabliert. Insgesamt dauert der Film ja circa 130 Minuten, wobei je gute 40 Minuten für die drei Parts benötigt werden, in die man den Film sehr schön teilen kann.

Der Aufbau der Grundsituation und die Widrigkeiten der Reise, bei diesen ersten zwei Dritteln hätte man bestimmt die eine oder andere Szene weglassen können. Alles würde dann kompakter erscheinen und das Erzählte insgesamt, würde sich wohl homogener anfühlen. Dafür würde man aber die Dialoge verpassen, die die Charaktere individueller und lebendiger gestalten und der bedrohlichen Grundatmosphäre weniger Zeit geben, sich voll und ganz zu entfalten. Soll heißen: kürzer wäre sicher möglich gewesen, vielleicht streckenweise sogar gut, aber es gibt auch klar Argumente für die gewählte längere Variante.

Was dann im letzten Drittel abläuft, ist klar kein Western mehr, dann regiert nämlich der blanke Horror. Wie unmittelbar und roh die Gewalt dann eskaliert und wie selbstverständlich man als Kannibale einen Menschen schlachten kann, das verlangt schon starke Nerven vom Zuseher und einen noch stärkeren Magen. Neben ihren Taten sind es vor allem die Geräusche, mit denen die Indianer miteinander kommunizieren (mittels in den Hals implantierten „Pfeifen“), die sie anders, gefährlich und irgendwie auch dämonisch erscheinen lassen. Toll vom Design her und erbarmungslos effektiv bei der Beschaffung von Menschenfleisch, diesen Kerlen möchte wirklich niemand begegnen (mal ganz abgesehen davon, was die mit ihren Frauen aufführen, hier reicht nur eine einige Sekunden lange Szene, bei der ich nur ungläubig den Kopf schütteln konnte).

Kurt Russell (The Art of the Steal) als Sheriff ist abgebrüht, er strahlt eine gewisse Erfahrung aus, er nimmt seinen Job und seine damit verbundenen Pflichten sehr ernst. Er erwartet nicht immer nur das Schlechteste von seinen Mitmenschen, er ist aber immer darauf vorbereitet. Vor allem sein Zusammenspiel mit Richard Jenkins (Let Me In), der wirklich überzeugend und liebenswert den älteren, ständig zuviel redenden und auch unpassende Fragen stellenden Hilfs-Deputy spielt, regt zum Schmunzeln an und zum Finale hin, spenden ihre Gespräche dann auch Momente voll mit bitter nötiger Hoffnung.

Matthew Fox (Extinction) als eiskalter und arroganter „Indianer-Killer“ Brooder, hat zwar zunächst nur wenig Sympathien auf seiner Seite, er schafft es aber im weiteren Verlauf, dass man seine Figur zumindest besser verstehen kann. Ein interessanter Typ auf jeden Fall, ganz im Gegensatz zu dem von Patrick Wilson (Stretch) verkörperten Arthur, der zunächst nur unter seinem verletzten Fuss leidet und daher seine Frau seine schlechte Laune zu spüren bekommt. Er zögert jedoch keine Sekunde, wenn es darum geht sie zu retten und wächst auch vor allem gegen Ende, nicht zuletzt auf Grund seines starken Willens, über sich hinaus.

Insgesamt ein sehr realistisch anmutendes Erlebnis, mit einigen perfekt inszenierten Sequenzen, mit starken Darstellern und ein paar der brutalsten Szenen, die ich jemals in einem Western gesehen habe. Sicherlich leicht angreifbar – egal ob nun für den langen, langsamen Aufbau oder das blutrünstige Finale – doch als Gesamtpaket einfach intensiv, konsequent und für mich auch klar aus dem Einheitsbrei herausragend. Mister S. Craig Zahler, ich bin sehr gespannt auf ihren nächsten Film!

„Bone Tomahawk“ bekommt von mir 7,5/10 die Höhle der hungrigen Löwen, auf eigene Gefahr betretende Empfehlungspunkte.

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