Becca (Olivia DeJonge) und Tyler (Ed Oxenbould) haben ihre Großeltern noch nie kennen gelernt, da sich ihre Mutter mit ihnen zerstritten hat und damals abgehauen ist. Jetzt ist es aber soweit, dass die beiden Kinder diese gern kennenlernen würden und vor allem Becca, die mal Filmregisseurin werden möchte, ist ganz erpicht darauf, diese Chance zu nutzen und alles auf Video festzuhalten. Da ihre Mom (Kathryn Hahn) das Trauma noch nicht ganz aufgearbeitet hat, sieht Becca die Chance, durch diesen Besuch alte Wunden zu heilen. Auch (rappende) Tyler ist von der Aussicht, seine Großeltern kennenzulernen ganz angetan.
Also fahren die beiden auf einen längeren Besuch, während ihre Mutter in Urlaub fährt. Alles ist soweit in Ordnung. Die beiden Kinder werden liebevoll empfangen, aber langsam schleicht sich ein mulmiges Gefühl ein, denn Oma (Deanna Dunagan) und Opa (Peter McRobbie) verhalten sich manchmal mehr als nur ein bisschen merkwürdig …
Alle hatten ihn bereits abgeschrieben und nach seinen viel zitierten Meisterwerken „The Sixth Sense“, „Unbreakable“ und sogar „Signs“ wurde es zuerst verdächtig ruhig („The Village“) um ihn, nur um danach in laute Buhrufe überzugehen („Lady In The Water“, „After Earth„, „The Last Airbender„). Sogar die nur von ihm produzierten Filme („Devil“) fanden nicht allzu viel Anklang. Was ich immer schon Schade fand. Sicher – nach „The Village“ war auch ich ein wenig frustriert, da ich mir vom Marketing her einen Horrorfilm erwartet hatte – was der Film klar nicht ist. Hätte ich mich auf einen Liebesfilm eingestellt, wäre ich vermutlich begeistert gewesen. „After Earth“ habe ich nicht gesehen (Jaden Smith? Nein, danke), aber „The Last Airbender“ fand ich als Nicht-Fan der Serie sehr gut gemacht und unterhaltsam, beziehungsweise halte ich „Lady In The Water“ für ein Wohlfühl-Juwel von einem Film. Ja, ich fand sogar „The Happening“ super und die „Mark Wahlberg spricht mit einer Pflanze“-Szene fand ich im Kontext des Films sehr passend und auch witzig. Aber „M. Night Shyamalan“-Bashing, denn von niemand anderem rede ich, ist ja sozusagen das Gegenstück zum „Electronic Arts Bashing“ in der Videospielbranche.
Umso erfreuter war ich, als ich den Trailer zu „The Visit“ zu sehen bekam, denn ich wusste, dass ich wieder einen Film zu sehen bekommen würde, der mich vielleicht nicht vom Hocker haut, aber doch gut unterhalten wird. Und ich wurde nicht enttäuscht. Dabei ist „The Visit“ eine Abkehr von der alten Formel des Regisseurs, denn hier handelt es sich in erster Linie um ein Drama und noch dazu eines, das im Handheld-Found-Footage-Wackelkamera-Format gedreht wurde. Ich bin bei „Found Footage“ ja immer skeptisch, aber „The Visit“ ist von A bis Z so gut durchkomponiert, dass mir das kein einziges Mal negativ aufgefallen ist. Im Gegenteil: Durch den „Trick“, das Becca ja Regisseurin werden will, gelingt es fein komponierte Bilder in den Film einzubauen und sie dennoch „natürlich“ wirken zu lassen. Vom besten Einsatz eines (verpatzen) Zooms/Close-Up will jetzt mal gar nicht sprechen. Eine sehr berührende Szene.
Wie bereits angedeutet, hat mir „The Visit“ sehr viel Spaß gemacht, da die Schauspielriege durch die Bank großartige Arbeit leistet. Die beiden Kinder nerven nicht (nur Tylers Rap-Einlagen sind nicht so das meine, aber das ist ein Problem, das ich persönlich mit Rap habe) sondern sind wirklich liebenswert und haben auch nachvollziehbare Motivationen und Verhaltensweisen. Finde ich super. Die Show stiehlt allerdings Deanna Gunagan als Großmutter, die wirklich viele Facetten zum Arbeiten hat und – hui – die Frau kann ganz schön unheimlich werden.
Generell handelt es ich um einen Film der „kleinen“ Szenen mit großer Wirkung. Wenn hier Opa das Gewehr putzt und Tyler ihn dabei überrascht, dann hat man schon ein komisches Gefühl. Und der Blick mit dem Opa ihm dann versichert, dass er es „nur putzen“ wollte, baut dieses Gefühl noch weiter aus. Oder als Oma ihre Enkelin Becca fragt, ob sie nicht den Ofen putzen will … natürlich werden da sofort Gedanken und Parallelen an „Hänsel und Gretel“ wach, die einen spannend darauf warten lassen, was nun passieren wird. Die Frage, ob im Haus etwas Übernatürliches vorgeht oder doch etwas eher Banales steht die ganze Zeit über im Raum und die kleinen mysteriösen und bedrohlichen Geheimnisse, die von Becca und Tyler nach und nach aufgedeckt werden, sind auch immer haarscharf an der Kante des Glaubwürdigen. Und zwar im Sinne von „Okay, was Opa (oder Oma) hier erzählt ist glaubwürdig. Es ist logisch.“ und dennoch bleibt der Zweifel ob nicht doch etwas anderes dahinter steckt.
Die große Frage bei einem Film von Shyamalan ist und war jahrelang: Gibt es einen Twist. Ja. Natürlich gibt es auch hier einen Twist, aber so funktionieren Thriller nunmal und es ist ein – wie ich finde – sehr passender, konsequenter Twist. War „The Village“ sehr konstruiert, so fühlt sich alles bei „The Visit“ sehr organisch an. Vielleicht ist das Ende manchen Leuten zu banal und zu einfach, aber für mich war es tatsächlich super passend. Einziger Kritikpunkt: Die Action gegen Ende war nicht unbedingt so richtig glaubwürdig, aber da Shyamalan hier sehr oft die goldene Mitte zwischen Komödie, Drama und Horrorthriller trifft, passt das eigentlich ganz gut ins Bild.
„The Visit“ schlägt weit näher an „Devil“ als an die anderen Filme von M. Night Shyamalan, aber das tut dem Film gut. Genauso wie es dem Regisseur scheinbar gut getan hat (in kreativer Hinsicht), wieder einmal einen kleineren Film zu machen.
Alles in allem: Welcome back, Mr. Shayamalan! I missed you.
„The Visit“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, sich bitte an Oma und Opas Regeln haltende, Punkte.
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