Les Misérables (Filmkritik)

Sträfling Jean Valjean (Hugh Jackman) sitzt seit beinahe 20 Jahren im Gefängnis, weil er einen Laib Brot für seine hungernde Familie stahl. Als er auf Bewährung freigelassen wird, hat er nicht wirklich die Chance ein neues, unbeschwertes Leben zu beginnen, denn der unerbitterliche Inspektor Javert (Russell Crowe) wartet nur auf einen Fehltritt Valjeans und lauert auf eine Chance, diesen wieder ins Gefängnis zu stecken. Um seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, taucht der ehemalige Sträfling unter und nimmt eine neue Identität an. Doch Javert ist weiterhin hinter ihm her. Und während sich Valjean um die in ärmlichen Verhältnissen lebende Fantine (Anne Hathaway) annimmt, kommt es auf den Straßen Frankreichs zu einer Revolution…

Les-Misérables

„Les Misérables“ ist wohl eines der bekanntesten Werke der französischen Literatur. 1862 von Victor Hugo geschrieben, erzählt es von einem großen Abenteuer und der ebenso großen Liebe. Diese Geschichte wurde schon fast 50 Mal verfilmt und hatte einen Auftritt in einem von Disneys Lustigen Taschenbüchern. Was macht also dieses „Les Misérables“ so anders als die anderen Adaptionen? Ganz einfach, diesmal diente der Roman nur indirekt als Vorlage, sondern vielmehr diente das Musical als Ausgangsmaterial, das auf dem berühmten Roman basiert. Das Musical von Claude-Michel Schönberg (Musik) und Alain Boublil (Libretto) wurde 1980 in Paris uraufgeführt. Ursprünglich in Französisch, wurde das Bühnenstück in Englisch, Deutsch und sogar Hebräisch übersetzt. Nach dem umfassenden Erfolg auf den Bühnen dieser Welt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Musical nun den Sprung auf die Leinwand geschafft hat.

Regie führte Tom Hooper („The King’s Speech„), der die Handlung des Musicals mehr oder weniger ungekürzt übernahm und so Fans des Originals zufriedenstellen dürfte. Über 3 Stunden wird durchgehend gesungen (vielleicht 5 Minuten werden gesprochen) und das von größtenteils guter Qualität. Hooper entschied sich dafür, seine Schauspieler live singen zu lassen, wobei sie mit einem Earpiece die Melodie ins Ohr gespielt bekamen. Durch das Zusammenspiel von Bild und Ton bekommen einige Musik-Stücke eine extreme emotionale Tiefe, während man bei anderen schon mal einige stimmliche Mankos heraus hört.

Am meisten bleibt wohl Anne Hathaways „I dreamed a dream“ in Erinnerung, denn neben einer berührenden Gesangsdarbietung lässt Hooper seine Schauspielerin in einer einzigen Großaufnahme verdienterweise im Mittelpunkt stehen. Die Kulissen und die Kostüme sind optisch schön anzusehen, aber der Stoff ist derart verdichtet, dass es an manchen Stellen schwer ist, der Handlung zu folgen, oder Beweggründe von manchen Charakteren zu verstehen. Zum Beispiel wird es nie wirklich deutlich warum Inspektor Javert (Russel Crowe) einen solchen Hass auf Valjean hat. Insgesamt 50 Lieder ließen mich darauf hoffen, dass mal ein wenig gesprochener Dialog stattfindet, vor allem weil die Musik-Stück teilweise so ähnlich klingen, dass sie miteinander verschwimmen und schließlich wie ein fast drei Stunden langes Lied wirken.

Hugh Jackman („Wolverine„) als Sträfling Jean Valjean, der beinahe 20 Jahre als Gefangener 24601 überlebte, war darstellerisch zwar top, doch im Laufe des Films mochte ich langsam aber sicher seine Stimme nicht mehr hören. Er bringt Emotionen glaubhaft und mitreißend auf die Leinwand, ich persönlich kann mich halt nicht mit seiner Stimme anfreunden.

Russel Crowe („Der Mann der niemals lebte„) als Inspektor Javert hatte es schwer, sich stimmlich gegen den erfahrenen Musical-Darsteller Jackman zu behaupten, doch auch wenn seiner Stimme der Schliff eines ausgebildeten Sängers fehlt, fiel er auf keinen Fall unangenehm auf. Vor allem in seiner letzten Szene, in der er einen inneren Monolog singt, brilliert er.

Anne Hathaway („The Dark Knight Rises„) als Fantine gleitet unverschuldet in ein Leben als Prostituierte ab und hier kann man gar nicht anders als mit Hathaway mitzuleiden. Als sie in ihrer Not ihre Haare, ihre Zähne und schließlich ihren Köper verkauft und schließlich „I dreamed a dream“ singt, hat dies die bereits erwähnte emotionale Tiefe, die mich zu Tränen rührte und in mir dem Wunsch weckte, den Soundtrack oder zumindest dieses Lied käuflich zu erwerben.

Sacha Baron Cohen („Der Diktator„) und Helena Bonham Carter („The King’s Speech„) spielen die anfänglichen Zieheltern von Cosette und das derart überzeichnet, dass es an manchen Stellen ins Lächerliche abzugleiten droht. Isabelle Allen als junge Cosette und Daniel Huttlestone als Straßenjunge Gavroche überzeugen ebenso stimmlich wie Amanda Seyfried („In Time„) und Eddie Redmayne („My Week With Marilyn„). Weiters erwähnenswert ist Samantha Barks. Die zierliche Schauspielerin die mit „Les Misérables“ ihr Leinwanddebüt feierte und mit einer gewaltigen Stimme eine Wohltat für Augen und Ohren ist.

Fazit: Ohrwürmer und perfekte Austattung und Kostüme können nicht über einige erzählerische und inszenatorische Schwächen hinwegtäuschen.

„Les Misérables“ bekommt von mir 6,5/10 nur an wenigen Stellen miserablen Punkten


4 thoughts on “Les Misérables (Filmkritik)

  1. Schön, dass du den Film schon sehen konntest 🙂 Freu mich drauf und steh damit etwas allein, weil die meisten meiner Kolleginnen Musicalhasser sind xD.
    3 Stunden und fast nur Gesang? Hoffentlich zeigt den eins unserer Rentnerkinos im Original mit Untertiteln, irks (:

  2. Ich durfte den Film auch schon sehen. Da ich schon 13 x die Bühnenfassungen (Duisburg, Berlin und London) gesehen habe, bin ich schon extrem enttäuscht. Bisher hatte ich bei den Live-Aufführungen sicher auch nicht immer das Glück die Erstbesetzung zu sehen. Einen Javert wie Russell Crowe würde man sicher (in Anbetracht der Musical-Kartenpreise) nicht mal als Drittbesetzung auf eine Bühne stellen. Spätestens bei dem Titel ´Stars` hätte man ihn sicher ausgepfiffen. Dies war für mich die peinlichste Stelle im ganzen Film. Wäre das nicht eines meiner Lieblingsmusicals, hätte ich mir den Rest sicher nicht mehr angetan. Aber ich war dann doch zu gespannt wie es weiter geht.

    Für mich fehlt auch viel vom Gänsehautfeeling, der Dramatik und dem Humor. Sacha Baron Cohen ist sicher halbwegs o.K. Aber Madame Thenardier kenne ich bisher immer nur als sehr dicke, extrem hässliche Wirtsfrau, welche allein schon mit ihrer Mimik das Publikum zum lachen bringt (man braucht sich z.B. nur auf Google die Bilder von einigen Thenardiers anzuschauen). Das hier ist die absolute Fehlbesetzung, d.h. weder hässlich und schon gar nicht komisch ….gähn. Viele Szenen, bei denen ich auch sonst jedes mal wieder zum Taschentuch greife, sind ebenfalls erschreckend öde. Wenn Marius z.B. den Verlust all seiner Freunde besingt, ist das hier im Film halt nichts anders, als ein Mann der an einem Tisch sitzt und (durchschnittlich) singt. Auf der Musicalbühne sitzt er ganz alleine im Wirtshaus und alle seine toten Freunde, inklusive dem kleinen Gavroche erscheinen noch einmal im Hintergrund. Die dramatische Szene inklusive der schönen Musik (wo das erste Opfer der Barrikadenkämpfe besungen wird) direkt nach dem Tod von Eponine fehlt ebenso wie der Tanz der Thenardiers auf der Hochzeit von Marius und Cosette. Einige Lieder (z.B. Weiter) sind extrem gekürzt.

    Gut, man darf sicher auch nicht so kritisch ran gehen. Es ist halt kein Film mit ausgebildeten Musicaldarstellern, sondern mit singenden Schauspielern, welche zugegeben auch besser singen, als ich anfangs gedacht hätte. Ich persönlich hätte einen Live-Mitschnitt der Londoner Aufführung besser gefunden.

    Aber es muss ja auch noch einen Grund geben, deutlich mehr Kohle für eine Musicalkarte auszugeben. Da hält mich der Film jedenfalls nicht von ab…

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