Orphan (Filmkritik)

John (Peter Sarsgaard) und Kate (Vera Farmiga) haben vor kurzem ihren 9jährigen Sohn verloren. Um über ihre Trauer hinwegzukommen, beschließen sie, ein Kind zu adoptiern. Beim Besuch im Waisenhaus lernen die beiden Esther (Isabelle Fuhrmann) kennen und diese ist anders als alle anderen Kinder. Erwachsener, seriöser, fokussierter und – faszinierend. Wohlerzogen. Einfach ein liebes Kind, wenn auch klar ein wenig … anders.

Also wird Esther in die Familie aufgenommen und willkommen geheißen. Zumindest von der jüngsten Tochter der beiden, Max (Aryana Engineer), die gehörlos ist und nicht sprechen kann. Daniel (Jimmy Bennett), der mittlere Bruder mag Esther nicht und benimmt sich ihr gegenüber feindselig.

Nach und nach stellt sich heraus, dass Esther vielleicht nicht das unschuldige Kind ist, das sie vorgibt zu sein. Aber alle Versuche von Kate, dies ihrem Mann klar zu machen, führen dazu, dass die alten Probleme in ihrer Beziehung neue Wunden reißen … Kate kann gar nicht gewinnen.

Natürlich ist die Geschichte rund um eine Waise, die ins Leben von neuen Eltern einzieht und dort für Probleme sorgt, nicht neu. Das gibt es bereits in diversen Ausformungen und auch in diversen anderen Kombinationen. Auch der Aufbau vom Drehbuch – langsam passieren kleine Dinge, die man sich nicht erklären kann, eine Person versteht was los ist, aber niemand glaubt ihr – all das war schon mehrmals in Filmen da. Also nichts Neues, sozusagen.

Tja. Aber so funktioniert dieser Film nicht. Ich meine, ja, er funktioniert. Und zwar genauso, wie man es sich erwartet, aber anstatt gähnend einzupennen, sitzt man gespannt da und wartet, was als nächstes passieren wird. Ich meine – man weiß(!) wie es endet. Man weiß(!), dass mit Esther etwas nicht stimmt (immerhin ist das die Tagline des Films). Man weiß(!), dass die Sache noch ziemlich haarig für Kate und John wird – und dennoch sitzt man da und die Spannung steigt und steigt und steigt.

Der Grund dafür ist meiner Ansicht nach die wirklich geniale Performance von Isabelle Fuhrmann als Esther, als auch von allen rundherum Beteiligten. Peter Sarsgaard ist einfach nur super und sympatisch und bemüht und man mag den Kerl einfach. Vera Farmiga ist sympathisch, nett und – klug genug, zu entdecken, dass da etwas geschieht, was nicht geschehen soll. Gleichzeitig aber so in der Aufarbeitung und Bewältigung ihres Traumas gefangen, dass ihr niemand glaubt, was sie bemerkt hat. Und das treibt sie in den Wahnsinn – perfekt gespielt.

Das wahre Highlight ist aber Isabelle Fuhrmann, die Esther absolut liebenswürdig und freundlich und zuvorkommend spielt, bis sie es eben – teilweise innerhalb von Sekundenbruchteilen – nicht mehr ist. Und die beiden Kinderdarsteller Jeremy Bennett (als Daniel) und Aryana Engineer (als gehörlose und sprachlose Max) sind ebenso großartig. Sicher, sie verblassen ein wenig vor Isabelle Fuhrmann, aber Max – sie ist halt trotzdem das Herz des Films.

Und auch wenn die Drehbuchautoren Alex Mace und David Leslie Johnson alle bekannten Register ziehen, so lassen sie Esther dennoch sehr genau hinschauen, wie sie Dinge tun kann, ohne dabei auch nur im Ansatz in Verdacht zu geraten. Sie weiß sehr genau bei wem sie wann welche Knöpfe drücken kann und muss – und das nutzt sie perfekt aus.

Als am Ende rauskommt, was wirklich dahinter steckt – und ich bin so froh, dass wir hier keinen Dämonen oder irgendwas ähnliches vor uns haben, sondern völlig klar eine menschliche Person – bin ich mit offenem Mund dagesessen. Zum Teil, weil ich nicht wusste, dass es so etwas gibt. Zum Teil weil Charaktere im Film das Leben lassen bei denen ich einfach nicht damit gerechnet hätte. Und zum anderen, weil mir plötzlich klar wurde, die sehr sich der Film an die Konventionen und Regeln hält und es trotzdem schafft spannend und unterhaltsam zu sein.

Hut ab vor Jaume Collet-Serra, der hier die Regie über hatte. Mit „House Of Wax“ (Remake) hat er bereits Erfahrung im Gore gesammelt, aber hier – das hier ist ein völlig anderes (und weit besseres) Kaliber. Den Supsense hat er gut gelernt, wie es scheint, hat er doch auch bei dem Nachfolgeprojekt „The Shallows“ aus einer einfach Prämisse einen spannenden Film gezaubert.

„Orphan“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, trotz alter Regeln neue Spannung erzeugende, Punkte.

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