Kill List (Filmkritik)

Nachdem er einen Anschlag versaut hat, geht Auftragskiller Jay (Neil Maskell) nicht mehr „zur Arbeit“, sondern gönnt sich ein Jahr lang eine Pause. Zurück aus dem „Ruhestand“ kommt er eigentlich nur aus einem einzigen Grund: Das Geld ist alle und irgendjemand muss schließlich seine Frau (MyAnna Buring) und seinen Sohn ernähren. Also trifft er sich mit seinem alten Kumpel Sam (Harry Simpson) und sie nehmen einen neuen, scheinbar leichten Auftrag an.

Aber bereits der Einstieg erweist sich als seltsam, da der Auftrag mit Blut unterzeichnet wird, das erste Opfer ein Priester ist, der sich für seine Ermordung bedankt und die seltsamen Dinge, die da vor sich gehen, sich immer mehr zu einem großen Ganzen vernetzen …

Kill-List

… dass mich dann auf ganzer Linie enttäuscht hat. Zwar nicht die Auflösung an sich – auf die steuert der Film schon ab gut der Mitte hin zu – sondern die Abruptheit, mit der der Film endet. In einer Sekunde ist man emotional noch mitten im Film und – zack. Abspann. Mir hat da einfach ein wenig Nachklang gefehlt.

Aber vielleicht einen Schritt retour.

„Kill List“ beginnt eigentlich als Familiendrama – die ersten Szenen zeigen Jay und seine seine Frau Shel, die sich gegenseitig anschreien und streiten – es geht um Geld. Und je länger wir zusehen, desto mehr fragen wir uns, was die beiden für einen Knall haben. Sind das Psychopathen, oder was läuft hier ab? Dann kriegen sie Besuch. Ein befreundetes Pärchen – Jays alter Killer-Kumpel Sam und seine Freundin – kommen zum Abendessen. Ein sehr netter Abend, der eskaliert – und nur durch Sams beherztes Eingreifen noch gerettet wird.

Bis hierhin ist der Film toll. Leider muss ich gleich anmerken, dass ihr – wenn ihr diese Zeilen bis hierhin gelesen habt – euch schon viel vom Spaß des Films geraubt habt, denn gerade das Nicht-Wissen, wie diese Szenen denn bitte in den „Auftragskillerfilm“ passen sollen, macht sie so toll, da man sich vorkommt wie im falschen Film – aber dann kippt die Handlung. Weg von der Familie, hin zur Arbeit – und gegen Ende macht es sehr viel Sinn, den Film genauso zu beginnen.

Die Spannungsschraube zieht an, die beiden Killer sind Profis und kaltblütig, der erste Mord ist Routine, der zweite wird plötzlich persönlich und der dritte zum Albtraum. Der Film geht mit jeder Minute weiter in Richtung Wahnsinn und stellt immerzu neue Fragen, die sich aus den Informationen, die wir Zuseher haben, auch nicht beantworten lassen: Was sind die Zeichen an der Wand? Warum die Blutunterschrift? Warum bedanken sich die Opfer für ihre Ermordung? Wer sind die Auftraggeber? Und warum, verdammt nochmal, bricht bei Jay jeden Tag mehr unnötige Brutalität durch?

Stichtwort Brutalität – der Film an sich ist bis auf zwei Szenen sehr genügsam – Gewalt wird angedeutet, aber eben nur zwei Mal richtig gezeigt. An diesen Stellen dann aber dafür umso heftiger – was ich super finde, aus dem Grund heraus, dass wir – genauso wie Jays Kumpel Sam – vor den Kopf gestossen sind. Und als Sam danach Jay mit dieser Tatsache konfrontiert, stellt er genau die Frage(n), die wir als Zuseher uns auch stellen: „What the fuck is wrong with you?!“ Und Jay gibt eine dermaßen beschissene Antwort, dass wir – ebenfalls wie Sam – eigentlich nur noch sehen wollen, wer das dritte Opfer ist und uns dann von diesem A**ch abwenden wollen.

Und das ist Punkt, an dem sich viele Leute mit dem Film schwer tun werden, dann bei Opfer Nummer drei dreht der Film in eine „Horror-Sekte zieht mit Fackeln durch den Wald und trägt Masken und ist nackig und offenbar total böse“-Ecke ab.

Es gibt noch eine Schießerei und ein bitterböses – vorhersehbares – Ende und – wie gesagt: Zack. Aus. Der/Die Zuseher werden mit mehr Fragen als Antworten belohnt. Sicher macht alles irgendwie Sinn, irgendwie aber auch nicht. Und irgendwie interessiert es mich eine Stunde nach Ansehen des Films auch schon nicht mehr. Sicher wird es Leute geben, die den Film analysieren werden, x Mal ansehen und dann die Punkte verbinden und mir vermutlich genau sagen können, welche Millisekunde in welcher Szene sich auf die Interpretation des Endes auswirkt (gabs bei „Inception“ ja auch die Leute) – aber ehrlich gesagt: Es ist ein Film. Über einen Killer. Über eine Sekte. Da will ich unterhalten werden und mir nicht zusammensuchen müssen, was passiert ist, zumal ich nicht glaube, dass mein Leben eine drastische Wendung durch das Verständnis der Handlung erfahren würde.

Kurz: Wer den Film einfach nehmen kann wie er ist und die – ich nenne es mal Handlungslücken – ignorieren kann, der oder die wird mit „Kill List“ sicher viel Spaß haben, zumal der Film über lange Strecken wirklich super ist.

Neil Maskell (Basic Instinct 2, Atonement) spielt seine Rolle verdammt sauber und glaubwürdig, MyAnna Buring (coolster Vornamme überhaupt!, The Descent 1 + 2, Doomsday) und Harry Simpson spielen ebenso verdammt gut und gerade letzt genannter ist ein sehr sympathischer Kerl. Von MyAnna Buring wird man in Kürze in „Breaking Dawn Teil 2“ noch mehr sehen (auch wenn ich mir den nicht geben werde, hoffe ich trotzdem, die Frau öfter auf der Leinwand zu sehen). Ihr glaubt man die toughe Ehefrau genauso ab, wie ihre verletzliche Seite (nach dem Streit und der Aussprache mit einer „Freundin“ sagt sie: „He was the one, you know.“ Freundin (erleichtert lächelnd, dass sie endlich aufhört über den Streit zu sprechen): „The love of your life?“ Shel: „No. The one who started the fight“).

Um es kurz zu machen: „Kill List“ lebt von seinen Darstellern, dem cleveren Schnitten, dem Spannungsaufbau, der eine grenzgeniale Auflösung verspricht, die einen von den Socken haut – die Autor und Regisseur Ben Wheatley aber letztlich nicht einlösen kann. Bis man diese Erkenntnis hat und sich damit abfindet wird man über weite Strecken jedoch gut unterhalten.

„Kill List“ bekommt von mir 8/10 auf den Putz hauenden und langsam durchdrehenden Punkten.


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