Ben X (Filmkritik)

Ben (Greg Timmermans) ist Autist. Das macht den Schulbesuch leider im besten Fall zu einer Herausforderung und im schlimmsten Fall zu einer persönlichen Hölle. Für Ben ist es leider das letztere, denn seine Schulkollegen machen sich über ihn lustig, spotten über ihn und spielen ihm sogar ziemlich bösartige Streiche.

Deshalb flüchtet Ben in eine Online-Welt. Er ist Zauberer und dort hat er Freunde. Allen voran ein Mädchen namens Scarlite (Laura Verlinden), das im Spiel seine Heilerin ist.

Als sich Ben nicht mehr anders zu helfen weiß, baut er sich eine kleine Armbrust, um sich in der Schule zu wehren. Natürlich geht es schief und Ben wird als Sündenbock hingestellt. Der aggressive Kerl geht auf seine Mitschüler los. Ben ist verzweifelt und schmiedet einen tragischen Plan …

Dieser Film hat mich so völlig aus dem Nichts überrascht, dass ich danach stumm und starr für zehn Minuten vor dem Bildschirm saß und nicht mal gemerkt habe, dass ich geheult habe wie ein Schlosshund. Aber – und das möchte ich betonen – die Tränen waren 50% Betroffenheit und Trauer und 50% Erleichterung und Freude.

Was Regisseur Nic Balthazar mit seinem Team hier geleistet hat ist nichts anderes als ein kleines Meisterwerk, welches so viele Themen gleichzeitig behandelt, dass es schwer fällt, sie in Worte zu fassen. Da geht es um Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung (die noch nicht einmal auffällig ist), über Schuldzuweisungen und wie schnell jemand, der einen gewissen Ruf hat, nichts mehr dagegen tun kann immer als Sündenbock herhalten zu müssen.

Dazu kommt die Realitätsflucht in Online-Welten, die ja – wie wir alle wissen – soziale Kontakte zerstört und die jungen Leute vereinsamen lässt. /sarcasmoff

Es ist wirklich unglaublich was alles in dem Film drin steckt, aber nichts davon ist aufs Auge gedrückt, sondern passt organisch in die Story. Es wird nicht überdramatisiert oder kitschig. Und das ist das wahre Kunststück des Films. Er zentriert sich auf seine Hauptfigur und sein Leben und wir bekommen alle anderen Dinge am Rande mit. Lange genug, um sie zu bemerken und auch zu bemerken, was da schief läuft. Aber kurz genug, um nicht in Kitsch abzugleiten und immer sehr bodenständig.

Greg Timmerman spielt Ben absolut großartig und glaubwürdig. Diesen Kerl kann man nur gern haben. Man versteht was er macht und warum er es macht und auch als er nur noch einen Ausweg sieht, versteht man seine Entscheidung – auch wenn man sie nicht wahrhaben will.

Laura Verlinden ist der große Hoffungsstrahl im Universum von Ben. Natürlich ist er ein Irrlicht, aber wenn sie da ist – hui, da passieren Dinge in Ben, die hätte man nicht geglaubt. Und das ist insofern fantastisch, weil dies auch – in meinen Augen – zeigt, welch positiven Einfluss Liebe auf Menschen haben kann.

Aber auch alle anderen Charaktere (wie Bens Eltern) sind super und man kann verstehen warum sie was machen. Das Drehbuch leistet sich absolut keine Schwächen. Selbst Online-Spiele werden ohne großes TamTam gezeigt und – was für eine Seltenheit! – einfach als Faktum wahrgenommen. Nicht als große Retter für die Einsamen, nicht als Todesurteil für Umgangsformen, sondern ganz einfach als das was sie sind: Online-Spiele. Punktum. Im Film werden sie perfekt genutzt, um zu zeigen, wie Situationen aus dem echten Leben auf Ben wirken und die Umsetzung (das Spiel heißt übrigens „Archlord“) ist großartig gelungen.

Ich kann gar nicht sagen, wie sehr dieser Film mich berührt hat und wie froh ich am Ende war, als ich plötzlich verstanden habe, was da gerade alles passiert ist. Sicher – das Ende ist extrem übertrieben (erneut: wie ich finde), aber ich hätte mir kein anderes gewunschen, zumal es wirklich super gelingt alles auf den Boden zurückzuholen und einen tragischen Spin zu verleihen.

Aber es bleibt immer Hoffnung. Bei allem was Ben passiert steht am Ende die Hoffnung. Und das kann man Nic Balthazar nur ganz hoch anrechnen. Diesen Film sollte jede/r gesehen haben – und glaubt mir: Es geht nicht um Online-Spiele, sondern um Menschen und Menschlichkeit in allen guten und schlechten Belangen. Diesen Film werdet ihr so rasch nicht vergessen. Ich nehme an, es hat geholfen, dass Balthazar aus der Geschichte zuerst ein Buch und ein Theaterstück gemacht hat, bevor er den Film gedreht hat.

Und ja, die Geschichte endet anders als ihr denkt. Heulen werdet ihr trotzdem. Mehrmals. Aus mehreren Gründen.

„Ben X“ bekommt 10 von 10 möglichen, alle richtigen Töne und Punkte treffende, Punkte.

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