Kiss the Girls – Denn zum Küssen sind sie da (Filmkritik)

In North Carolina werden seit Wochen einige Mädchen vermisst, wobei wenige von ihnen, bereits tot aufgefunden wurden. Was hinter den Taten steckt und ob die übrigen Damen noch leben, da tappt die Polizei völlig im Dunkeln. Als Kriminalpsychologe Alex Cross (Morgan Freeman) auftaucht – der eigentlich in Washington arbeitet, doch ein persönliches Interesse an diesem Fall hat – kommen die Ermittlungen langsam weiter.

Die Suche nach dem Täter verläuft zunächst dennoch ohne Erfolg, doch dann kann mit Dr.Kate Mctiernan (Ashley Judd) erstmals eines der Opfer, vor ihrem Peiniger flüchten. Gemeinsam mit Cross bilden die beiden ein Team und sie werden nicht aufgeben, bis die anderen Frauen gefunden werden…

Seit 1993 gibt es den Charakter des Alex Cross in Buchform und im Jahr 1997, hat es seine Figur mit diesem Film, erstmals ins Kino geschafft. Mit „Along Came A Spider“ folgte ein weiterer Teil und 2012 kam ein eher schwaches Reboot. Bei diesem Erstling führte Gary Fleder (Homefront) Regie und Morgan Freeman spielt hier und bei der Fortsetzung die Hauptfigur. Warum ich mir den Film nun nach vielen Jahren wieder mal angeschaut habe, hat aktuelle Gründe.

Spoiler folgen nun und ausholen muss ich auch. Zunächst mal eine Grundsatzaussage. In den letzten Jahren, ist Hollywood einfach qualitativ viel schlechter geworden. Ein großer Grund dafür, ist dass Agendas im Vordergrund stehen und nicht mehr die Unterhaltung des Publikums. Es ist nicht wichtig, ob im Drehbuch die Handlung geistreich ist oder die Charaktere ausgearbeitet sind, die Hauptsache ist, welche Hautfarbe der/die Drehbuchautor(in) hat und welche Sexualität (alles außer heterosexuell ist dabei erwünscht) und das muss dann natürlich auch in die Story einfließen.

Also ich bekomme deswegen das Ego der Filmemacher in Filmform präsentiert, klingt unheimlich spannend, oder? Ein Vorwurf dieser Leute an ältere Filme war es dabei auch immer wieder, dass es keine starke Damenrollen gab und keine Helden mit anderen Hautfarben (abgesehen von weiß). Anhand von z.b. eben „Kiss the Girls“ werden dann gleich beide Argumente entkräftet. Ich bleibe aber noch bei den Damen. Ashley Judd´s Rolle der Kate Mctiernan, ist keine Sarah Connor oder Ripley (nebenbei: ja, starke Ladys in Filmen gab es schon immer und auch deren Präsentation war stimmig), aber sie ist eine Kämpferin und was mindestens genau so wichtig ist, sie entwickelt sich weiter.

Da gibt es eine Szene zu Beginn, die so nie in einem modernen Film vorkommen würde. Kate trainiert beim Kickboxen gerade mit einem offensichtlich arroganten Proleten und er schlägt sie in Folge etwas zu hart. Warum? Es geht dabei nicht um ihn, sondern um Kate, die zuvor bei einer Operation einen kleinen Mädchen nicht so helfen konnte, wie sie es sich gewünscht hätte und deshalb war sie abgelenkt. Ist sie deshalb schwach, weil sie der Kerl getroffen hat? Nein, sie ist instant mäßig sympathisch und erscheint menschlich und zusätzlich hätte man ihr als Zuschauer gewünscht, dass sie den Kerl ko schlägt.

Der weiße, Entschuldigung, der schwarze Ritter (nein, nicht Batman) rettet sie dann am Ende vor dem Bösewicht, doch sie hat sich zwei mal selbstständig aus den Fingern des Schurken alleine befreit, auch weil er sie als Frau unterschätzt hat. Zusätzlich versteckt sie sich nicht, sondern geht an die Öffentlichkeit und hilft bei der Suche nach den anderen vermissten Frauen. Keine moderne Girlboss-Figur, die alles von Beginn an kann und deren einziger Kampf darin besteht, dass die Welt akzeptiert, wie großartig sie ist und die man als Seher lieber verlieren sehen würde.

Nicht zuletzt deshalb habe ich gerade eine Retro-Phase aber keine Sorge, so ausholen musste ich nur hier, denn ich liebe Filme, aber es wird einem Fan derzeit wirklich nicht leicht gemacht. Um nun endlich auf „Kiss the Girls“ selbst zu kommen, der ist ein stark gespielter Thriller mit unangenehmer Atmosphäre und optischen Spielereien, der zwar nicht durch Alleinstellungsmerkmale aus dem Genre herausragt, der aber von Anfang bis Ende spannend ist und dich in die Handlung involviert.

Das liegt eben zum Großteil an den Figuren und deren Darstellern. Ashley Judd (Flypaper) ist schön (auf eine natürliche Art), stark (trainiert nebenbei Kampfsport) und ist vom Beruf her Ärztin (Ansehen und gute Bezahlung inklusive). Dennoch sagt sie in einer Szene, dass sie einen Mann sucht, der sie so ansieht wie ihr Vater ihre Mutter angesehen hat. Konträr zur aktuellen Meinung, wird eine starke Dame durch eine Beziehung zu einem Mann, nämlich nicht automatisch hinunter gezogen.

Morgan Freeman – der mittlerweile fast nur mehr in mehr oder weniger miesen Heimvideo-Premieren (zuletzt etwa in The Ritual Killer) sein Geld verdient – kann als Cross sein gesamtes Charisma ausspielen. Dabei gibt es zwar Ansätze in der Begegnung mit der Außenwelt, die auf seine Hautfarbe abzielen, aber in Summe wird er nur über sein Handeln definiert, nicht über seine Herkunft, genau wie es sein soll. Besonnen aber zielstrebig, mit genug Hang zur Risikobereitschaft.

Auch wenn es immer wieder Momente zum Durchatmen gibt ist die Geschwindigkeit insgesamt hoch, der Täter und seine Liebesvorstellungen sind pervers, narzistisch und abstossend zugleich (auch ohne explizit zu werden) und dass man nichts über seine Beweggründe weiß, das ist für mich kein Manko, das macht ihn nur noch weniger greifbar und somit gefährlicher. Man kann dabei schon erraten, wer er ist, aber die falschen Fährten verwischen gekonnt konkretere Gedanken beim Betrachten.

In Summe daher ein Thriller, der seine Helden immer als Menschen zeigt und sie eine Entwicklung durchmachen lässt, genau deshalb ist man involviert. Da braucht es keine übermäßige Gewalt, die Atmosphäre ist unheimlich genug. So und nun danke liebe Leser, dass ihr diese etwas andere Kritik dennoch bis zum Ende gelesen habt und keine Sorge: es folgen zwar bald weitere Vertreter der „früher war Alles besser“ Schiene (ist ein Klischee, ist mir bewusst, ich bin nämlich selbstreflexiv und so), aber ich werde nicht mehr so weit ausholen müssen.

„Kiss the Girls“ bekommt von mir 8/10 falsche Vorstellungen von Liebe in wahnsinnigen Aktionen enden lassende Empfehlungspunkte.


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