Metalhead (Filmkritik)

Als Hera (Thora Bjorg Helga) 12 Jahre alt ist, verliert sie ihren Bruder bei einem dummen, blöden Unfall, den sie mitansieht. Um ihre Trauer irgendwie in den Griff zu bekommen, verbrennt sie alle ihre Sachen und beschließt, in seine Fußstapfen zu treten, ein Metalhead zu werden und so vielleicht die Erinnerung an ihn am Leben zu halten, auch wenn das vielleicht bedeutet ein paar Leute vor den Kopf zu stoßen.

Auch ihre Eltern haben schwer mit dem Verlust zu kämpfen. Ihre Mutter Droblaug (Halldora Geirhardsdottir) schaltet quasi immer wieder ab und ihr Vater Karl (Ingvar Sigursson) findet eigentlich keinen rechten Weg, wie er damit umgehen soll.

Ihr Plan, in die große Stadt zu ziehen und alles hinter sich zu lassen, bleibt seit Jahren liegen. Sie ist immer noch in einem kleinen Kaff irgendwo in Island gefangen und auch die Gemeinde kann mit ihr immer weniger umgehen. Was auch daran liegt, dass sich Rebellion in ihre Trauer mischt und sie immer exzessiver ihre Wut auf die Welt auslebt und sich von niemanden verstanden fühlt …

Das war ja mal was. Manche Filme guckt man, weil man den Kopf abschalten will und sich denkt, es kann nicht schaden mal reinzugucken. Und manchmal wird man böse überrascht. Und manchmal wird man positiv überrascht. Ich wusste nichts über diesen Film, fand aber, dass ein Film mit dem Namen „Metalhead“, der noch dazu aus Island kommt, ja einen Blick wert sein müsste.

Ich habe mich nicht getäuscht. Auch wenn der Film völlig anders ist, als ich gedacht hatte.

Denn tatsächlich ist „Metalhead“ ein Film, der sich der Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen, annimmt. Die kleinere Schwester, die ihrem Bruder nacheifert, der aber nicht mehr da ist. Und die einen sehr destruktiven Kurs einschlägt: Schwarze Kleidung. E-Gitarren. Musik, mit welcher sich in ihrem Umfeld nicht viele Leute beschäftigen. Da kann es ja quasi nur zu Problemen kommen. Und das tut es auch. Die Sache beginnt zu eskalieren, als ein neuer Pfarrer in die Gemeinde kommt und der Meinung ist, er könne Hera helfen. Allerdings läuft die Sache völlig anders ab, als ich das gedacht hatte. Irgendwie hatte ich eine klare Vorstellung davon, dass passieren würde, als dieser Charakter eingeführt wurde, aber – hui, lag ich falsch. Ich sag es mal so: Man sieht nicht so oft in Filmen wie diesen, dass eine Kirche in Flammen aufgeht. Und das, was danach passiert, sieht man auch nicht so oft.

Wirkliche cool waren auch die drei anderen Metalheads, die später in der Geschichte auftreten, weil sie Hera gesucht haben. Die haben wenig Screentime, sind aber einfach … großartig. Herzliche, liebe und absolut knuddelige Kerle, muss ich sagen. Da fühlt man sich als Metalhead (ja, bin ich) gleich richtig verstanden.

Aber – und das muss ich auch ganz klar sagen – der Film vergisst nie, worum er sich dreht: Verarbeiten von Verlust. Da sind natürlich auch zu einem großen Teil die Eltern von Hera gemeint, denn diese haben einen Sohn verloren. Die Mutter, die das Zimmer genau so lassen will, wie es war und die ab und zu ins Nichts starrt, sich in ihren Gedanken verliert und halt nur noch „funktioniert“. Und auch der Vater, der versucht alles am Laufen zu halten, wobei er sich insgeheim und unausgesprochen schlichtweg die Schuld an dem tragischen Unfall gibt.

Während des Ansehens habe ich meine Frau gefragt, was sie von diesem Film bis jetzt hält. Sie meinte, sie finde ihn richtig, richtig gut. Ich musste ihr zustimmen, mit den Worten: „Vor allem mag ich, dass ich dir einfach nicht sagen kann, was jetzt weiter passieren wird. Ich meine … da kann doch alles passieren, oder?“

Und das habe ich selten bei einem Film. Meistens ist sehr klar vorgezeichnet, was als nächstes kommt und das passt ja auch, das will man ja auch sehen. Kopf abschalten und Film gucken, gleiche Muster, wenn auch verschieden inszeniert: Das reicht die meiste Zeit. Und dann kommt halt dazwischen ein Film wie dieser. Was ich nicht erwartet hatte: Wie witzig der Film streckenweise bei so einem Thema ist. Überhaupt finde ich es wirklich großartig, wie leicht der Film sich anfühlt. Das ist kein schweres, düsteres Psychodrama, sondern ein Film über eine Teenagerin, die ihren Platz sucht und auch wenn vieles absolut unrund läuft, so verliert sich der Film nie in irgendwelche negativen, düsteren Gegenden: Sicher, sie werden besucht. Wie auch nicht, bei diesem Thema? Aber es gibt immer einen Weg weiter und am Ende gibt es so etwas wie Erlösung. Oder zumindest Heilung. Oder zumindest einen wirlich guten Start dorthin.

Natürlich hilft es, wenn die Hauptdarstellerin, die den ganzen Film trägt auch einfach eine unglaublich tolle Ausstrahlung hat. Und die Szenen und Reaktionen von ihrem Umfeld helfen da gut mit. Schauspielerisch fällt niemand aus der Reihe und gerade die Szenen mit den Eltern sind großartig. Als zB Hera sich mit ihrem Death-Metal-Make-Up an den Frühstückstisch setzt, da braucht es nicht mal irgendwelche Worte, da reichen die Blicke, um ein Gespräch zu führen.

Und ehrlich gesagt: Dass Metal hier nicht an den Pranger gestellt, sondern als ein Weg der Heilung thematisiert wird, finde ich jetzt auch mal sehr positiv („Du willst die Wahrheit wissen? Ich hasse DIO. Er nervt mich. Holy Diver? Was zur Hölle soll denn das überhaupt sein?!“). Die brennende Kirch nenne ich jetzt mal einen Ausrutscher.

Wäre die letzte Szene nicht so herzerwärmend schön, sie wäre fast zum Fremdschämen. Aber bei diesem Film hier? Da konnte ich nicht anders als extrem zufrieden und breit grinsen.

„Metalhead“ bekommt 8 von 10 möglichen, E-Gitarren getriebenden und von Kühen (seht euch den Film an, dann wisst ihr, worauf ich anspiele) gutgeheißene, Punkte.


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