The Sandman (Serienkritik)

Morpheus, Herrscher der Traumwelt und einer der Endlosen, wird durch ein Missgeschick und einen Zufall gefangen genommen und auf Jahrzehnte eingesperrt. Die Folgen für die Welt? Eine „Schlafkrankheit“, bei welcher die Menschen nicht mehr aufwachen.

Eigentlich ein Missgeschick, denn tatsächlich war seine Schwester Tod das Ziel der Beschwörung und Bindung, aber da hat er halt Pech gehabt. Unerwarteterweise kann Morpheus entkommen und es folgt eine Reise, um seine gestohlenen Insignien und Werkzeuge zurückzuholen.

Und das ist erst der Anfang einer langen, epischen, verwirrenden und unglaublich spannenden Reise …

Ich bin ein Fan von Neil Gaiman. Das muss ich einfach gleich mal festhalten. Ich mag seine Bücher, ich mag seine Comics, ich mag seine Filme („Mirrormask„) und Verfilmungen seiner Stoffe („Coraline“ oder „Stardust„). Und sein Hauptwerk (welches er geschrieben hat als er 26 Jahre alt war!) ist unbestritten eines DER Comics überhaupt und in solch einer Form wurde vorher noch nie erzählt. So breit und doch so zusammenhängend, da ist ein gesamter Kosmos in diesen zehn Bänden (+ den paar Zusatzgeschichten). Also Ja. Ich bin einer von diesen. Ihr wisst schon. Einer dieser „The Sandman“-Fans.

Und ich war extrem skeptisch, ob diese Verfilmung als Serie irgendwie auch nur gut werden kann. Ich meine, man sieht ja, was mit „American Gods“ passiert ist. Das Buch ist brillant. Die Serie (nach Staffel 1) … naja, nicht mehr so. Meine Erwartung war also … nicht so hoch. Was ich erwartet habe, war ein Aufschrei der so genannten Fans, der dann ja auch gekommen ist.

Schaffen wir das mal aus dem Weg: Es gibt Änderungen in der Serie. Zum Beispiel wurde aus John Constantine (eine beliebte DC-Comicfigur, die schon mal von Keanu Reeves verkörpert wurde (was übrigens AUCH für einen Aufschreit sorgte) in einem, wie ich finde, großartigen Film) eine Frau. Und – scheinbar viel schlimmer – Death bzw. Tod, in den Comics der feuchte Traum aller Emos, nämlich das weißeste Goth-Girl, welches man sich vorstellen kann, wird von einer schwarzen Schauspielerin gespielt. Und: noch viel viel schlimmer: Lucien (Bibliothekar und mehr) wurde quasi doppelt gedreht: Eine Frau UND schwarz.

Tatsache: Völlig egal. Es ändert nichts an der Genialität der Geschichte oder den Charakteren. Wer der Meinung ist, dass Jenna Coleman (Johanna Constantin) oder Vivienne Acheampong (Lucienne) oder Kirby Howell-Baptiste (Death) einen schlechten Job machen. Im Gegenteil. Vivienne Acheampong bringt Lucienne die richtige Mischung aus Loyalität und Widerstand auf den Bilschirm (ihr wisst schon: diese eine Mitarbeiterin, die man schon so lange kennt, dass man ihr mehr verzeiht als anderen). Jenna Coleman ist eine ziemlich coole Johanna Constantin, die sich auch von jemand wie Morpheus nicht herumschubsen lässt. Und Kirby Howell-Baptiste hat genau die Wärme und Herzlichkeit, die man an Neilmans Death so lieben muss. Wer hat jemals einen absolut sympathischeren und freundlicheren Tod geschrieben als Gaiman? Niemand. Gaiman hat eine extrem berührende Geschichte (Die erste Hälfte der sechsten Folge) geschrieben und Howell-Baptiste bringt die Figur großartig zum Leben. Wenn DAS der Tod (bzw. die Tod) ist, die mich irgendwann holt? Ist okay für mich.

Die zweite Sache war das seltsame Filmformat. Ich gestehe hiermit: Mir ist das erst aufgefallen als ich davon gelesen habe und ich denke, das sagt alles darüber, was es darüber zu sagen gibt.

Ansonsten: Man vergesse nicht, dass ich ein Gaiman und ein Sandman-Fan bin, wenn man weiterliest.

Die Serie ist großartig geworden. Es ist schwer etwas zu kritisieren, als Fan der Comics, denn die Vorlage wurde grandios umgesetzt. Das ist halt der Vorteil, wenn man den Macher als Showrunner mit an Bord holt. Hat sich ausgezahlt, denn es hieß ja immer, man könne dieses Comic gar nicht verfilmen. Spoier: Doch. Scheinbar geht das. Und es geht sogar großartig.

Ich möchte gar nicht zu viel spoilern, aber The Sandman deckt alles ab: Horror, Romanzen, Liebe, Thriller, Comedy, Drama. Alles ist drin. Und auch wenn es so aussieht, als wären ein paar Folgen irgendwie nicht Teil der überliegenden Geschichte, so glaubt mir: Wenn die Serie wirklich alle 10 Graphic Novels erzählt, dann werdet ihr sehen, dass am Ende alles Sinn ergibt und zusammenpasst. Und ja, es gibt für mich Episodenhighlights, aber da will ich erneut nicht in Spoiler-Territorium vordringen.

Ein wenig schade finde ich, dass die letzten Folgen, welche sich um einen „Vortex“ drehen ein wenig zu rasch abgehandelt werden. Speziell die Bewohner:innen von Roses Haus hätten alle viel mehr Screentime verdient. Eigentlich hätte ich gedacht, dass man daraus tatsächlich die gesamte Staffel 2 macht. Die Figuren hätten es verdient (im Comic bekommen sie weit mehr Platz). Auf der anderen Seite: Wenn jede Figur aus dem Comic seine/ihre Zeit bekommt, die sie verdienen würde, dann hätten wir vermutlich 50 Staffeln.

Wie dem auch sei: Der emotionale Schlag, der eigentlich am Ende dieses Story-Strangs wartet trifft weniger ins Herz als mehr ins Hirn. Was schade ist, aber verständlich, da für die Serie viel wichtiger ist, was diese ganze Sache für Morpheus bedeutet als für die anderen Figuren.

Noch ein Wort zu Morpheus (Tom Sturridge), der hier ein bisschen wie ein Emo-Rockstar aus der guten alten … naja, so gut war die Zeit gar nicht … aussieht. Aber sobald er (im englischen Original zu sprechen beginnt sind alle Zweifel weg. Ja, DAS ist Morpheus. Ich bin echt beeindruckt. Auch wenn hier ebenfalls zutrifft, dass die Leistung am Ende ein wenig nachlässt. Oder vielleicht sind Nuancen der Emotion anders vermittelt worden als ich sie im Comic gelesen habe. Aber es schmälert den Gesamteindruck nicht. (Generell: Das Casting ist ein Volltreffer. Mit meiner Aussicht nach einer Ausnahme: Unity Kincaid, gespielt von Sandra James-Young. Das ist sowas von kitschig, übertriebener Freundlichkeit. Wenn ich wüsste, dass sie wirklich eine freundliche Frau ist (aus dem Comic), dann würde ich darauf warten, dass sie irgendwann jemand ein Messer in den Rücken rammt. Aber okay. Das ein kleiner Schnitzer in einer ansonsten fast perfekten Umsetzung.

„The Sandman“ bekommt von mir (dran Denken: Fanboy) 9 von 10 möglichen, das unverfilmbare definitiv verfilmt habende, Punkte.


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