X (Filmkritik)

Wayne (Martin Henderson) will einen Soft-Porno drehen und hat dazu Unterstützung von einer bunten Truppe. Da sind Maxine (Mia Goth) und Bobby-Lynne (Brittany Snow), die beiden Hauptdarstellerinnen, und Jackson (Kid Cudi). Das Filmteam besteht aus Lorraine (Jenna Ortega), die ihren Freund/Partner RJ (Owen Campbell) unterstützt. RJ hat eine eigene Vision: Einen Pornofilm mit Anspruch und Handlung.

Dazu fährt man auf eine verlassene Farm, die Wayne angemietet hat. Allerdings, ohne den Besitzern zu sagen, was genau sie vorhaben. Das Ehepaar, welches die Farm bewohnt besteht aus Howard (Stephen Ure) und Pearl (Mia Goth). Howard ist seltsam. Aber seine Frau Pearl ist noch viel seltsamer. Und als sie entdeckt, was genau die Truppe auf ihrer Farm vorhat, beginnt ein Kampf ums Überleben …

Ja, die Story ist nicht neu und alles ist irgendwie schon mal da gewesen. Ich hatte den Film auch lange Zeit nicht auf dem Schirm, aber dann habe ich gesehen, dass Ti West ihn macht und mein Interesse war geweckt. Ti West, falls das jemand nicht weiß, hat unter anderem „The Innkeepers“ gedreht. Bekannter ist allerdings „The House Of The Devil“ oder auch „Cabin Fever 2„. Nachdem ich „The Innkeepers“ und „The House Of The Devil“ wirklich gut gefunden habe, dachte ich, ich gebe „X“ eine Chance.

Und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil wurde ich sehr überrascht.

Der Film spielt im Jahr 1979 und die gesamte Optik wurde angepasst. Das beginnt bei der Kleidung und endet bei den Kameraeinstellungen, Überblendungen und allem anderen. West bedient sich an ein paar Stilelementen, die mich zwar ein wenig irritiert haben, aber in Summe gut zum Film passen. Da wären zum Beispiel die Überblendungen die wie ein nervöses Zucken und Flimmern wirken, was anfangs richtig irritiert, aber wenn man sich daran gewöhnt hat, dann passt es gut. Und außerdem sind die Aufnahmen, die das Filmteam dreht, wirklich in 4:3 und mit dieser ganz speziellen Weichzeichner-Optik gedreht worden. Witzig und passend.

Dazu passend die Art und Weise wie die Schauspieler:innen agieren. Die Dialoge, die Betonungen, die Art wie sie sich bewegen. Das alles passt hervorragend zusammen und sorgt schon für eine interessante Atmosphäre. Die Figuren sind großteils Klischees, aber das soll so sein, denn tatsächlich dreht sich der Film um zwei Personen: Maxine und … Pearl. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, denn das würde dem Film viel (vor allem bei der Schlusspointe) von seinem Flair rauben, aber so viel sei gesagt: Die beiden stellen zwei Personen mit dem gleichen Charakter dar, nur das eine Person davon es geschafft hat (oder am Weg dazu ist), ihren Weg zu gehen, welcher auch immer das sein mag. Und die andere hat ihre Chancen verpasst und ist extrem verbittert deswegen. Sie gönnt auch sonst niemanden, was sie nicht hatte oder haben kann.

Brittany Snow („Pitch Perfect„) als Bobby-Lynne ist eine Naturgewalt (und einer Sexbombe, ein ziemlicher Schritt von „Pitch Perfect“ zu diesem Film hier), die ein paar coole Szene abbekommen hat, bei der sie die „Tussi“ richtig rauslassen kann. Jenna Ortega („The Babysitter: Killer Queen„) gibt das graue Mäuschen, welches dann eine ziemlich drastischer Veränderung durchmacht. Kid Cudi spielt den Klischee-Afro-Amerikaner, der in einem Sexploitation-Streifen mitspielt und viel Freude daran hat. Und Martin Henderson hat einen Plan, um reich zu werden und zögert auch mit Tricks nicht, um zu bekommen was er will. Was einen ziemlich schrägen Dialog mit RJ zur Folge hat. Und Mia Goth (kennt man ja mittlerweile aus „A Cure or Wellness“ oder dem Remake von „Suspiria„) macht ihre Sache in der Doppelrolle gut (ich hätte sie als Pearl nicht erkannt).

Was ich an dem Film mag, ist vor allem, dass er alle seine Charaktere mag. Es gibt quasi kein „A****loch“. Es sind Menschen. Und sie alle haben ihre netten, feinen, hilfsbereiten Momente. Das hat mir wirklich, wirklich gut gefallen. Sogar die „Tussi“ Bobby-Lynne hat ein paar Szenen, die sie tatsächlich richtig sympathisch machen.

Auch die beiden Besitzer sind jetzt nicht per se unsympathisch. Sie sind halt seltsam. Und Howard weiß, dass seine Frau Probleme hat, deshalb ist er ziemlich abweisend. Sicher, das ändert sich im Laufe des Films, denn immerhin haben wir hier Bösewichte vor uns, aber trotzdem: Man fühlt ein kleines bisschen mit ihnen.

Was ich ebenfalls toll fand: Manche Todesfälle sind jetzt zwar nicht besonders kreativ, aber absolut unerwartet und es kurz und bündig. Erneut: Keine Spoiler, aber ein Charakter läuft kampfbereit aus der Tür, quasi Rambo-Stil und kommt genau einen Schritt weit, weil er oder sie von einer Schrotflinte zerlegt wird. Und solche Szenen kommen immer wieder mal vor, was irgendwie trotz all des Blutes ein wenig schwarzen Humor in den Film bringt. Der auch notwendig ist, denn bei anderen Morden ist man nicht zimperlich bei dem was gezeigt wird. Da wird schon mal gefühlte 100 Mal auf einen Menschen eingestochen und das spritzende Blut klatscht alles an, bis die gesamte Szene in rotes Licht getaucht ist. Heftig. Auch heftig ist, da die Mörder:innen ja wirklich, wirklich alt sind, wie langsam die Morde passieren. Und wie trotzdem unausweichlich sie sind. Es dauert halt, bis man ein Messer 100 Mal in jemand reinsticht, vor allem wenn man gefühlt 100 Jahre alt ist. Und das macht die Sache noch unangenehmer, weil man weiß, was kommt und immerzu hofft, dass die Opfer vielleicht doch was machen können, immerhin sind sie jung und dynamisch. Aber tja, es ist halt ein Horrorfilm. Versteht mich nicht falsch: Das ist alles stimmig und funktioniert. Es macht tatsächlich alles nur noch gruseliger und brutaler.

Noch eine Randnotiz: In diesem Film kommt die wohl seltsamste Sex-Szene vor, die ich je in einem Film gesehen habe. Das war eine ganz eigene Art von Horror.

Wie dem auch sei: Meiner Ansicht nach wird in manchen Medien die psychologische Ebene des Films ein bisschen zu sehr philosophisch diskutiert, denn es ist in erster Linie ein Horrorfilm. Und es ist ein langsamer Film (passend zu den Antagonisten), aber wenn dann die Gewalt losgeht, dann trifft sie hart und teilweise unerwartet.

Achja, ein weitere Film mit dem Titel „Pearl“ ist in Arbeit, um ihre Vorgeschichte zu erzählen. Keine Ahnung, ob das notwendig ist, so spannend fand ich die Figur dann doch nicht, um wissen zu wollen, wie ihr Leben gelaufen ist. Aber schauen wir mal, was sie daraus machen.

„X“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, mit interessanten filmischen Spielereien teilweise irritierende, aber funktionierende, Punkte.


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