Martins (Joel Fry) Freundin Olivia (Hayley Squires) ist mehr oder weniger bei einem Forschungsauftrag in den Wäldern verschwunden. In Zeiten einer weltweiten Pandemie vielleicht nicht das dringendste Problem. Trotzdem meldet sich Joel freiwillig, um nach ihr zu suchen. Nachdem er den Corona-Checkpoint durchschritten hat, wird er begleitet von Rangerin Alma (Ellora Torchia). Der Fußmarsch zur Forschungsanlage dauert in etwa zwei Tage.
Aber der Weg dahin ist schwerer als gedacht, denn einerseits passieren seltsame Dinge und bereits nach der ersten Nacht wachen die beiden auf und die Zelte sind zerstört, ihre Ausrüstung gestohlen oder kaputt. Und andererseits sind ihre Schuhe weg. Das ist für Alma kein Problem, aber für Joel schon, denn er ist eben ein Büromensch und querfeldein durch den Wald, nun, das kann schon wehtun.
Und das wird es auch.
Zum Glück treffen sie auf den hilfreichen Einsiedler Zach (Reece Shearsmith) und später auch auf Olivia (Hayley Squires). Tatsächlich ist sie nicht verschollen, sondern einer Entdeckung auf der Spur, die ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht: Ein Monolith inmitten des Waldes. Und er scheint zu sprechen. Im Namen der Welt, der Natur und der Erde.
Oder – was weit logischer erscheint – die gute Dame ist durchgedreht und wer weiß, was sie vorhat …
Das war mal wieder ein komplett „anderes“ Erlebnis. Und ich bin mir nicht sicher wie befriedigend es war. Einerseits hat mich die Aussage des Films getroffen und gut abgeholt. Andererseits gibt es extrem viele „halluzinogene“ Einblendungen. Einerseits sind extrem viele, gute, kleine Ideen in dem Film, die ihn spannend halten. Andererseits werden viele dieser Ideen audiovisuell bis zum Anschlag ausgereizt und ich weiß nicht, ob ich das gut finde. Einerseits … andererseits …
So geht das hin und her in meinem Kopf und es ist eigentlich völlig egal, was ich per se von dem Film halte. Es ist ein Film, er wird mein Leben nicht verändern. Und doch brauchte ich ein wenig, um ihn einordnen zu können und für mich zu reflektieren, was ich von seiner „Message“ halte. Nun, vielleicht gehen wir mal einen anderen Weg und fangen an, wie man halt bei Filmen anfängt.
Optisch gibt es an „In The Earth“ nichts auszusetzen. Die Kamerapositionen sind gut überlegt, der Film ist spannend inszeniert und es dauert auch gerade mal zehn Minuten, bis man den ersten „WTF?“-Moment hat. Und es folgen viele weitere, die je nachdem wie gut ihr euch mit den Ideen des Films anfreunden könnte, super findet oder … grottenschlecht und peinlich. Und ich schweife schon wieder ab. Zurück zur Machart: Die Schauspieler:innen, die im Film vorkommen machen ihre Sache hervorragend. Ob es nun die Verwirrtheit von Martin ist, die vorhandene, dann verlorene und dann wieder gefundene Souveränität von Alma (eine grandiose Ellora Torchia, das Herz des Films) oder die absolute „Das-sind-die-Fakten-wie-ich-sie-sehe“-Einstellung von Zach bis hin zur Obsession von Olivia. Man glaubt allen, was sie sagen und dass sie es auch so meinen. Mit der jeweils dahinter liegenden Agenda.
Optisch trifft man auf ein paar wirklich großartige Einstellungen und Spielereien, auch wenn nicht alle Schnitte logisch sind. So gibt es eine Szene in welcher Martin verfolgt wird und konkret zwei Schritte(!) vor ihm sein Verfolger steht. Martin ist also knapp davor entdeckt zu werden und jede Bewegung kann ihn verraten. Eine Szene, die Spannung erzeugt. Dann passiert etwas und Schnitt: Martin flieht allein im Wald. Das passt nicht. Da fehlt einfach was dazwischen. Die Szene wird per se nicht (und nie) aufgelöst. Aber zugegeben: Der Film geht so rasch weiter, dass man das ziemlich schnell wieder vergißt. Und viele der Fragen, die man sich während dem Film stellt, kann man sich danach selbst beantworten, weil vieles nicht ausgesprochen oder erklärt, sondern schlichtweg impliziert wird. Oder übergangen. Das „größereT Thema“ ist also wichtiger als die streng logische Handlungsabfolge.
Technisch kann man dem Film in keiner Weise (auch nicht beim abartigen Sounddesign, welches scheinbar auch mit Pflanzen gemacht wurde) etwas vorwerfen. Belichtung, Kamera, Effekte (gerade die blutigen): Alles super gemacht.
Es ist übrigens der erste Film, den ich gesehen habe, der mit einem Corona-Checkpoint beginnt und später nicht weiter vertieft. Wer sich jedoch die „Message“ herausnimmt, der oder die weiß, was Regisseur Ben Wheatley wohl damit sagen wollte. Hab ich schon erwähnt, dass der Film voller Metaphern und „ganzheitlichen“ Denkansätzen geprägt ist? Nein? Dann hab ich das jetzt.
Diese – für manche wohl abgehobenen – Ideen werden immer wieder durch punktuell gesetzte, harte Fakten (kaputter Fuß, Amputation von Zehen) auf eine sehr erdige Realitätsebene zurückgeholt. Und ein paar dieser Szenen sind grandios (vor allem die Amputation der Zehen. Das war knapp am Slapstick und zeitgleich extrem spannend) gelungen. Auch ein paar der kleinen Ideen fand ich super und hatte ich so noch nie gesehen. Beispiel: Martin und Alma werden die Schuhe gestohlen. Da fragt man sich, was das soll. Aber nach ein paar Sekunden ist einem plötzlich klar: Auf diesem(!) Waldboden ohne Schuhe … das ist die Hölle. Ohne Übertreibung. Und auch hier wieder die Symbolik: Ohne Schutz im direkten Kontakt mit der Erde kann viel passieren. Und nicht immer geht es gut aus.
Das klingt jetzt alles kryptisch und wer meine paar Zeilen hier schon anstrengend fand (es ist schwer, konkretes zu schreiben ohne Spoiler), der oder die soll und muss einen großen Bogen um diesen Film machen, denn er ist langsam, abgehoben und in seinen Dialogen/Theorien völlig abgespact. Und trotzdem …
Regisseur Ben Wheatley hat bei mir übrigens keinen guten Stand, denn seinen „Kill List“ fand ich, naja, lest selbst. Zum Glück habe ich erst nach Sichtung von „In The Earth“ gesehen, das es dieser Wheatley war und glaubt mir: Dieses Mal fand ich das Ende weit passender und nachvollziehbarer. Wenn auch nicht weniger provokant.
„In The Earth“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, schräge, aber irgendwie faszienierende, Punkte (wenn ihr ein Problem mit langsamen, verwirrenden Drehbüchern habt, dann zieht hier mindestens drei Punkte ab).