Don’t Breathe 2 (Filmkritik)

Acht Jahre sind vergangen, seit drei jugendliche Diebe in das Haus des blinden pensionierten Navy Seal Norman Nordstrom (Stephen Lang) eingedrungen sind und zwei von ihnen diese Auseinandersetzung nicht überlebten, vor allem weil sie Normans krankes Geheimnis entdeckten. Mittlerweile führt der blinde Mann ein ruhiges Leben mit seinem Rottweiler Shadow und der elfjährigen Phoenix (Madelyn Grace).

Bei einem Ausflug in die Stadt wird das junge Mädchen von einem unheimlichen Typen belästigt, doch sie löst diese unangenehme Situation souverän. Der Kerl namens Raylan (Brendan Sexton III) hat jedoch Pläne für sie und kurz darauf brechen er und seine Männer in das Gebäude von Norman ein, um seine „Tochter“ zu entführen. Doch sie haben nicht mit den Fähigkeiten des Kriegsveteranen gerechnet und schon gar nicht mit seinem Willen alles zu tun, um Phoenix zu retten…

Im Jahr 2016 brachte Regisseur Fede Alvarez (Verschwörung) einen kostengünstigen und sehr effektiven Triller namens Don´t Breathe ins Kino, der dann mehr als das zehnfache seiner Kosten wieder eingespielt hat. Der Weg für ein Sequel war somit mehr als frei, doch man wollte nicht einfach schnell eine billige Kopie abliefern. Fünf Jahre später ist es nun soweit. Sein Regiedebüt feiert hier Rodo Sayagues, der mit Alvarez bereits die Drehbücher zum Erstling und Evil Dead verfasst hatte, somit sind die beiden offensichtlich ein starkes Team.

Ab jetzt folgen fette Spoiler, am Besten also erst nach dem Filmgenuss lesen. Wisst ihr noch was Norman gemacht hat im ersten Teil? Er hat aus Trauer/Wut heraus die junge Dame, die für den Unfalltod seiner Tochter verantwortlich war entführt, geschwängert und wollte sie so lange festhalten, bis sie ihm eine neues Kind geschenkt hätte. Ob er sie danach nicht vielleicht doch getötet hätte und die zwei Diebe, die er mehr oder weniger in übertriebener Notwehr getötet hat, diese Tatsachen muss man in die Überlegung gar nicht erst mit hinein nehmen.

Warum ich das so betone? Nun, wie will man so einen kranken Kerl zum Helden/Antihelden machen? Richtig, in dem man seine Gegner als noch schlimmer als ihn darstellt. Frei nach dem „man braucht ein Monster, um Monster zu erledigen“ Prinzip haben die Norman in diesem zweiten Teil, sozusagen „verdient“. Und was soll ich sagen, natürlich funktioniert diese (ich nenne es mal) Manipulation des Zuschauers in den Momenten, in denen der Überlebenskampf im Vordergrund steht.

Wo man einfach mitten in den Szenen ist und nicht über dem Geschehen stehend, das große Ganze betrachtet. Genau dann jubelt man Norman regelrecht zu, wenn er wieder einen dieser Mistkerle erledigt. Menschenleben sind für sie nichts wert und Skrupel haben sie so überhaupt keine und ihr Endgame ist so alptraumhaft übertrieben, dass es aus einem grimmigen Märchen stammen könnte. Sie wollen Phoenix nämlich das Herz bei vollem Bewusstsein heraus schneiden, um damit das Leben ihrer kranken Mutter zu retten.

Das verlangt ja dann fast schon nach einer Steigerung der Gewalt und die bekommt man dann auch geliefert. Also noch einmal zum Rekapitulieren. Hält man hier zu Norman? Spürt man seinen Schmerz, wenn er seinen Hund verliert? Will er auf seine Art nur das Beste für das kleine Mädchen? Überlebt sie hier nur bzw. auch, weil er sie einem intensiven Überlebenstraining unterzogen hat? All diese Fragen kann man mit einem fetten ja beantworten.

Wenn ich jetzt einfach mal die Geschehnisse im Original kurz vergesse, dann hat Norman dennoch sich Phoenix einfach geschnappt, ihr erzählt dass er ihr Vater ist, sie sonst keine Verwandten hat und die meiste Zeit über war ihr Lebensraum auf das Haus beschränkt (aka sie lebte wie eine Gefangene). Eine egoistische Aktion eines alten Mannes, der noch immer seinen Schmerz über den Verlust seiner Tochter mit mehr als fragwürdigen Aktionen versucht zu lindern.

Ob es als schizophren zu bezeichnen ist, einem ambivalent von den ausgelösten Gefühlen her vorkommt oder man sich dabei als Zuschauer einigen Manipulationen ausgesetzt fühlt, es ist vor allem eines und das ist spannend. Wenn Norman einen Hund nicht tötet, obwohl dieser ihn zerfleischen würde und ihn nachher sogar rettet, dieses Tier ihn dafür mit Treue belohnt und so das Finale erst möglich macht, in dem Norman Phoenix dann alles gesteht, dann glaubt man durchaus daran, dass noch Menschlichkeit in ihm ist und es ihm wirklich leid tut. Doch mehr geht einfach nicht, wieder gut machen kann er es eindeutig nicht mehr. Etwas bereuen, das geht natürlich immer.

Ohne Stephen Lang (Braven) und seine unheimlich intensive Performance, würde das alles freilich viel schlechter oder gleich gar nicht funktionieren. Alle kleinen Nuancen – wie er geht, reagiert auf Geräusche und seine Sprache – das ist schon bis ins kleinste Detail sehr bewusst so gespielt. Er ist wie eine Naturgewalt, vor der man zwar flüchten möchte und gleichzeitig dennoch nicht anders kann, als ihn anzustarren. Er ist schon das Zentrum, doch alle um ihn herum liefern ebenfalls starke Leistungen ab.

Begleitet von dynamischen Kamerafahrten und alptraumhaften Farben ist dies zu Beginn ein Home Invasion Triller, der schon bald zu einem Rache/Rettungs-Horrortrip mutiert, bei dem ein schlechter Mann noch schlechtere Männer tötet. Was neben der Performance von Lang vor allem den Reiz ausmacht, ist für mich dann das Chaos bei der Sympathieverteilung, was hier temporär immer wieder ausgelöst wird. Zucke ich nun zusammen wenn Norman verletzt wird oder hat er genau das verdient? Was man hier fühlen kann ist einfach so viel spannender als der sonst vorherrschende Einheitsbrei, vor allem das habe ich hier einfach geschätzt.

P.S.: Der erste Teil ist diesem für mich dennoch klar überlegen, doch den Vorwurf den Erstling nur kopiert zu haben, können sich die Verantwortlichen sicherlich nicht vorwerfen.

„Don´t Breathe 2“ bekommt von mir 8/10 den richtigen Weg nicht wegen fehlender Sehkraft, sondern wegen lähmenden Schmerz nicht sehen könnende Empfehlungspunkte.


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