Es ist kaum zu glauben: Da dachte man, es könnte Ruhe einkehren, aber alles kommt anders. Denn ein Footballspiel eskaliert und kurz darauf wird die Leiche eines ehemaligen Studenten gefunden: Bryce Walker (Justin Prentice).
Also tauchen neue Fragen auf: Wer hat Bryce Walker ermordet, denn offensichtlich war es kein Unfall. Die Auswahl an möglichen/potentiellen Täter*innen ist nicht gerade gering. So kommt es also, dass das Vertrauen und die Verbindungen zwischen den Schüler*innen erneut erschüttert werden und erneut ganz neue Verbindungen ans Licht kommen.
Mittendrin ist natürlich Clay Jensen (Dylan Minnette), denn dieser hat vor nicht allzu langer Zeit Bryce Walker mit einer Waffe bedroht. Zentrale Figur ist dieses Mal jedoch Ani (Grace Saif), ein Neuzugang, deren Mutter im Haushalt der Walker arbeitet und die einen völlig anderen Bryce kennengelernt hat, als die anderen. Dass Clay ein wenig in sie verknallt ist macht die Sachelage nicht einfacher …
Was ist den Macher*innen da nur eingefallen? Das ist ein Griff ins sprichwörtliche WC. Wer immer die Figur der „Ani“ erfunden hat – und wer diese genehmigt hat – gehört eigentlich gefeuert. Und da kann die Schauspielerin Grace Saif wenig dafür, denn die Rolle ist einfach an geschriebener Präpotenz kaum zu überbieten. Selten eine solch besserwisserische und nervige Erzählerin kennengelernt wie hier.
Die an sich interessante Grundidee (ein Vergewaltiger wurde ermordet – wer war es und warum) wird leider in die Länge gezogen und die Bemühungen möglichst alle möglichst schuldig aussehen zu lassen ermüden sehr rasch. Nach ein paar Folgen will man eigentlich nur noch wissen, wer es jetzt denn war und die Sache endlich gut sein lassen. Aber nein. Da mussten noch gefühlte 2.000 weitere Nebenhandlungen her, die zwar alle in der Idee gut, aber einfach a) zu viele und b) zu billig geschrieben sind.
Ich dachte mir schon, dass am Ende der Staffel rauskommt, warum ausgerechnet Ani die Erzählerin ist und auch weshalb sie die Geschichte so erzählt, dass möglichst alle ein Motiv haben und verdächtig wirken. Das bedeutet allerdings auch, dass wir dieses Mal drei Zeitebenen haben.
a) Das Interview mit Ani.
b) Sie erzählt von Vorkommnissen rund um ein Sportevent und
c) die Rückblenden, die erklären, warum am Sportevent passiert ist, was eben passiert ist.
Tatsächlich verläuft sich die Sache allerdings ziemlich rasch und es gibt viele Episoden, die angestrengt auf „spannend“ getrimmt wurden, weil ja „alle verdächtig wirken müssen“. Die Auflösung selbst ist dann ein schlechter Witz und vor allem die Message, die verbreitet wird ist ein Wahnsinn. Ja, ich glaube schon, dass dies bedeutet, dass die vierte (und letzte) Staffel sich der Moralfrage widmet, die da aufgeworfen wird. Trotzdem ist es meiner Ansicht nach ein Wahnsinn eine Serie, die mit so starken kontroversen Themen doch sehr gut umgegangen ist, diese Form des Spannungsaufbaus der klaren Message vorzuziehen.
Die positivste Sache an Staffel 3 ist Bryce Walker, der in Rückblenden dabei gezeigt wird, wie er versucht, seine Triebe unter Kontrolle zu bekommen und wirklich so weit es geht ehrlich gemeint Dinge wieder gut zu machen und sich zumindest wieder in den Spiegel sehen zu können. Man muss der Serie zugute halten, dass Bryce klar als Mensch gezeigt wird, nicht nur als „Monster“. Und das gelingt sehr gut. Auch sein Kumpel … nein, dass verrate ich jetzt nicht, sonst gibt es überhaupt keine Spannung mehr.
Nichtsdestotrotz hätte man die Handlung um die Hälfte der Zeit kürzen müssen (der Versuch Jessicas, gespielt von Alisha Boe, Rückkehr zu einer normalen Beziehung und ihrer Sexualität zu zeigen ehrt die Macher*innen, kracht allerdings am Weg gegen mehrere Bäume). Es wurde scheinbar krampfhaft versucht alles was irgendwie geht in den Plot zu drücken und vieles davon ist einfach zu oberflächlich behandelt oder zu plakativ aufs Auge gedrückt („I thought you were a douche, but you are alright“) als dass man es ernst nehmen kann. Tatsächlich passieren in dieser Staffel so viele peinliche Fremdschäm-Momente wie in den ersten beiden zusammen nicht.
Kurze Version: Von der Bryce-versucht-Vergebung-zu-finden-Geschichte abgesehen (und auch die kann man schlimmen finden) kann man diese Staffel in die Tonne kicken. Zu lang, zu langweilig und eine präpotente Erzählerin, die einfach richtig großkotzig rüberkommt. Nachdem man ihr 13 Stunden zugehört hat, ist es dann schon egal, warum sie das so machen muss. 12 Stunden genervt werden, kann man nicht mit einer Mini-Szene wiedergutmachen. Erklären? Ja. Wiedergutmachen? Nein.
„13 Reasons Why“ oder „Tote Mädchen lügen nicht“ – Staffel 3 bekommt von mir 5 von 10 möglichen, völlig in den Sand gesetzte Punkte. Die 5 Punkte bekommt die Staffel rein aufgrund der schauspielerischen Leistungen und der wieder extrem gelungenen Technik (großartiger Musikeinsatz).