Logan: The Wolverine (Filmkritik)

Im Jahre 2029 sind Mutanten nicht zuletzt wegen eines von der Firma Transigen entwickelten Virus, so gut wie ausgestorben. Logan (Hugh Jackman) ist mittlerweile sehr alt geworden, was sich auch auf seine Selbstheilungskräfte auswirkt, die immer mehr nachlassen. Er verdient sein Geld als Chauffeur und lebt zurückgezogen gemeinsam mit dem Mutanten Caliban (Stephen Merchant), in einer stillgelegten Fabrik nahe der mexikanischen Grenze.

Dort kümmert er sich um den senilen Charles Xavier (Patrick Stewart), um dessen auf Grund seiner psychischen Kräfte Menschenleben gefährdende Anfälle, mit Hilfe von Medikamenten unter Kontrolle zu halten. Eines Tages kontaktiert ihn eine ehemalige Krankenschwester von Transigen und bietet ihm viel Geld, damit er ein junges Mädchen namens Laura (Dafne Keen) nach North Dakota zu einem Ort namens Eden bringt…

Eine lange Reise geht zu Ende. 17 Jahre nachdem Hugh Jackman am Startpunkt des X-Men Franchises erstmals Wolverine spielen durfte, hat er nun diese Rolle ein letztes Mal gespielt und wenn man den Gerüchten glaubt, gilt das selbe für Patrick Stewart aka Charles Xavier. Dem ersten Soloauftritt von Logan aus dem Jahr 2009, kann man ja nur mit der richtigen Erwartungshaltung positive Aspekte abgewinnen, während Wolverine: Weg des Kriegers im Jahr 2013, vieles richtig gemacht hat, doch auch hier war noch das Potential für Verbesserungen spürbar.

Dank Deadpool ist das Studio 20th Century Fox nun endlich aufgewacht und hat erkannt, dass man Menschen, die ihre Arbeit als Herzensprojekt sehen und den Charakteren unbedingt gerecht werden wollen, kreative Freiheit gewähren sollte, denn dann kann Großes entstehen. Auch oder gerade weil das auch bedeuten kann, dass man Inhalte für Erwachsene abliefert und auf ein Rating für die breite Masse verzichtet. Somit ist hier ein Kunststück gelungen, dass so gut wie keine Trilogie von sich behaupten kann, nämlich mit jedem weiteren Teil, einen besseren Film als den zuvor gedreht zu haben.

Ich werde im weiteren Verlauf auf eine explizite SPOILER-Warnung verzichten, also einfach erst weiter lesen, wenn ihr den Film gesehen habt. Mit Logan haben sich Regisseur James Mangold (von dem auch die Story stammt) und Hugh Jackman über typische Genre-Konventionen hinweg gesetzt. Dies ist kein Superheldenfilm, sondern ein Roadmovie mit Western-Elementen, in dem die Hauptfiguren eben gewisse Kräfte haben. Es geht auch nicht darum, die Welt zu retten, nicht einmal darum, das Richtige zu tun.

Logan war und ist ein Einzelgänger, der sich wenn es zu familiär oder intim geworden ist, immer von den Menschen zurückgezogen hat. Nun ist er alt, krank und hat sich mit seinem langsamen Sterbeprozess abgefunden. Wie ein verwundetes Tier versucht er diesen einen schönen Platz für sich zu finden, um sich zum Sterben dort zurück zu ziehen. Ausgerechnet in dieser Phase tritt Laura in sein Leben und mit ihr etwas, dass er so gar nicht brauchen kann: Verantwortung, eine neue Aufgabe und nicht zuletzt Hoffnung.

Was Mangold wirklich großartig hinbekommt, ist der Wechsel zwischen flüssig inszenierten und realistisch (nicht voll mit CGI-Effekten oder schnellen Schnitten) wirkenden Action-Sequenzen und Charaktermomenten, in denen einem die drei Hauptfiguren ans Herz wachsen. Ein Highlight was packende Action betrifft ist als Charles in einem Hotelzimmer einen Anfall hat und sich Logan an den bewaffneten Männern vorbei, zu ihm durchkämpft. Als die Szene zu Ende war habe ich mich selbst dabei beobachtet, wie ich erleichtert ausgeatmet hatte, denn ich hatte automatisch die Luft angehalten.

Ungefähr zur Halbzeit gibt es dann einen – in Ermangelung eines besseren Ausdruckes nenne ich ihn hier einfach – „What the Fuck“ Moment, bei dem erstens das Schicksal der verstorbenen X-Men angedeutet wird und es zweitens zu einem Antagonisten-Wechsel kommt bzw. ein neuer als X-24 bezeichneter Gegner eingeführt wird. Wobei das so nicht stimmt, denn der war immer schon präsent, hat nun sozusagen nur einen eigenen Körper bekommen.

Mister Logan steht nämlich (auch vom Comic her) schon immer für zwei Dinge. Auf Grund seines langsameren Alterungsprozesses, ist er älter als die meisten seiner Kollegen und hat auch viel mehr erlebt. Daher nimmt er fast automatisch die Rolle des väterlichen Mentors ein, der perfekte Krieger, der eine riesige Menge an Wissen weitergeben kann. Das er nicht zuletzt auch als Bestie gesammelt hat, als Killermaschine, die zahlreiche Menschen – egal ob schuldig oder unschuldig – voller Wut von seinen animalischen Instinkten dominiert einfach zerfetzt hat.

Diese beiden Seiten kämpften schon von Anfang an in seiner Brust und während Laura für seine gute Seite, die des Vaters/Beschützers steht, ist X-24 die Manifestation des Monsters in ihm, dass alle Hindernisse ohne Gefühle (abgesehen von Wut) mit Gewalt aus dem Weg räumt. Psychologisch nicht neu, denn der wahre Kampf wird eben immer im Inneren ausgetragen, doch wenn er so wie hier inszeniert ist, dann sollte davon durchaus auch einiges an die Oberfläche kommen.

Hugh Jackman (Eddie the Eagle) gibt hier wirklich alles. Er schafft es seiner ihm so wohl bekannten Rolle noch neue Aspekte abzugewinnen und besonders diese feinen Nuancen in seiner Mimik, machen Logan hier so vielschichtig wie nie zuvor. Dank der Maske wirkt er einfach extrem alt und müde, seine Anstrengungen auch im Alltag, übertragen sich auf den Zuschauer. Besonders beim finalen Kampf hatte ich dann wirklich selbst schon beinahe physische Schmerzen, denn was er alles einstecken muss und wie es präsentiert wird, das tut schon alleine beim Zusehen weh.

Auch Patrick Stewart (Star Trek: First Contact) als Xavier ist ungewohnt gebrechlich und sein Geist, der so vielen Menschen geholfen hat, ist nun zur Gefahr geworden. Trotz seiner temporären Verlorenheit, der er in besseren Momenten auch mit Zynismus entgegentritt, strahlt er eine unglaubliche Menschlichkeit aus. Dass Dafne Keen (The Refugees), die zu Beginn der Dreharbeiten gerade mal 11 Jahre alt war, mit diesen zwei Stars in Topform mithalten kann, ist neben dem langen Casting-Prozess und der Führung durch Mangold, sicher auch ihrem riesigen Talent zu verdanken.

Als Laura überzeugt sie einerseits mit ihren tierhaften Bewegungen in den Actionszenen, die zu den Besten im Film gehören, andererseits ist sie auch unbeholfen, da sie den sozialen Umgang mit Menschen nie richtig gelernt hat. Dann wiederum wirkt sie wie ein Kind, dass einfach nur Kind sein will. Sollte wirklich ein X-23 Film mit ihr in der Hauptrolle entstehen, wäre das sicherlich ein weiteres echtes Highlight. Auch wenn keine körperliche Gefahr von ihm ausgeht und er mehr Drahtzieher als direkter Feind ist, Boyd Holbrook (Jane Got A Gun) macht seine Sache ebenfalls gut als Transigen-Sicherheitschef Pierce, der gerade durch seine Ruhe und der Tatsache, dass er im Prinzip ein Fan von Wolverine ist, Bedrohlichkeit ausstrahlt.

Roh, brutal und gleichzeitig unheimlich menschlich. Schauspielerisch fantastisch, mit schonungslosen Soundeffekten, einem vielschichtigen Score von Marco Beltrami, technisch perfekt und mit keiner einzigen Szene, die sich nach dem Filmgenuss, unnötig angefühlt hat. Hätte man die über zwei Stunden Laufzeit straffen können? Natürlich, aber wieso hätte man das bitte tun sollen? Ein Film für Erwachsene, der nicht nur als Superhelden-Abenteuer sondern vor allem auch als Film an sich großartig ist. Wie sagt Logan am Ende so schön: „So this is what it feels like“. Ja mein lieber Logan, so fühlt es sich an eine Familie zu haben, danke dass wir Teil von deiner sein durften.

„Logan“ bekommt von mir 9,5/10 die letzte Reise mit all ihren schönen und schrecklichen Momenten genießende Empfehlungspunkte.

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One thought on “Logan: The Wolverine (Filmkritik)

  1. Was ich an Logan mochte:

    • Die Geschichte, voller Liebe zum Detail, eigenständig und dennoch ohne das übermäßig viel erklärt werden musste
    • Die Charaktere: in dieser Geschichte hat jeder seinen Platz
    • Jackman und Stewart: spielen beiden zum letzten Mal die Rolle ihres Lebens und zwar in jederlei Hinsicht perfekt
    • Dafne Keen: neben Wolverine so cool auszusehen ist ein ganz besondere Leistung. Bitte einen X-23 Film!
    • Stephen Merchant als Caliban: sympathischer kann man einen Charakter mit wenig Screentime nicht machen
    • Boyd Holbrook als Pierce: man merkt, dass es in dieser Geschichte nicht um ihn geht. Dennoch ist er für diese Geschichte der perfekte Bösewicht
    • Die Actionsequenzen: die perfekt choreographiert sind und etwas klar eigenständiges haben.
    • Die emotionalen Momenten: die einen nostalgisch werden lassen
    • Die Cinematographie: die diese post apokalyptische Welt perfekt einfängt
    • Der Soundtrack: der die Geschichte durch alle Höhen und Tiefen begleitet
    • und das man in gewissen Momenten den körperlichen und emotionalen Schmerz hundertprozentig mitfühlen konnte

    Ich hoffe das war nicht Mangolds letzter Superhelden-Film!

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