Im Jahre 1921 in England leiden viele Menschen unter den Folgen des ersten Weltkrieges und den damit vebundenen menschlichen Verlusten und so steigt in vielen der Glauben an Geister bzw. eine Welt nach dem Tode. Die Autorin Florence Cathcart (Rebecca Hall) arbeitet unter anderem für die Polizei als Aufdeckerin von jenen Menschen, die mit falschen Geistererscheinungen Geld verdienen oder einfach nur Menschen erschrecken wollen, weil es ihnen Spaß macht.
Ihr neuerster Auftrag betrifft Robert Mallory (Dominic West), den Leiter einer Internatsschule. Er bittet Florence darum in seiner Arbeitsstätte Erscheinungen rund um einen Geisterjungen zu untersuchen, durch dessen Schuld bereits ein Junge ums Leben gekommen ist. Die zunächst naturgemäß ziemlich skeptische „Geisterjägerin“ nimmt den Auftrag mit einer gewissen Selbstsicherheit an, die sie jedoch im Laufe ihrer Ermittlungen schnell einbüßen muss. Was steckt hinter der ganzen Geschichte und warum kommt Florence letztendlich an einen Punkt, an dem sie ihre bisherige gesamte Weltsicht in Frage stellt?
„The Awakening“ ist ein in England produzierter und gefilmter Geisterfilm mit Grusel-, Mystery- und Dramaelementen. Regie führte Nick Murphy, der bisher vor allem für seine Arbeit an Fernsehserien (Primeval) und Dokumentationen bekannt ist und hiermit sein Spielfilmdebut feiert, das im September 2011 auf dem Toronto Film Festival seine Erstaufführung feiern durfte.
Geisterstorys werden ja in Filmen meistens auf zwei Arten verpackt: Entweder ein plakativer Schockeffekt jagd den nächsten und vor lauter schnellen Schnitten und unnötig lauter Scoreunterlegung der Schreckpassagen, kommt so gut wie keine Stimmung/Spannung auf. Oder es wird langsam eine unheimliche Grundstimmung aufgebaut und mit wohl dosiertem Schrecken wird so langsam und subtil ständig an der Spannungsschraube gedreht, bis es zum unvermeidlichen Herzschlagfinale kommt.
Zum Glück handelt es sich in diesem Fall um eine europäische Produktion und somit gehört „The Awakening“ in die zweite Kategorie. Lange Einstellungen, langsame Schwenks, klassische Musik von elegisch bis enervierend, das ganze gefilmt mit diesem speziell kalten „Trostlos-Farbfilter“, schon entsteht hier eine eigene Atmosphäre, der man sich nur schwer wieder entziehen kann. Alles spiegelt irgendwie die Einsamkeit der Hauptfigur wieder, die ihre Negation des Übernatürlichen zunehmend verzweifelt als Schutzschild permanent vor sich trägt, obwohl sie in ihrem Inneren nur allzu gerne vom Gegenteil überzeugt werden würde.
Natürlich liegt gerade bei so einer Story einiges an der Performance der Hauptdarstellerin, da sie den gesamten Film quasi auf ihren Schultern trägt. Unter dieser Herausforderung wächst Rebecca Hall (The Town) über sich hinaus und zeigt meiner Meinung nach ihre beste mimische Leistung bisher. Unnahbar, resolut, innerlich gebrochen und eher männlich in ihrem Auftreten zu Beginn der Geschichte, wandelt sie sich zu einer stärkeren, weiblicheren Person, die dank der Offenlegung ihrer Gefühle endlich die Möglichkeit zur Heilung bekommt.
Neben ihr bleibt zwar nur wenig Platz, doch auch Dominic West (Johnny English 2) als Schulleiter und Kriegsheld, der sich konsequent und wortgewandt in das Herz von Florence und den Zuschauern spielt kann hier sehr überzeugend zeigen, dass er nach ein paar Bösewichtrollen nicht darauf festgelegt werden sollte, da er durchaus auch als Held zu gefallen weiß. Auch Imelda Staunton als guter Geist (nicht wörtlich gemeint) der Schule bleibt im Gedächtnis, da sie diese unheimliche Ausstrahlung besitzt, die irgendetwas unterschwellig bedrohliches vermittelt.
Der Dramaanteil ist hier insgesamt deutlich größer als der Mysterytouch, doch sind beide Teile unzertrennlich miteinander verbunden, was vor allem die Auflösung der Geschichte am Ende sehr schön zeigt. Lust, Trauer, Rache, Einsamkeit, unterdrückte Erinnerungen und der von mir erwartete Schlußgag sorgen für ein mehr als befriedigendes Gesamtergebnis, nach „Insidious“ ist nun mein Glaube an moderne Filmemacher und deren Fähigkeit gut erzählte und gemachte Geisterstorys zu verwirklichen, noch weiter gestiegen.
„The Awakening“ bekommt von mir 7,5/10 natürliches Drama mit übernatürlichem Schrecken bekämpfende Empfehlungspunkte.