Rampage (Filmkritik)

Bill (Brendan Fletcher) ist ein 23 jähriger junger Mann, der immer noch bei seinen Eltern zu Hause wohnt und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Als sein Vater (Matt Frewer) und seine Mutter (Lynda Boyd) wieder einmal einen Termin für ein Familiengespräch mit ihm ausmachen, kommt er wie so oft zu spät und treibt sich lieber mit seinem sozialkritischem Kumpel Evan (Shaun Sipos) herum.

Er vertröstet seine Eltern desinteressiert auf den nächsten Tag und verspricht, er habe morgen großartige neue Dinge zu erzählen. Der kommende Tag könnte tatsächlich ein unvergesslicher werden, denn Bill hat einen perfiden Plan entwickelt, wie er seine aufgestaute Wut gegen die Gesellschaft abbauen kann und gleichzeitig den Bevölkerungsüberschuss etwas vermindern wird. Ein selbstgebastelter Kampfanzug, ein paar Maschinengewehre und einige individuell angefertigte Bomben werden Bill dabei sicherlich tatkräftig unterstützen.

Rampage Uwe Boll Film

Rampage ist einer dieser Filme nach denen man nicht mehr behaupten kann, daß Uwe Boll nicht Regie führen kann bzw. nur schlechte Filme hervorbringt. Ok, auf der einen Seite haben Filme wie „House of the Dead“, „Alone in the Dark“, „Bloodrayne“ und „Far Cry“ den Zorn des Publikums voll verdient. Dies waren jedoch alles Auftragsarbeiten und Computerspielverfilmungen, bei denen Boll sichtlich keinerlei Anspruch hatte sondern anscheinend nur auf möglichst leichte und seichte Weise unterhalten wollte.

Auf der anderen Seite stehen der kompromisslose Horrorfilm „Seed“, die völlig durchgeknallte Satire „Postal“ (he, mal eine gute Spieleverfilmung), der authentische Kriegsfilm „Tunnel Rats“ und das sadistische Gefängnisdrama „Stoic“ alias Siegburg. Rampage ist nun der nächste Vertreter der Filme, die Boll sichtlich wichtig waren – auch das Drehbuch stammt von ihm persönlich – und mit denen er etwas aussagen wollte.

Zu Beginn ist mir sofort die „Boll-untypische“ Wackelkamera aufgefallen. Auf ein Stativ wird fast gänzlich verzichtet, schnelle Schnitte und Zooms bringen hier den Zuseher hautnah ans Geschehen heran. So wird ein nahezu domkumentarischer Erzählstil erreicht, der es dem Betrachter ziemlich erschwert, die nötige Distanz zu der unangenehmen Handlung zu bewahren. Die gezeigten Bilder springen schon zu Beginn des Filmes zu den blutigen Ereignissen, die im Verlauf der Geschichte passieren werden. So bekommt man eindeutig das Gefühl, daß Hauptdarsteller Bill eine tickende Zeitbombe ist, der seinen Amoklauf schon länger geplant hat und geistig immer wieder durchspielt bzw. ziemlich lebhafte Fantasien davon hat, wie es sein wird, wenn er zuschlagen wird.

Geht das Gemetzel schließlich los, hat der junge Täter keinerlei Skrupel, jeden Mann und jede Frau die ihm über den Weg laufen, einfach abzuknallen. Dabei geht er völlig wahllos vor, begleicht aber auch persönliche Rechnungen mit einem Kaffeeverkäufer, der eindeutig sein Handwerk nicht versteht und Bill trotzdem sein Geld nicht zurück geben wollte. Eine harte Szene, in der Bill eine Gruppe von wehrlosen Frauen umbringen muss, da sie ihn ohne Maske gesehen haben, ist mir als besonders gefühlskalt in Erinnerung geblieben.

Boll versteht es hier sehr gut, eine alles und jeden als Opfer sehende Erwartungshaltung beim Zuschauer zu wecken. Als der Amokläufer zum Beispiel eine riesige Halle voll Bingo spielender Langeweiler betritt denkt man sofort, daß es hier gleich dutzende Tote geben wird. Nach Genuss eines ekligen Sandwiches kommt Bill jedoch zu der Ansicht, daß diese gehirnlosen Wesen seine Rettung nicht verdient hätten.

Besonders erschreckend, abgesehen von den weltfremden Beweggründen des Hauptprotagonisten ist die Tatsache, daß einige Zuseher (zumindestens anfänglich bzw. von der Idee her) gut finden werden, was Bill sich da ausgedacht hat. Wer kennt das denn nicht. Ein lästiger, besonders langsamer Kunde vor dir bei der Kassa, eine unfreundliche Bedienung im Fast Food Restaurant. Gedanklich stellt man sich dann manchmal vor, sie aus dem Fenster werfen zu können oder ihr/ihm mit irgendeinem schmerzhaften Gegenstand eine zu verpassen. Nun, Bill tut dies wirklich und so macht er uns alle zu seinen Mittätern.

Brendan Fletcher, der schon einige Erfahrung in Boll Filmen gesammelt hat, spielt seine Rolle echt großartig. Ihm kauft man den Psychopathen aus Langeweile, der in seiner eigenen Welt lebt und eine fixe Vorstellung von dem Lauf der Dinge hat, in jeder Sekunde 100 prozentig ab. Seiner Meinung nach, hat nicht jeder Mensch das Recht auf Leben. Manche müssen eben beseitigt werden, damit andere es besser haben können. In einer Videobotschaft spricht er so uns alle persönlich an. WIr haben ein gutes Leben, da er die Schmarotzer daran hindert, unsere wervollen Ressourcen aufzubrauchen.

Ich muss ja zugeben, ich habe eigentlich keine Ahnung, ob Boll mit diesem Film zum Nachdenken auffordern, oder einfach nur aufregen wollte. Wie ich ihn kenne wollte er beides schaffen und hat dies auch ganz gut hinbekommen. Gute Darsteller, ein paar echt wuchtig aussehende Explosionen, eine durchdachte Handlung und eine völlig kompromisslose aber nie plakative Kameraarbeit und die dazu passende Erzählweise. Hier gibt es alles, was Boll-Hasser nicht sehen wollen.

Wieder mal kein angenehmer Film von Doktor Uwe Boll, den ich mir wohl nicht nochmal ansehen werde und der nicht in meinem DVD Regal landen wird. Auf den nächsten ernsthaften Film von ihm freue ich mich dennoch jetzt schon. Der Mann kann das, wiederholt sich nicht und bleibt von seinen Themen her am Zeitgeist orientiert und in der Umsetzung mutig.

Rampage bekommt von mir 7/10 so ziemlich alle niedermähende Empfehlungspunkte.


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