Talk To Me (Filmkritik)

Mia (Sophie Wilde) hat ihre Mutter vor zwei Jahren verloren und sich von ihrem Vater entfremdet. Deswegen hat sie auch viel Kontakt zu ihrer Freundin Jade (Alexandra Jensen), deren Bruder Riley (Joe Bird) und sieht sich auch ein wenig als Ziehtochter von deren Mutter Sue (Miranda Otto).

Auf einer Party kann Mia dann feststellen, dass ein Internet-Phänomen wirklich wahr ist: Die einbalsamierte Hand eines toten Mediums kann bei Kontakt und den Worten „Talk To Me“ eine Verbindung zu Toten herstellen. Und wenn man ein „I let you in“ hinterherhaucht, dann wird man von dieser Person übernommen.

Nur sollte man nach 90 Sekunden die Sache beenden, sonst könnte es sein, dass die beschworene Seele nicht mehr loslässt und sich fest einhakt in der beschwörenden Person. Und natürlich: Alkohol und Partylaune und die Tatsache, dass Mia mit ihrer (toten) Mutter gesprochen hat, führen dazu, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft …

„Talk To Me“ ist eines der Horror-Phänomene 2023. Der Film wurde gefeiert und immer wieder als der furchteinflößendste Film aller Zeiten gefeiert. So wie irgendwie mittlerweile jedes Jahr ein Film daherkommt, der diesen Titel von irgendjemand online oder den Medien oder so verliehen bekommt. Dementsprechend ist meiner Erwartungshaltung bei dieser Art von Hype mittlerweile immer sehr verhalten. So auch bei diesem Film hier.

Bevor ich sage, wie er mir gefallen hat, ein paar Vorinformationen, was man bei diesem Film zu erwarten hat bzw. was er nicht ist: Er ist keine Schlachtplatte. Der Film hat seine brutalen Momente, aber die sind eher deshalb intensiv, weil sie Leuten passieren, bei denen man nicht möchte, dass ihnen etwas passiert. Wirklich gut gefallen hat mir die Dynamik mit Sue, also Miranda Otto, die als Mutter von Riley und Jade zwar verhältnismäßig wenig Szenen hat, diese aber alle für sich beanspruchen kann. Das liegt an der Art, wie die Figur geschrieben ist, als auch daran, wie souverän Miranda Otto sie spielt. Die Frau muss man einfach mögen und merkt, wie wichtig ihr ihre Kinder sind.

Auch nicht damit gerechnet hatte ich, wie sanft der Film ist. Und zwar in dem Sinn, dass die Macher:innen sich Zeit nehmen für Gefühle, für Stimmungen und dafür, wie schwer manche Dinge wiegen. Die Entwicklungen zwischen den Figuren – nachdem Schreckliches geschehen ist – sind absolut nachvollziehbar. Ich rede hier nicht von der Hauptfigur, denn diese hat zu diesem Zeitpunkt schwere psychische Probleme und kann per Definition keine rationalen Entscheidungen mehr treffen, aber Jade oder eben Sue.

Das Schauspiel passt gut, Sophie Wilde geht durch alle Emotionen – auch wenn sie am Ende klar bei Depression, Resignation und einfach Panik hängenbleibt. Die. Effekte sind gut und die Macher haben auf jeden Fall gewusst, was sie hier machen und was sie machen wollen.

Alles in allem also kein Slasher, sondern ein sich langsam aufbauender Psychohorror, der Schippe um Schippe drauflegt. Bis zum Ende hin, welches auch nicht als extreme Eskalation daherkommt, sondern eher poetisch anmutet, was vermutlich nicht allen gefallen wird. Ich finde das Ende zwar passend, aber auch irgendwie ein wenig rasch und antiklimatisch. Auch das, was impliziert wird, fand ich nicht so prickelnd, denn das würde eine ganze Reihe an Fragen auslösen, die zumindest ich mir nicht so richtig zusammenreimen kann bzw. tauchen da noch viel mehr Fragen im mir auf. Aber okay, das darf sein, es ist immer okay, wenn ein bisschen was offen bleibt.

Wie hat mir der Film also gefallen: Er war gut. Die erste Stunde hat er sich auch irgendwie frisch angefühlt und wie die Sache dann ins Rollen kommt, das hat sich richtig organisch angefühlt, nicht erzwungen oder so. Ich glaube auch, dass wir alle diese Art von Party kennen, wo man sich gegenseitig in irgendwelche „Challenges“ reinsteigert und gegen Ende hin immer wieder jemand bereut, was er oder sie gemacht hat. Das fängt schon an bei peinlichen Geständnissen bis hin zu ein bisschen ekligen Momenten (ich sag nur: Knutschen mit Hund) und solche Dinge.

Wenn das Drama dann seinen Lauf nimmt, dann hofft man die ganze Zeit über, dass der Person, der das Unglück passiert ist, nichts passiert und die Sache eine gute Wende nimmt – was natürlich nicht passieren kann. Aber es funktioniert. Es hält bei der Stange. Und auch, dass die letzte Entscheidung von Mia eine gute Entscheidung ist – im Rahmen ihrer eingeschränkten Möglichkeiten.

„Talk To Me“ ist für mich also ein wirklich cool gemacht, erstaunlich entspannter und sich auf seine Figuren verlassender Horrorfilm mit einer Prämisse, die nicht neu ist, aber neu wirkt und gut umgesetzt ist. Das Ende ist konsequent und passt, die Schauspieler:innen hauen sich rein (ich fand auch Alexandra Jensen als Jade super) und die Atmosphäre passt.

Ob man „Talk To Me“ jetzt als Horrorfilm empfindet oder doch eher als Gruselthriller ist eine technische Standpunktfrage. Wichtig ist, dass ihr euch kein Gore erwartet und keine Teenies, die im Dutzend sterben, sondern stattdessen eine kleine Gruppe von Menschen, die sich wirklich echt anfühlen und die schrecklichsten Momente spielen sich tatsächlich auf der zwischenmenschlichen Ebene ab.

Das furchteinflössendste des Films ist in meinen Augen wie furchtbar allein alle Figuren im Film eigentlich sind, wie sehr sie sich nach echter Freundschaft und Nähe sehnen und wie wenig es ihnen allen gelingt. Und wenn doch, dann meistens auf Kosten anderer, denen man ihr Glück zwar gönnt, sich aber dennoch die ganze Zeit über fragt, warum man selbst nicht auch so viel Glück hat und irgendwie dann doch ein klein wenig neidisch ist. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Was für viele natürlich quasi unmöglich ist.

„Talk To Me“ bekommt von mir 6,5 von 10 möglichen, seine Prämisse tatsächlich gut und geerdet ausspielende, Punkte.


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