13 Reasons Why aka Tote Mädchen lügen nicht – Staffel 4 (Serienkritik)

Nach der folgenschweren Entscheidung am Ende von Staffel 3 müssen nun alle mit den Konsequenzen leben. Jede/r geht anders damit um. Während zum Beispiel Zach (Ross Butler) beschließt, dass nichts mehr wichtig ist und man einfach nur noch Spaß haben sollte (aka sich sinnlos betrinken), so macht Justin (Brandon Flynn) einen Entzug um endlich seiner Abwärtsspirale zu entkommen und Clay (Dylan Minette), nun, der wird langsam wahnsinnig.

Während also alle irgendwie ein wenig durchdrehen, paranoid werden und jede/r von jedem/jeder erwartet, dass er ihm/ihr in den Rücken fällt, mischt sich Winston (Deaken Bluman) in die Belange des Liberty College ein, denn er ist überzeugt, dass Monty (Timothy Granaderos) zu Unrecht eines Mordes beschuldigt wurde – primär weil er zum Tatzeitpunkt mt ihm zusammen war – und von der Gruppe rund um Clay als Sündenbock missbraucht wird …

Die vierte und letzte Staffel ist also endlich draußen und über unsere Bildschirme/Fernseher geflimmert. Gut so, denn, wenn wir mal ehrlich sind: Es gab nicht mehr viel zu sagen. Wie ich in der Kritik zu Staffel 3 bereits vermutet hatte, dreht sich in der letzten Staffel alles um die Frage, wie mit der Schuld, die alle auf sich geladen haben, umgegangen wird.

Und Überraschung: Die vierte Staffel ist wieder um einiges unterhaltsamer und weit weniger nervig als die dritte Staffel. Das macht sie nicht zwingend besser. Sie ist nur unterhaltsamer. Das kommt allerdings auch mit einem hohen Preis, denn auf Anspruch auf Realität wird hier nun völlig gepfiffen. Hier haben wir die Fantasy-Version eines psychisch Kranken mit Wahnvorstellungen, der im Zufallswunderland lebt und der (oder die) ohne Konsequenzen machen kann, was er/sie will, weil er/sie es „ja so schwer hatte“.

Starker Tobak mit – immer noch – einer Message, die ich nur schwer verdauen kann. Leute, echt jetzt? Es fing mit Staffel 1 und (mit Abstrichen) 2 so gut an. Aber der Reihe nach:

Die erste Hälfte, der nur noch aus 10 Folgen bestehenden Staffel, nimmt teilweise wirklich gruselige Ausmaße an und versprüht teilweise einen Horrorfilm-Vibe. Die Wahnvorstellungen, die Aussetzer, alles da. Der beste Freund, der vorher der Loser war und jetzt am Weg nach oben ist, während man selbst in Richtung Abgrund rauscht. Da passiert wirklich viel. Und nichts davon hat Konsequenzen. Sicher, einer der Hauptcharaktere kommt in die Nervenheilanstalt – haut dort ab(!) und nichts passiert, weil sein Psychotherapeut mit dem Sheriff redet und ihm erklärt, dass da schon passt. Da entdeckt ein Sheriff, dass einer seinen Mitarbeiter einen Mord vertuscht und erklärt diesem Kollegen locker-flockig, dass Familie halt vorgehen würde. Da passieren Dinge, die im richtigen Leben hoffentlich(!) nicht einfach so ohne Konsequenzen passieren.

Dann gibt es noch den Tod eines Hauptcharakters, der völlig unnötig in die Länge gezogen wird und noch dazu viele Abschiedsdialoge, die einfach nur peinlich waren. „You taught me what love is.“ – „At least you’ll always have that“. Ich möchte kotzen.

Der Erzähler ist dieses Mal wieder Clay, was die Sache besser macht. Viel besser. Auch die neue Figur des Therapeuten, dem Clay in seinen Sitzungen viel erzählt ist super geworden, denn – sind wir ehrlich: Gary Sinise hat es drauf. Der Mann ist geboren für so eine Rolle (allein schon sein Grinsen). Ein weiteres Highlight war die Figur von Zach Dempsey (der dann in einer einzigen Mini-Szene fast demontiert wurde).

Wirklich, wirklich schlimm fand ich, wie mit der Figur der Jessica umgegangen wird, die sich mittlerweile zu einer manipulativen Giftschleuder entwickelt hat, der ich kein einziges Wort von dem was sie sagt abkaufe. Keine Ahnung, ob das an der Schauspielerin liegt oder ob sie in dieser Staffel schlecht geschrieben ist, aber ihre Figur … nein, danke. Zu viel ist zu viel. Das muss man mal schaffen, dass man ein Vergewaltigungsopfer („Rape Survivor“ hat meines Wissens noch keine passende, deutsche Übersetzung) so dermaßen unsympathisch hinstellt. Dabei geht es mir weniger darum, was sagt sie, sondern wie sie es sagt. Präpotenz hat einen neuen Namen.

Ani ist auch wieder dabei, wird aber zum Sidekick degradiert und kommt in ein paar Folgen sogar überhaupt nicht vor. Passt auch, ich habe sie nicht vermisst und sie hat auch dieses Mal wieder ein paar Szenen, die einfach zum Haare raufen sind.

Wie gesagt ist die Serie an sich in der vierten Staffel aufgrund der Loslösung von Logik jetzt frei geworden zu machen was sie will, so toben sich auch die Autor*innen aus. Macht Spaß, passt gut und unterhält, aber von Anspruch oder Spannung sind wir meilenweit entfernt. Ich war wieder versöhnt. Wenn man von diesem völlig unnötigen und grenzdebilen Sci-Fi-Anfang mal absieht. Was sollte das denn bitte?

Und dann kam das Staffelende, welches in meinen Augen eine Katastrophe darstellt und alle Versuche um Vergebung, Reue, Wiedergutmachung oder sogar einfach nur um Bestrafung für eine schreckliche Tat wegwischt. Man bringt sogar – völlig grundlos – Figuren aus der ersten Staffel zurück, die für mich einfach nicht in der Story begründet waren. Am Ende – Vorsicht, leichter Spoiler – vergräbt man die Tapes von Hannah, als ob die Geschichte noch im Ansatz etwas damit zu tun hätte.

Wirklich schlimm fand ich allerdings, dass es für niemanden Konsequenzen für die Dinge gibt, die sie angestellt haben. Für NIEMAND. Das finde ich noch schlimmer als das Ende von Staffel 3.

Gut, dass es vorbei ist.

„13 Reasons Why – Staffel 4“ bekommt von mir 6 von 10 möglichen Punkten, weil sie Sache mittlerweile wieder unterhaltsam ist. Würde ich allein nach meiner Emotion nach dem Ende der Staffel Punkte vergeben, dann wäre es ne 2. Allerdings, wie gesagt: Der Weg ist ja unterhaltsam und technisch super gemacht.


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