Robert ist anders als seine Brüder und Schwestern. Denn Robert ist telepathisch veranlagt und kann Dinge explodieren lassen. Als er das feststellt, beginnt er daran gefallen zu finden, trifft auf seinem Weg eine schöne Unbekannte (Roxane Mesquida, Sennentuntschi) und verliebt sich in sie.
Er verfolgt sie in eine kleine Stadt, wird schlecht behandelt, sieht wie seine Brüder und Schwestern verbrannt werden und zieht eine Spur der Verwüstung nach sich. Bis sich der Sheriff unter Mithilfe der mysteriösen Schönheit endlich mit der Realität abfindet und Jagd auf Robert macht. Habe ich schon erwähnt, das Robert kein Mensch ist, sondern ein Reifen? Ja, ihr lest richtig. Robert ist der erste Killerreifen(!) der Filmgeschichte.
Ja, ihr lest und seht richtig. Robert, der Reifen auf seinem Killerfeldzug. Das ist wirklich neu. Und es ist genauso, wie es auf dem Cover beworben wird: „Rubber“ ist der beste Killerreifen-Film, den ihr bist jetzt gesehen habt! Dabei ist es alles andere als ein einfacher Film. Man sollte meinen, dass ein Horrorfilm mit Killerreifen für viele Lacher gut ist, aber Regisseur Quentin Dupieux verlässt sich nicht auf diese einfach-geniale Idee, er macht daraus etwas Komplexeres.
Denn die Geschichte von Robert wird nicht nur von den Leuten vor dem Fernseher mitverfolgt, nein, es ist auch gleichzeitig eine Live-Show, die von einer ganzen Gruppe von Zuschauern in der Wüste mit Ferngläsern aus beobachtet wird. Und das wirklich coole daran: Die ganze Sache läuft nur so lange weiter, wie Leute zusehen. Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen: Einige der Mitarbeiter und Unterstützer von Roberts „Mission“ wissen, dass sie in einem Film mitspielen. Und haben eigentlich die Schnauze voll davon. Aber sich mit Robert anlegen … das geht ja wohl nicht. Also müssen die Zuseher weg …
Das führt zu ein paar sehr absurden und witzigen Szenen, da zum Beispiel später im Film einer der Hauptcharaktere glaubt, dass alle Zuseher tot sind und dann seinen Kollegen erklären will, dass sie jetzt aufhören können den Killer zu suchen, einfach zusammenpacken und heimfahren. Alle sehen ihn verwirrt an. Plötzlich taucht sein Assitent auf und flüstert ihm ins Ohr. Jemand hat überlebt. Worauf hin der Kerl sichtlich verfällt, seine KollegInenn angrinst, ein nettes „Alles okay, mir gehts gut. Macht weiter. Und vergesst alles, was ich gerade gesagt habe“ an die Mannschaft bringt, flucht und resigniert zu seinem Job zurückkehrt.
Allerdings ist es ein Humor, der sehr subtil ist. Hier handelt es sich um keinen „Nackte Kanone“-Film, der die Witze mit Dampfhammer ins Gesicht der Zuschauer prügelt. Im Gegenteil. Die Szenen sind allesamt trocken und eigentlich sogar ziemlich langsam, fast schon Humor-kontraproduktiv, gefilmt. Die Absurdität und Skurrilität der Szenen wird durch die langsame, entspannte Inszenierung fast schon erschlagen und streckenweise könnte man es fast langweilig nennen. Fast. Denn in den meisten Fällen kriegt der Film die Kurve und die Idee, die Zuseher in der Wüste nicht nur als „Meta-Ebene“ mitreden und kommentieren zu lassen, sondern sie sogar als zentralen Teil der Handlung einzubauen ist fast genial.
Was aber auch bedeutet, dass die Geschichte um Robert ein wenig zu kurz kommt. Wer auf Antworten wartet (warum ist Robert, wie er ist?), der bekommt sie am Anfang des Films in Form eines kurzen Monologs. Kurzfassung: „No reason“.
Wirklich genial ist die schauspielerische Leistung von Stephen Spinella als Sheriff, der langsam am Verzweifeln ist. Genauso wie Jack Plotnick einen absolut schmierigen Assitenten gibt. Und Roxane Mesquida hat seit „Sennentuntschi“ bei mir ohnehin einen Stein im Brett – auch wenn sie hier absolut nichts zu tun hat, außer ein wenig herumzulaufen und einmal zu duschen.
Nochmals, um es zu verdeutlichen: „Rubber“ ist ein Film, der absolut und zu 100 Prozent ernst präsentiert wird. Wer mit der Inszenierung mitgeht, wird vermutlich nach zwanzig Minuten abschalten – Ernst genommen kann der Film nicht funktionieren. Wer das allerdings nach zwanzig Minuten noch immer nicht geschnallt hat, hat sowieso einen an der Waffel.
Die Kombination aus surrealen Dialogen, absurden Szenen, der Tatsache, dass manche im Film wissen, dass sie in einem Film sind, andere nicht und die damit verbundenen Aktionen sind einfach super. Auch die Machart von Robert, der anfangs aufwacht und sich seiner Kräfte bewusst wird und ein wenig testet ist super, wie überhaupt die ersten Minuten die man mit Robert verbringt, fast perfektes Kino sind. Wie gut muss man sein, um dem Zuseher zu vermitteln, das ein Reifen(!) mit Bewusstsein erwacht und dieser langsam zu entdecken beginnt, dass er von alleine rollen kann und seinen Spaß am Morden hat. Zuerst bei Dosen, dann Flaschen und letztlich an Lebewesen. Völlig ohne Dialoge. Man versteht wirklich nur anhand der Bilder, was in Robert vorzugehen scheint – alleine diese ersten Minuten (ich glaub, es sind rund 20 bis 30) sind es aus filmtechnischer Sicht wert, den Film zu sehen.
Ich meine, Leute, man verfolgt die Gedankengänge und Emotionen eines Reifen. Ohne Mimik (wie auch?). Und trotzdem versteht man alles. Hut vor dem Herrn hinter der Kamera.
„Rubber“ bekommt von mir 9 von 10 möglichen Punkten, weil es diese Kombination aus Satire, Horror, Sozialkritik und Absurdität einfach kein zweites Mal geben wird. Auch wenn ich weiß, dass viele den Film vermutlich absolut nicht mögen werden – er ist einfach schon ob seiner Einzigartigkeit sehenswert.
Best of Worst Case-Urteil (Trashfaktor:Story):
Sicher nicht ein Film für jedermann/frau, aber in meinen Augen aufgrund der Abgedrehtheit absolut sehenswert. Wie oft im Leben hat jemand die Idee einen Film über einen Killerreifen zu machen – und tut das dann auch noch?
Fazit: Genial!
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