Winnie The Pooh: Blood And Honey (Filmkritik)

Christopher Robin (Nikolai Leon) geht ans College und Winne Pooh und seine Freunde bleiben allein im Hundert-Morgen-Wald zurück. Sie hungern, sie frieren, sie sind allein. Irgendwann können sie nicht mehr und in ihrer Verzweiflung essen sie einen der ihren. Das bricht sie. Sie schwören dem Menschsein ab und geloben nie wieder zu sprechen.

Jahre später kehrt Christopher Robin mit seiner Verlobten zurück. Niemand hat ihm geglaubt und alle meinten, er hätte imaginäre Freunde gehabt – deshalb will er Mary (Paula Coiz) seine alten Freunde zeigen. Aber etwas ist seltsam im Wald. Alles wirkt düster. Bedrückend. Und dann – plötzlich – stehen sie vor Winnies Hütte. Aber warum liegen Skeletteile herum? Warum wirkt das alles hier wie aus einem Horrorfilm? Da kann etwas nicht stimmen. Dann taucht Winnie auf und Christopher und Mary verstecken sich, denn der Bär sieht alles andere als kuschelig aus. Sie schleichen sich nach draußen, aber da werden sie von Ferkel angefallen. Er tötet Mary und Christopher nehmen sie gefangen.

Am Rande des Waldes steht ein Haus, in das sich fünf Freundinnen zurückziehen. Hauptsächlich weil Maria (Maria Taylor) zuhause gestalked wurde. Aber auch die anderen Damen wollen mal abschalten. Bis auf Lara (Natasha Tosini), die Social-Media abhängig ist und ihren Fans im Whirlpool was bieten möchte.

Aber alles kommt anders als sie denken, denn da tauchen zwei Verrückte auf, die entweder Winnie Puh und Ferkel-Masken tragen oder es sind mutierte Freaks. Jedenfalls beginnen sie, die Mädchen zu jagen …

Die Welt ist verrückt und die meisten Menschen haben irgendwie die Fähigkeit verloren Mäßigung zu üben oder Dinge in einen Kontext zu setzen. So in etwa sind meine Gedanken, seit ich vor ein paar Tagen die Slasher-Variante von Winnie Puh gesehen habe. Und das hat wenig mit der vorhandenen oder nicht vorhandenen Qualität des Produkts zu tun, sondern mit den Reaktionen der Leute darauf. Ich meine, wenn ich mir auf der IMDB (Internationale Movie Data Base) die Kritiken zu diesem Film ansehe, dann bin ich mir nicht sicher, ob diese Leute den Film überhaupt gesehen haben, denn was da alles drin steht … ein Wahnsinn. Ich könnte mich jetzt stundenlang darüber aufregen, was das über unsere Zeit aussagt, wenn Leute Kritiken schreiben zu Filmen und einfach aus der Luft gegriffene Dinge behaupten, die nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun haben. Da wird von einem Amateurfilm gesprochen, der die optische Finesse eines Urlaubsvideos hat oder davon, dass der Film eigentlich PG-13 sein müsste, weil er einfach nicht brutal ist oder dass er so finster beleuchtet ist, dass man nichts erkennt oder dass die Schauspieler:innen stottern(!) und noch so viel anderes Zeug. Das ist echt irre. Einfach irre.

Ich verstehe es nicht. Leute, es ist okay, wenn der Film euch nicht gefällt. Ihr könnt einfach sagen: Ich fand ihn mies. Ich mochte ihn nicht. Mir war langweilig. Was auch immer. Ihr müsst nicht Dinge erfinden, damit ihr eure Meinung nach außen hin rechtfertigt. Es ist okay, etwas nicht zu mögen. Es ist sogar okay, Dinge nicht zu mögen, die andere großartig finden. Ich mag zum Beispiel die Musik von Taylor Swift nicht. Trotzdem erfinde ich keinen Mist über sie und stelle den ins Internet.

Zeitgleich hab ich – weil ich schon dabei war – mal geguckt, was den Leuten so als Reaktion auf den (sehr klaren) Trailer eingefallen ist. Was soll ich sagen? Da versuchen ganz viele Leute witzig zu sein (ohne witzig zu sein) und die Menge an „Pooh“ (auf Deutsch: Kacke) Witzen ist einfach unglaublich. Sind wir wirklich allesamt dermaßen infantil, dumm und narzisstisch, dass wir einerseits denken wir hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen und andererseits so dermaßen unsicher in unserem Selbstwert, dass wir unsere Meinung nicht einfach vertreten können, sondern Argumente erfinden müssen, die uns (wären sie wahr) besser dastehen lassen? Irre. Völlig irre. Und wohl auch ein Zeichen der Zeit, aber hallo – wenn das ist, wie wir miteinander umgehen, dann ist es vielleicht okay, wenn die Apokalypse kommt.

Und dabei geht es hier um nichts. NICHTS. Das ist ein Film. Niemand muss sich den ansehen. Niemand wird dabei beleidigt. Niemand kam zu Schaden. Da hatten ein paar Leute eine Idee, konkret Rhys Frake-Waterfield und A. A. Milne, haben ein Budget von knapp 100.000 Dollar aufgestellt (Respekt an dieser Stelle!) und ein paar aufstrebende Schauspieler:innen gefunden, welche die Idee genauso witzig (oder schräg) fanden wie sie, und dann haben die gemeinsam einen Film gemacht.

Diesem Film kann man sicher vieles ankreiden. Aus meiner Sicht zum Beispiel, dass das Drehbuch noch mehr Arbeit verdient gehabt hätte. Es gibt gute Ansätze und die Story-Idee finde ich tatsächlich genial, aber in Summe wäre weit mehr drin gewesen als das hier. Es gibt diverse Szenen im Film bei denen ich nicht verstehe, wozu die dienen sollen und warum die drin sind. Und andere Szenen, bei denen die Kamera plötzlich in eine Richtung filmt in der nichts passiert. Warum? Keine Ahnung. Aber nach zwei Sekunden ist eh wieder alles im Bild. Passt schon. Hätte man sicher anders lösen können, aber es ist auch nicht schlimm per se.

Oder die schauspielerischen Leistungen: Über die kann man klar diskutieren, denn das hier ist sicher kein ernstes Drama bei welchem ich allen Involvierten alle Emotionen glauben muss, aber tatsächlich fand ich die alle wirklich in Ordnung. Ich war sogar so weit, dass es zwei Figuren gab, die ich wirklich, wirklich gerne hätte überleben sehen (Jessica, gespielt von Natasha Rose Mills und Tina, gespielt von May Kelly). Oder die unnötige und übertriebene Brutalität – ja, die ist trotz diverser Aussagen im Internet absolut vorhanden. Da sieht man schon mal, wie einer Person der Schädel eingeschlagen wird, wie mit einem Auto langsam über einen Kopf gefahren wird, wie eine Machete langsam durch den Kopf in den Baum dahinter gestoßen wird. Das alles sieht man. Sehr, sehr deutlich. Und unterlegt mit einem Sounddesign das sich gewaschen hat. Wer also Gore will: Bitte, hier habt ihr ihn. Die Grenze zum „Torture Porn“ ist haarscharf und manchmal ist es knapp davor zu kippen, aber man reißt das Ruder (in meinen Augen) immer noch rechtzeitig herum. Auch wenn es hin und wieder wirklich, wirklich haarscharf ist.

Dann der Schnitt: Ja, es gibt Szenen, die hätte man um die Hälfte kürzen können. Der Mord im Swimming Pool zum Beispiel. Der war richtig, richtig lang. Hätte wohl dem Spannungsaufbau dienen sollen, hat sich für mich aber einfach nur ein bissi sehr in die Länge gezogen.

Natürlich gibt es hier von Logik wenig Spur. Das ist ein Slasher-Film. Was hat da denn bitte Logik drin verloren? Sind die Figuren allesamt super ausgearbeitete Charaktere mit eigenen Motivationen, Eigenschaften und Zielen? Nein, natürlich nicht. Sind sie stereotypische Figuren, die als Kanonenfutter dienen? Ja, klar. Was sonst? Aber in welchem Slasher ist das denn bitte anders? Will mir jetzt jemand erklären, die Figuren in, sagen wir mal „Urban Legends“ oder „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ hätten sowas wie Tiefe? Eben. Und ich habe tatsächlich mit ein paar der Figuren mitgefiebert, schlichtweg, weil ich der Meinung bin, dass kein Mensch es verdient hat brutal zu sterben – da brauche ich nicht mal einen extra Grund um die Person zu mögen. Ich brauche grundsätzlich keinen Grund um jemand zu mögen. Ich brauche einen Grund, wenn ich jemand NICHT mag. Und selbst dann wünsche ich dieser Person nicht den Tod (von qualvoll ganz zu schweigen).

Ja, es ist ein Slasher. Ja, es gibt Leute, die gucken sich das wegen der „kreativen Kills“ an. Soll sein. Ist ja nur ein Film und man weiß auch, dass die Leute beim Machen des Films vermutlich Tränen gelacht und ewig getüftelt haben, wie sie diese Sachen so hinbekommen, dass es gut aussieht. Und das tut es. Technisch betrachtet sieht es gut aus. Und passend eklig. Und heftig. Muss ich sehen, wie jemanden das Auge aus dem Kopf gedrückt wird, während dieser zerquetscht wird, weil ein Auto langsam drüber fährt? Nein. Muss ich nicht. Aber aus filmemacherischer Sicht gesprochen: Ich bin beeindruckt, wie gut sie das technisch/optisch hinbekommen haben. Und da gibt es einige Szenen bei den ich mir mir dachte „Wow. Das haben sie extrem gut gemacht.“

Um es kurz zu machen: Ja, der Film hat seine Schwächen. Rein objektiv gesehen. Das Schauspiel – speziell am Anfang von Christopher Robin und Mary – ist nicht immer besonders gut. Die Dialoge sind – ebenfalls am Anfang Christopher Robin und Mary – teilweise zum Fremdschämen. Manche Szenen sind gefühlsmäßig drin, um die Laufzeit des Films zu strecken (die eine oder andere übertriebene Verfolgungsjagd) und die Macher:innen halten sich extrem an die Regeln für Horrorfilme: Der erste Mord zum Beispiel, nachdem die „richtige Handlung“ einsetzt, passiert weit weg von der Gruppe, ist unerwartet brutal, man sieht nackte Brüste und das Ende ist sehr, sehr blutig. Warum? Filmregeln, sag ich nur. Da hätte ein wenig Abwechslung sicher gut getan. Zum Beispiel hätte die Dame entkommen können und immer wieder mal dazwischen auftauchen. Oder am Ende alle retten, weil sie die Polizei (oder die Armee) holt oder was auch immer. Soll heißen: Es wird hier enorm auf „Nummer Sicher“ gespielt.

Andererseits kamen Szenen vor, mit denen ich so nicht gerechnet hatte und die ich wirklich cool fand. Zum Beispiel der Einstieg mit der hervorragenden Animationssequenz. Oder gegen Ende, als vier langhaarige Typen dem Puh-Bären gegenüberstehen. In einem anderen Film wären die Typen vermutlich größere Schweine gewesen als Ferkel (man verzeihe das Wortspiel), aber hier nicht. Hier wollen sie einem Typen, der zwei Frauen stalkt klarmachen, dass das überhaupt nicht geht. Zitat „Seems like you forgot your manners.“ Oder das Alice zurückbleibt weil Ferkel außer Gefecht ist, diesen ankettet und es ihm mit gleicher Münze heimzahlt – auch das fand ich überraschend.

Sind viele dumme Entscheidungen dabei? Natürlich. Wenn man als Beobachter vor dem Bildschirm sitzt und weiß, dass man einen Horrorfilm sieht. Aber ich fand die Szene erfrischend, weil es eben emotional so nachvollziehbar ist.

Gibt es Szenen, die rein aufgrund der optisch wirklich hübschen Schauspieler(innen) vorkommen? Klar. Man nehme nur die Bikini-Pool-Szene von Natasha Tosini. Die Kamera fängt die optischen Vorzüge der Damen sehr gut ein. Diese Szene ist auch absolut nicht zu dunkel beleuchtet. Und da gibt es Beschwerden? Ich kann mich nicht daran erinnern, welche beim „Texas Chainsaw Massacre“ mit Jessica Biel gehört zu haben, in welchem die Kamera erstaunlich oft auf Höhe von Jessica Biels Hinterteil zu finden ist.

Was soll ich noch sagen? Ist es ein Meisterwerk des modernen Horrors? Himmel, nein. Es ist ein Amateurfilm, bei dem man meines Erachtens die Amateurhaftigkeit am meisten am Drehbuch merkt und bei ein paar Entscheidungen bzgl. Kamera und Schnitt. Von einem Totalausfall, wie ich überall gelesen habe (der Film hat zum aktuellen Zeitpunkt auf der IMDB die gleiche Bewertung wie „Shark Side Of The Moon„. Leute, da sind filmtechnische Welten(!) dazwischen. Und der Vergleich geht ungünstig für den Hai-Film aus).

Was ich eigentlich in Summe sagen will: Wer einen handwerklich gut gemachten Slasher mit ikonischen Figuren (aus Copyright-Gründen können und dürfen die Figuren nicht aussehen, wie jene von Disney) sehen will, der wirklich brutal ist und wer über einige Schwächen im Drehbuch, Schnitt und teilweise Schauspiel hinwegsehen kann, der oder die wird hier sicherlich seine oder ihre Freude haben.

Und ich kann noch immer nicht glauben, dass ich hier sitze und einen Film verteidigen muss, den ich persönlich zu brutal fand, einfach weil es mich so aufregt, wie mit engagierten und talentierten Menschen umgegangen wird.

„Winnie The Pooh: Blood And Honey“ bekommt von mir 6,5 von 10 möglichen, für das Budget extrem viel raugeholte, Punkte.


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