Fall (Filmkritik)

Vor einem Jahr hat Becky (Grace Caroline Currey) bei einer gemeinsamen Klettertour mit ihrer besten Freundin Hunter (Virginia Gardner) ihren Ehemann verloren. Seitdem verbringt sie ihr Leben damit, sich in diversen Lokalen zu betrinken und sich ihrer Depression hinzugeben. Ihr Vater James (Jeffrey Dean Morgan) möchte ihr helfen, doch sie blockt jeden seiner Hilfeversuche kategorisch ab.

Gerade als sie an einem absoluten Tiefpunkt in ihrem „Leben“ angekommen ist, meldet sich Hunter wieder bei ihr mit einer verrückten Idee. Becky soll mit ihr wieder Klettern gehen und zwar geht es konkret um das Erklimmen eines über 600 Meter hohen Fernsehturms mitten in der Wüste. Oben angekommen kann sie dann endlich die Asche ihres verstorbenen Ehemannes verteilen. Becky zögert zunächst, willigt dann aber ein. Pech für die beiden, dass sich der Turm nicht gerade im perfekten Zustand befindet…

Scott Mann ist kein Regisseur, der ständig Filme dreht. The Tournament aus dem Jahr 2009 fand ich sehr gut und auch Bus 657 (2015 entstanden) und Final Score (von 2018) sind unterhaltsame Actionstreifen. 2022 meldet er sich nun zurück mit dem Thriller „Fall“ (der „deutsche“ Zusatztitel „Fear Reaches New Heights“ ist ausnahmsweise gar nicht so unpassend), wobei er auch am Drehbuch mitgeschrieben hat und als Produzent fungiert. Dabei handelt es sich um die Art Film, wo die Handlung fast ausschließlich nur an einem Ort stattfindet.

Konkret heißt das hier, dass nach circa einer guten halben Stunde Aufbau, die beiden Protagonistinnen für eine Stunde Filmzeit auf dem Turm festsitzen. Diese Art von Film hat immer gewisse Limitierungen und es müssen immer wieder Wege gefunden werden, die Mitspielerinnen in Gefahr zu bringen. So weit so klar und ich bin an die Sache auch dementsprechend abgebrüht und ohne großartige Erwartungshaltung heran gegangen. Wie ich mich dann aber am Ende gefühlt habe, hat mich doch überrascht.

Zunächst mal zu dem, was am leichtesten angreifbar ist. Natürlich sind manche Entscheidungen der Heldinnen hier einfach sagen wir waghalsig, manche Dialoge schwach und was alles passiert, ist klar over the top. Aber wow ist es schon lange her, dass ich mich bei einem Film so unwohl gefühlt habe und Gänsehaut wegen spannenden/unangenehmen Situationen bekommen habe, wie es hier der Fall ist. Erstaunlich ist auch das Aufrechterhalten eines pausenlosen Gefühls ständiger Gefahr.

Für den Dreh wurde ja ein Turm auf eine Klippe gebaut, dass heißt 90 Prozent der Szenen sind ohne einen Greenscreen ausgekommen. Die Cinematographie ist wahnsinnig dynamisch und bestechend, nie hat man Zweifel, dass sich die zwei Damen nicht wirklich in luftiger Höhe befinden. Auch die Ideen, was sie alles machen könnten, um auf sich aufmerksam zu machen, erscheinen logisch. Selbst das obligatorische Beziehungsdrama, dass in solchen Filmen irgendwie immer auf das gleiche hinaus läuft, wird wenig störend eingebunden.

Was natürlich alles zusammenhält, ist ob man Becky und Hunter mag und ihnen wünscht, dass sie die Sache überleben. Beide Ladys leisten hier großartige Arbeit. Grace Caroline Currey (Shazam) als Becky macht dabei die größere emotionale Entwicklung durch, von völlig am Boden und ständig ängstlich, über die Trauer bis hin zum Kampfgeist und neu gewonnener Kraft, das macht sie schon sehr gut. Mein Highlight ist aber Virginia Gardner (Monster Party), die als Draufgängerin Hunter nur so vor Energie strotzt.

Was sie dabei speziell schafft, ist folgendes. Für ihre Follower trägt sie ja einen Push-up BH und nicht immer ist es daher „möglich“, ihr ins Gesicht zu sehen. Irgendwann nimmt man ihren Ausschnitt dann aber gar nicht mehr wahr, denn ihr Charakter ist viel zu spannend und zu lebendig (gespielt) und sie zeigt auch in ein paar Momenten ihre verletzliche Seite, sie strahlt förmlich vom Bildschirm. Jeffrey Dean Morgan (The Unholy) ist übrigens nur extrem kurz mit dabei, wohl aus Freundschaft zu Regisseur Mann, bei dessen Film Bus 657 er die Hauptrolle hatte.

Man kann das alles schwachsinnig bzw. übertrieben finden, aber das Gefühl von Höhe bzw. der Angst vor Höhe, habe ich glaube ich noch nie so intensiv vermittelt bekommen. Die Imax-Szenen und Kamerafahrten sind atemberaubend, in Kombination mit der pushenden Musik treibt dich die Spannung stellenweise an den Rand des Sessels, die beiden Damen spielen einfach toll und ein Twist gegen Ende (auch wenn man ihn erahnen kann), hat mich sehr unangenehm in der Magengrube erwischt.

Wie gesagt, es hat mich unerwartet stark hineingezogen und Gefühle ausgelöst, das konnte auch mein Gehirn in der nachfolgenden nüchternen Betrachtung einfach nicht abstreiten und irgendwie muss man dann auch noch – spätestens wenn der Schlussspann losgeht und das Lied I Have Never Felt More Alive von Madison Beer ertönt – über das eigene Leben nachdenken und wie man mehr Lebendigkeit ins Dasein hinein bringt. Hier wurde mit voller Energie auf ein Trip-Erlebnis hingearbeitet und es ist 100 prozentig gelungen.

„Fall“ bekommt von mir 8,5/10 in schwindelnden Höhen sich aus den Tiefen des Lebens heraus holende Empfehlungspunkte.


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